Heizen mit Abwasser
Wärmepumpenkaskade für Mehrfamilienhäuser in Berlin-Karlshorst
In Abwasser steckt eine Menge Wärmeenergie, die in Deutschland vielerorts jedoch ungenutzt in der Kanalisation verloren geht. Dass es auch anders laufen kann, zeigt ein Projekt der Wohnungsbaugenossenschaft EVM Berlin im Fürstenberg-Kiez in Berlin-Karlshorst. Ein Neubau-Ensemble bestehend aus drei Mehrfamilienhäusern mit insgesamt knapp achtzig Wohneinheiten wird von einer Kaskade aus sechs Großwärmepumpen des Herstellers Stiebel Eltron beheizt. Als Wärmequelle für die Geräte dient die Abwärme der öffentlichen Abwasser-Druckleitung, die in der angrenzenden Straße verläuft. Zusätzlich versorgt die Wärmepumpenanlage einen Altbau auf der gegenüberliegenden Straßenseite mir Vorwärme für die Gasheizung.
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Die drei viergeschossigen Wohnhäuser mit Staffelgeschoss und Tiefgarage sind um einen Gemeinschaftsgarten angeordnet. Die Zwei- bis Fünfzimmerwohnungen sind barrierefrei gestaltet und verfügen über einen multivalenten Grundriss. Bei Bedarf können dadurch auch alternative Wohnformen geschaffen werden, etwa eine Elfzimmerwohnung zum gemeinschaftlichen Wohnen. Bereits bei dem Bau selbst legte die Genossenschaft Wert auf klimafreundliche Lösungen. So kamen vorwiegend umweltgerechte Baustoffe zum Einsatz. Zudem wurden Gründächer angelegt, die Lebensraum für Pflanzen und Tiere bieten, wärmedämmend wirken und ein Wasserrückhaltevermögen besitzen. Regenwasserversickerungsflächen auf dem Grundstück gewährleisten, dass der Grundwasserspiegel trotz der Flächenversiegelung nicht abfällt.
Umweltfreundliche Wärmepumpenkaskade
Zur Nutzung der Abwasserwärme wurde in der Abwasser-Druckleitung unter der angrenzenden Dorotheastraße ein 78 Meter langer Wärmeüberträger integriert, der als Rohr-in-Rohr-System funktioniert: Im inneren Rohr mit einem Durchmesser von 90 Zentimetern fließt das bis zu 23 Grad warme Abwasser. Im Raum zwischen Innen- und Außenrohr (Ringspalt), das einen Durchmesser von knapp einem Meter hat, zirkuliert Wasser als Übertragungsmedium. Über dieses Rohr-in-Rohr-System wird dem Abwasser rund zwei Kelvin Wärme entzogen. Zu berücksichtigen ist, dass das Abwasser nicht zu stark heruntergekühlt wird, denn es muss mit 12 °C im Klärwerk ankommen, damit die biologischen Reinigungsprozesse dort effektiv ablaufen können.
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Von der Druckleitung wird das erwärmte Übertragungsmedium unterirdisch zur rund hundert Meter entfernten Heizzentrale im Keller des Gebäudes transportiert. Dort befindet sich das Herzstück der Heizungsanlage: eine Kaskade aus sechs Großwärmepumpen des Typs WPF 66 von Stiebel Eltron. Die Sole/Wasser-Wärmepumpen haben eine Heizleistung von je 66 kW und heben die Temperatur auf das zum Heizen benötigte Temperaturniveau an. In den Wohnungen erfolgt die Wärmeverteilung dann über Fußbodenheizungen, sodass bereits eine sehr niedrige Vorlauftemperatur von 35 °C ausreicht. Zusätzlich zur Wärmepumpenanlage wurden zwei Gasbrennwertkessel installiert, die während der EVU-Sperren oder im Falle einer Havarie der Abwasserleitung einspringen. Im regulären Betrieb werden jedoch hundert Prozent des Heizenergiebedarfs des Gebäudes umweltfreundlich über die Wärmepumpenanlage gedeckt. Die Warmwasserbereitstellung erfolgt dezentral mit Durchlauferhitzern des Holzmindener Herstellers.
Zur Wärmeversorgung des unsanierten Altbaus sind wesentlich höhere Vorlauftemperaturen von über 60 Grad notwendig. Dafür wurden drei der sechs Wärmepumpen sowie einer der beiden 2.000-Liter-Pufferspeicher entkoppelt, die allein für die Bestandsbeheizung zuständig sind und eine Vorlauftemperatur von 55 °C als Grundlast zur Verfügung stellen. Die weitere Erhöhung der Vorlauftemperatur auf über 60 °C übernimmt bei Bedarf ein Gasbrennwertkessel.
Jahresarbeitszahl wie prognostiziert
Seitdem die Anlage in Betrieb gegangen ist, arbeitet sie mit einem hohen Nutzungsgrad. Bei der Planung prognostiziert war eine Jahresarbeitszahl von 6,0. Während der ersten Heizperiode erzielte die Anlage bereits eine Jahresarbeitszahl von 5,4. Durch Nachjustierungen im laufenden Betrieb, etwa die Durchführung eines hydraulischen Abgleichs und die Absenkung der Vorlauftemperatur, konnte dieser Wert deutlich verbessert werden. Inzwischen hat sich die Jahresarbeitszahl zwischen 5,9 und 6,1 eingependelt. Insgesamt können mit der Anlage pro Jahr rund 35 Tonnen CO₂ gegenüber einer herkömmlichen Gasheizung eingespart werden. Dadurch fallen die Betriebskosten deutlich geringer aus, wovon besonders die Bewohner*innen profitieren.
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