Aufstockung von Plattenbauten in Berlin
Pilotprojekt der HOWOGE an zwei Standorten
Als eines von sechs kommunalen Wohnungsunternehmen des Landes Berlin mit rund 74.500 eigenen Wohnungen gehört die Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE zu den größten Vermietern deutschlandweit. Mittel- bis langfristig soll das Angebot insbesondere durch Neubau auf 100.000 Wohnungen erweitert werden. Ein enormes Potenzial birgt der Bestand: Allein die vier- bis sechsgeschossigen Plattenbauten der HOWOGE verfügen über mehr als 320.000 Quadratmeter Dachfläche. Ein Pilotprojekt ermittelt die technische und wirtschaftliche Machbarkeit von Dachaufstockungen auf dem Plattenbautyp WBS 70 / Typ Berlin. Insgesamt entstanden dabei 50 Neubauwohnungen, ohne zusätzliche Flächenversiegelung. Die Hälfte der Wohnungen ist sozial gefördert und wird zu Einstiegsmieten ab 6,50 Euro pro Quadratmeter vermietet.
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Angesichts steigender Grundstückspreise, knapper werdenden Baulands und der Forderung nach ressourcensparendem Bauen sind Aufstockungen im Bestand ein Weg, dringend benötigten Wohnraum zu schaffen. Das Pilotprojekt umfasst einen Fünfgeschosser mit vier Hauseingängen in Berlin-Buch und einen Sechsgeschosser mit sieben Hauseingängen in Berlin-Hohenschönhausen. Während das Gebäude in Hohenschönhausen um zwei Geschosse und 28 Wohnungen aufgestockt wurde, sind es in Buch drei Etagen und 22 Wohnungen. Beide Projekte entstanden als Typenhaus in Holz-Hybridbauweise.
Im September 2018 starteten die Planungen; die Bauarbeiten begannen Ende 2020 bzw. Anfang 2021. Die Aufstockung in der Franz-Schmidt-Straße in Berlin-Buch ist seit Oktober 2022 vollendet, die Wohnungen in der Seefelder Straße in Berlin-Hohenschönhausen sind im November 2022 fertig geworden.
Holz für Aufstockungen gut geeignet
Ein entscheidender Vorteil von Holz als Baumaterial für Aufstockungen ist das geringe Gewicht. Dennoch waren in beiden Fällen aufwändige Fundamentverstärkungen erforderlich, um die Last besser zu verteilen. So wurde eine 20-25 Zentimeter hohe Bodenplatte im Keller aufgebaut, für die mittels Bohrungen in den Außenwänden ein entsprechendes Stahlgeflecht mit dem vorhandenen Boden erstellt wurde. Im Dachbereich wurde das Drempelgeschoss vollständig entfernt, nur die letzte Geschossdecke blieb erhalten.
Die Aufstockung erfolgte in bewohntem Zustand und ging mit teils erheblicher Lärmbelastung für die Mieterinnen und Mieter einher. Nach den Abbrucharbeiten wurde zunächst eine Notabdichtung aufgebracht. Anschließend wurden die vorhandenen Medienstränge weitergeführt und für den späteren Anschluss der Aufstockung vorbereitet. Erst dann konnte der neue Aufbau begonnen werden.
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Neue Aufzüge in zwei Varianten
Ein nicht zu unterschätzender Vorteil ist die barrierefreie Erschließung der Neubauwohnungen – diesbezüglich gibt es zwei Varianten. In der Seefelder Straße entstanden zwei vorgesetzte Aufzüge, die lediglich eine barrierefreie Erschließung der Neubauwohnungen ermöglichen, da der Fahrstuhl aus baulichen Gründen nur auf den Zwischenebenen der Etagen hält. In der Franz-Schmidt-Straße hingegen wurde eines der bestehenden Treppenhäuser komplett ersetzt. Der neue Aufzug hält auf der jeweiligen Wohnungsebene, sodass auch die Bestandsmieter*innen davon profitieren und ihre Wohnungen barrierefrei erreichen können. Um das zu ermöglichen, wurden die Mietparteien des Aufgangs für neun Wochen in einem Ausweichquartier untergebracht.
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Herausforderungen und Erkenntnisse
Im Rahmen des Pilotprojektes wurden insbesondere die Themen Brandschutz, Gebäudestatik, barrierefreie Erschließung, die Anbindung an den Bestand sowie die Wirtschaftlichkeit untersucht. Obwohl es sich um den gleichen Bautyp handelt, wiesen die untersuchten Gebäude einen unterschiedlichen Baustandard auf. Geschuldet ist dies zum einen den verschiedenen Ausbau- und Einsparstufen (u.a. unterschiedliche Betonhärten, Keller- und Raumführung, Verrohrung) zum Zeitpunkt der Errichtung. Aber auch die Beschaffenheit des Bodens wirkt sich auf den Bestandsbau aus.
Jede Dachaufstockung stellt einen nicht zu unterschätzenden Eingriff in die Gebäudesubstanz dar. Bei künftigen Vorhaben sind die Gebäude daher ganzheitlicher und tiefergehender zu betrachten, um mögliche Synergieeffekte zwischen Dachaufstockung und Bestand besser nutzen zu können. Das gilt insbesondere für die Fassade sowie den Anschluss an Steigleitungen, Elektrik und Lüftung.
Wirtschaftlichkeit
Die Wirtschaftlichkeit im Projekt zu erreichen, ist eine Herausforderung. Ursprünglich sollte die Aufstockung komplett in Holz erfolgen – aufgrund des Preisanstiegs des Baustoffs musste in Hybridbauweise umgeplant werden. Neben dem Baustoff spielt die Geschossigkeit eine wichtige Rolle für die Wirtschaftlichkeit: Eine Dachaufstockung sollte mindestens zweigeschossig konzipiert sein, da bei eingeschossiger Aufstockung im Verhältnis zu den Baukosten zu wenig Wohnfläche entsteht.
Um die Brandschutzauflagen zu beschränken, sollte die Hochhausgrenze von 23,50 Metern bzw. acht Geschossen nicht überschritten werden, auch wenn das statisch möglich gewesen wäre. Die Ausgestaltung der Mieten ist selbstverständlich auch maßgeblich für die Wirtschaftlichkeit. Hinsichtlich der barrierefreien Erschließung zeigte sich, dass ein Ersatz des alten Treppenhauses unwesentlich teurer und aufgrund des hohen Mehrwerts für alle Mieter*innen vorzuziehen ist.
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Bauzeit
Ziel ist es, die u.a. durch die geopolitische Lage vergleichsweise lange Bauzeit der Pilotprojekte von rund 20 Monaten auf elf Monate zu verkürzen. Mit zunehmender Erfahrung sowie einer stetigen Auslastung in der Produktion der Fertigelemente lässt sich der Zeitplan optimieren und straffen. Auch eine Steigerung des Vorfertigungsgrades kann die Bauzeit verkürzen und die Wirtschaftlichkeit erhöhen.
Fazit und Ausblick
Von enormem Vorteil ist die Schaffung zusätzlichen Wohnraums innerhalb einer bestehenden Infrastruktur, ohne weitere Flächen zu versiegeln. Auch der Verwaltungsaufwand in der Bewirtschaftung lässt sich damit verringern und die Betriebskosten für alle im Objekt wohnenden Mietparteien reduzieren. Die Aufwertung des Bestandsgebäudes, die Verbesserung des Wohnumfelds durch neue Spiel- und Erholungsflächen, mehr Barrierefreiheit sowie Abstellmöglichkeiten für Fahrräder sind weitere Pluspunkte einer Aufstockung.
Dem entgegen steht, dass eine Aufstockung im Vergleich zum konventionellen Bauen teurer ist. Obwohl die finale Auswertung der Kosten noch aussteht, ist klar, dass die Baukosten im Vergleich zu einem konventionellen Holz-Hybridbau deutlich höher liegen. Nicht zu unterschätzen ist auch die hohe Belastung der Mieterinnen und Mieter durch die Bauarbeiten in bewohntem Zustand: Diese gilt es, in ihrem Alltag so gut es geht zu unterstützen und für zukünftige Projekte noch intensiver aufzuklären.
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Trotz aller Herausforderungen zieht HOWOGE-Geschäftsführer Ulrich Schiller eine positive Bilanz: „Die wichtigste Erkenntnis ist, dass wir weitere Dachaufstockungen aus der Perspektive des Bestandsgebäudes denken. Ausschlaggebend ist dann neben den städtebaulichen Aspekten der Primärenergieverbrauch des Gebäudes. Die Dachaufstockung erfolgt im Rahmen einer energetischen Sanierung und ist Teil unserer Klimastrategie.“ Insgesamt hat die HOWOGE Potenzial für 2.000 weitere Wohnungen auf ihren WBS 70-Platten ausgemacht.
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