Rückblick auf den 4. Deutschen Holzbaukongress
Bauen mit Holz im urbanen Raum: Wohnen, Heizen, Kosten und Kreisläufe
Nichts weniger als das nachhaltige Bauen zur Dekarbonisierung der Welt sei das erklärte Ziel des Holzbauforums, betonte Heinrich Köster von der TH Rosenheim zum Einstieg des 4. Deutschen Holzbau Kongress – Bauen mit Holz im urbanen Raum. Mit rund 700 Teilnehmenden stieß die Veranstaltung am 4./5. Juli 2023 im Mercure Hotel MOA Berlin auch in diesem Jahr auf großes Interesse.
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Wie lässt sich der Anteil des Holzbaus bei den mehrgeschossigen Bauweisen weiter erhöhen, welche rechtlichen Hürden existieren nach wie vor? Was für Möglichkeiten und Methoden gibt es bei der (seriellen) Sanierung und wie funktioniert ein materialgerechter Kreislauf? Diesen Fragen gingen Expertinnen und Experten von Behörden und Institutionen, aus Planung und Handwerk, von Universitäten und Unternehmen nach, wobei die aktuelle wirtschaftliche Situation eine wichtige Rolle spielte.
Preissteigerungen, Lieferkettenprobleme, Fachkräftemangel
So berichtete Pekka Sagner vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln von einem durchgehend negativen Erwartungssaldo für die kommenden zwölf Monate seit dem ersten Quartal des Jahres 2022 – Preissteigerungen und Lieferkettenprobleme dauerten weiter an. Die Baupreissteigerungen betrugen 2022 knapp ein Fünftel gegenüber dem Vorjahr, es seien die höchsten seit 1970 gewesen. Der Fachkräftemangel sei mit 36.000 Personen zu beziffern und damit erheblich. Betrachte man das ursprünglich von der Bundesregierung angestrebte Ziel, pro Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen, fehlten gar 100.000 Fachkräfte. Dazu käme ein Auftragsrückgang der Unternehmen im April 2023 von durchschnittlich 24% gegenüber dem Vorjahr, im Wohnungsbau seien es sogar 36%.
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Heizung, Kühlung – Simulation und tatsächlicher Verbrauch
Aufrüttelnd war der Vortrag von Christine Lemaitre, Bauingenieurin im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen DGNB. Unter 2°C Erderwärmung sei das Ziel, zugleich müssten alle Anstrengungen unternommen werden, die Erderwärmung unter 1,5°C zu halten. Dies könne nicht allein mit Technologie gelingen: „Technology is the answer...what was the question?” Den Weg des technischen Fortschritts unkritisch zu verfolgen, sei problematisch. Auch sei das heftig debattierte Heizungsthema gar nicht so aktuell: Vielmehr wachse die Bedeutung des Themas Kühlung, und Neubauvorhaben sollten nach Möglichkeit ohne Heizung auskommen. Vier Punkte nannte sie entscheidend: Emissionen eliminieren, erneuerbare Energien nutzen, Bestand sanieren und politische Rahmenbedingungen dafür schaffen. Nicht nur technische Simulationen vornehmen, sondern mehr tatsächliche Daten erheben: Es gäbe eine „Performance Gap” im Neubau, wo der Verbrauch im Durchschnitt 30% höher sei als theoretisch ermittelt. Auf der anderen Seite läge der Verbrauch in Gebäuden der 1960er- und 70er-Jahre oftmals unter den rechnerisch ermittelten Werten, weil die Leute, die darin wohnen, nicht auf 22° Raumtemperatur hochheizten. Lemaitre betonte, einen Zusammenhang zwischen höheren Baukosten und Nachhaltigkeitsqualitäten gäbe es nicht und nannte einige Beispiele. Ein Fazit der anschließenden Diskussion war jedoch, dass der Aufwand einer Zertifizierung durch die DGNB sich bei kleinen Wohnbauten nicht rentiere.
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Holzbau-Förderung ist politisches Ziel
Bundesbauministerin Klara Geywitz betonte, dass nicht zu bauen keine Alternative sei, das Bauen mit Holz vielmehr eine notwendige Brücke, um mit wenig Ressourcenverbrauch lebenswerten Wohnraum zu schaffen. Exemplarisch nannte sie ein Fahrradparkhaus in ihrem Heimatort Eberswalde, das Wohn- und Geschäftshaus Buggi in Freiburg, den Prinz-Eugen-Park in München und das geplante Schumacher-Quartier in Berlin. Nicht zuletzt aufgrund seiner Eignung für die serielle und modulare Vorfertigung werde sich der Holzbau mehr und mehr durchsetzen – sie führte die wesentlichen politischen Maßnahmen auf dem Weg dorthin auf. „Wenn ich jedesmal einen Cent kriegen würde, wenn sich jemand über die Muster-Holzbaurichtlinie beschwert, wäre unser Ministerium ein reiches Ministerium.” Das Regelwerk müsse überarbeitet, die Landesbauordnungen untereinander abgestimmt werden. Wenn ein Bautyp von Kitas oder Schulen in einem Bundesland genehmigt worden sei, müsse er auch in anderen Bundesländern genehmigungsfähig sein.
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Heizen auf dem Weg zur Klimaneutralität
Konkret um das „Heizungsthema” ging es bei einem Vortrag des am Freiburger Öko-Institut tätigen Physikers Veit Bürger. Um 2045 klimaneutral zu sein, müssten „alle mit Energie verbundenen Sektoren auf Null” gebracht werden, einschließlich des Gebäudesektors. Dies gelänge nur mit der Wärmepumpen-Technologie und klimafreundlicher Fernwärme – 2023/24 seien entscheidende Jahre dafür. Die Neuanschaffung einer Gasheizung, ausgelegt für einen Betrieb von 20-25 Jahren, sei weder wirtschaftlich noch ökologisch vertretbar. Beim Einbau einer kleinen Heizung wie zum Beispiel bei Passivhäusern sei eine Stromheizung sinnvoll. In Bestandsbauten, die sich für den Einsatz von Wärmepumpen nicht eigneten, seien Pelletöfen eine Alternative. Es gäbe jedoch weit mehr Möglichkeiten, auch im Bestand Wärmepumpen zu nutzen, wie ein vom Öko-Institut durchgeführtes Monitoring belege: So sei oftmals der Austausch weniger kritischer Heizkörper ausreichend, auch ohne eine Vollsanierung. Fossile Heizanlagen im Neubau nannte Bürger einen „Irrsinn”; er forderte eine PV-Pflicht für Neubauten und Dachsanierungen sowie die Durchsetzung von Mindesteffizienzstandards.
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Vielgeschossig in Holz- und Holzhybridbauweise
Über moderne Holzbausysteme informierten Unternehmensvertreter aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Dabei spielte die digitale Fertigung eine große Rolle: Eine frühe Zusammenarbeit der Planenden mit den produzierenden Firmen sei für reibungslose Abläufe, eine rasche Bauausführung und ein gutes Ergebnis enorm wichtig. Verdichtet bauen und generationenübergreifend – das waren wichtige Stichworte für den zeitnössischen Wohnungsbau. Beispiele in Almere und Hamburg (das noch nicht vollendete, 65 Meter hohe „Roots”), in Frankfurt und Wien, zeigten, dass sich viele Geschosse in Holz- bzw. Holzhybridbauweise wirtschaftlich lohnen.
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Zirkuläre Planung und Bestand
Die Kreislauffähigkeit stand im Mittelpunkt eines Themenblocks am zweiten Kongresstag: Hier kam der Geschäftsführer und Mitbegründer von Concular, Julius Schäufele zu Wort. Das Unternehmen mit Standorten in Berlin, Stuttgart und Düsseldorf vertritt den Ansatz, Gebäude als Materiallager zu verstehen, und einen digitalen Gebäuderessourcenpass zu erstellen, der eine zirkuläre Planung unter Einbezug der vorhandenen Baustoffe ermöglicht. „Es gibt für alles eine Lösung, man muss nur die richtigen Unternehmen bzw. Partner finden, um sie zu realisieren”, so Schäufeles Credo. Anschließend berichtete Erik Roerdink vom niederländischen Architekturbüro De Zwarte Hond, wie sie vom Bestand lernen, wie sich flexible Strukturen umsetzen lassen und welche ikonische Wirkung von einem Supermarkt als Ingenieurholzbau ausgehen kann (s.a. Bauwerke zum Thema: SuperHub Meerstad). Eine kritische Fragerunde im Anschluss thematisierte, bezogen auf Concular, die Frage der Haftung im Falle einer Wiederverwendung tragender Bauteile. Hier gibt es sicher noch Klärungsbedarf.
Klar ist: Der Holzbau nimmt eine Schlüsselrolle im künftigen
Bauen ein. Eine nachhaltige Forstwirtschaft ist unabdingbar, der
möglichst sparsame Umgang mit Ressourcen ebenfalls. Das Interesse
seitens der Planenden und der Industrie ist groß, auch noch
ungewohnte Wege zu beschreiten. So bleibt der Holzbaukongress in
schwierigen Zeiten ein wichtiger Impulsgeber, um verschiedene
Interessensgruppen zusammenzubringen, sie anzuhören, zu diskutieren
und sich zu vernetzen. -us
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