Blattmaske
Oberhalb von repräsentativen Hauseingangstüren und Pforten befinden sich oft dreidimensionale (vollplastische) oder reliefartige (halbplastische) Gesichter als Mischungen aus menschlichen Gesichtszügen und Blättern, Ranken und Blüten. Diese Gesichter heißen Blattmasken und sind oft sehr phantasievoll verfremdet, wenn Haare, Bärte, Nasen, Ohren, aber auch Lippen geradezu fließend mit Elementen aus der Natur verschmelzen. Die Augen, die perspektivisch nach unten gerichtet sind, starren den Betrachter, der außen vor der Tür steht, unverwandt und bedrohlich-durchdringlich an – Abschreckung ist ihre Aufgabe. Andere Namen sind daher auch grüne Männer, wilde Männer oder Maskaron bzw. Mascaron, ausgehend von der französischen Vokabel Masque, Maske, von arabisch masḫara, Verhüllung und Verkleidung des Gesichts.
Blattmasken aus Stein, Stuck oder Terracotta sind oft an exponierter Stelle oberhalb von Türen und Fenstern, beispielsweise als Dekoration eines Schluß- oder Keilsteins in einem Bogen, in zentralen Feldern von Supraporten oder als Kopf bzw. Abschluß einer Konsole oder eines Kragarms bei vorspringenden Bauteilen wie Vor- und Schmuckdächern, Balkonen, Söllern und Erkern.
Ursprünglich stellten diese Blattmasken rituellen Abwehrzauber gegen böse Dämonen, generell Unglück und Unheil wie Krankheiten und Bedrohungen durch Epidemien und Kriegszerstörung dar, besonders in der Antike und im Mittelalter. Bewohner eines Hauses versuchten also mit den übermenschlichen Kräften der Natur die Öffnungen ihres Hauses zu schützen. Insofern ähnelt dies dem auch heute noch beliebten Brauch, über Türen als Glücksbringer grüne Mistelzweige aufzuhängen. Aus Misteln nämlich brauten, wie der römische Schriftsteller und Offizier Plinius der Ältere in seiner Naturalis Historia (ca. 50 n. Chr.) berichtete, die Druiden - wie Miraculix im gallischen Dorf von Asterix und Obelix - ja ihren höchst wirksamen Zaubertrank. Plinius hebt besonders hervor, wie Eichen und deren Laub kultisch verehrt wurden, und tatsächlich finden sich Eichenblätter in vielen Blattmasken. Eiben gelten ebenso als mystisch-magische Bäume, die wegen ihrer Fähigkeit mehrere 1000 Jahre alt werden zu können die Herrschaft über Leben und Tod symbolisieren. Abstrahierte Nadelzweige in einer Blattmaske repräsentieren daher Eiben und sollen einem Gebäude und den Bewohnern eine lange Lebensdauer sicherstellen.
Eine ungewöhnlich große und sogar begehbare Blattmaske befindet sich im aus dem 16. Jahrhundert stammenden Skulpturenwald von Bomarzo, Italien. Das weit aufgerissene Maul ist die Türöffnung in eine tiefer gelegene Kammer, die die Unterwelt symbolisieren soll.
Im 19. Jahrhundert waren Blattmasken dann als
historisierend-skurrile Verschönerung von Fassaden
beliebt. Sie galten als Drolerie, also komische bis groteske
Überzeichnungen. Die Baumwesen gibt es auch heute noch. Sie tauchen
animiert - schauend, sprechend, beweglich und agierend in
der Handlung - in Fantasy-Erzählungen und Filmen auf,
beispielsweise die Ents und die Figur des Baumbart im
Herrn der Ringe und die Bowtruckles und die
peitschenden Weiden bei Harry Potter.
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