Sozialer Wohnungsbau Marina del Prat Vermell in Barcelona
In der Ecke liegt die Kraft
Markante Ecklösungen in leuchtendem Rot prägen das Sozialwohnungsprojekt im Viertel Marina del Prat Vermell in Barcelona. Kein Wunder, denn das Grundstück hat die Form eines extrem spitzen Keils. Oft sind es jedoch gerade solche anspruchsvollen Rahmenbedingungen, die zu klugen Ideen und spannender Architektur führen. MIAS Architects und Coll-Leclerc haben ein nachhaltig konzipiertes Bauwerk geschaffen, das das Wohl der Bewohner*innen in den Mittelpunkt stellt. Durch sonnenverlaufsabhängig gesetzte Einschnitte im Baukörper und ein variables Sonnenschutzsystem aus Klappläden stellten sie sicher, dass jede der 72 Einheiten ideal belichtet und belüftet wird.
Gallerie
Das Projekt liegt im südlichen Bereich von Montjuïc, einem ehemaligen Industriegebiet, das im 19. Jahrhundert durch zahlreiche Textilfabriken geprägt war. Heute zeichnet sich die Gegend durch die Nähe zum Meer und eine Mischung aus historischer und moderner Architektur aus. Im Rahmen eines umfassenden städtischen Erneuerungsplans wird das Industrie- und Lagergebiet in ein gemischtes Quartier mit Wohn-, Grün- und Gewerbeflächen umwandelt. Von insgesamt 12.000 geplanten Wohneinheiten entstehen bis 2025, verteilt auf drei Bauprojekte, 414 bezahlbare Mietwohnungen. 72 davon haben MIAS Architects und Coll-Leclerc mit ihrem Projekt realisiert.
Gallerie
Tageslichtschneisen
Das Gebäude erhält seine expressiven Formen durch die konsequente Ausnutzung der drei Ecken der Parzelle zwischen den Straßen Ulldecona, Cal Cisó und Pontils, ohne auf Abschrägungen oder Vereinfachungen zurückzugreifen. Mehrere parallel verlaufende Innenhöfe und zwei breite Passagen unterteilen das keilförmige Volumen in fünf separate, teils durch schmale Verbindungsbauten verknüpfte Baukörper und ermöglichen Querlüftung in allen Wohnungen. Das Ensemble wirkt kompakt, bleibt aber zugleich durchlässig und passt sich je nach Blickwinkel harmonisch in die bestehende städtische Struktur ein.
Gallerie
Die Fassaden sind durch vertikale Fensterstreifen und Platten aus geripptem Glasfaserbeton in Rot gegliedert, was an die gefärbten Stoffe erinnert, die früher in der Gegend getrocknet wurden. Jede Wohneinheit verfügt über einen Wohnbereich mit offener Küche und Essplatz, ein bis zwei Schlafzimmer und ein Bad. Allen Wohnungen ist zudem eine Loggia zugeordnet. Die ungewöhnliche Form des Baukörpers führt zu teilweise unkonventionellen, aber stets funktionalen Grundrissen mit minimalem Platzverlust. Besonders die extrem engen Ecksituationen sind geschickt entschärft, indem sie als Abstellräume für Gartengeräte und Balkonzubehör den Außenbereichen genutzt werden.
Gallerie
Bubble-Deck und Solaranlage
Das Gebäude setzt auf nachhaltige Materialien und Bauweisen, um den ökologischen Fußabdruck zu minimieren. Das Tragwerk basiert auf einem Stahlbetonskelett mit dem sogenannten Bubble-Deck-System, bei dem durch den Einsatz von Hohlkörpern aus recyceltem Kunststoff in den Bodenplatten 35 % des Ortbetons eingespart werden. Dies führt zu einer leichteren, aber dennoch stabilen Deckenkonstruktion, die sowohl die Materialkosten als auch den CO2-Ausstoß reduziert. Auf dem Dach befindet sich eine gemeinschaftliche Solaranlage mit 89 Modulen, die 37,8 kWp produziert und 51 % des Energiebedarfs deckt. Zusätzlich sind die Dächer begrünt und mit Pflanzen versehen, die zur Biodiversität beitragen und den Wärmeinsel-Effekt mindern. Fahrradständer in den Passagen fördern alternative Mobilitätsformen und unterstreichen den nachhaltigen Ansatz des Projekts.
Gallerie
Sonnenschutz: Faltschiebeläden mit Lamellen aus Aluminium
Das Projekt erreicht einen geringen Energieverbrauch von 8,76 kWh/m2 pro Jahr und erfüllt die Passivhaus-Standards mit sehr niedrigen aktiven Heiz- und Kühlanforderungen. Ermöglicht wurde dieser Wert unter anderem durch eine gewissenhafte Planung der passiven Kühlung durch Sonnenschutz sowie einer idealen Tageslichtnutzung durch die Gebäudeausrichtung. Durch die breiten, in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Passagen und Höfe erhält jede der 72 Wohneinheiten mindestens zwei Stunden pro Tag zwischen 10 und 14 Uhr direktes Sonnenlicht.
Gallerie
Die Fassaden sind so konzipiert, dass sie im Winter maximale Sonneneinstrahlung und im Sommer ausreichenden Sonnenschutz bieten. Alle Loggien sind mit Faltschiebeläden aus extrudiertem Aluminium des Herstellers Gradhermetic ausgestattet. Bei diesem Verfahren wird ein Aluminiumblock oder -barren erhitzt und durch eine Form gedrückt, um eine spezifische Querschnittsform zu erhalten. Durch den Extrusionsprozess erhält das Material zudem eine sehr hohe Festigkeit. Die Faltläden sind in einem hellen Grauton pulverbeschichtet und mit beweglichen Lamellen ausgestattet, die eine variable Einstellung der Lichtzufuhr auch im geschlossenen Zustand erlauben. Darüber hinaus lassen sich die Lamellen dem Sonnenstand und der Jahreszeit entsprechend einstellen, um einer Überhitzung des Innenraums vorzubeugen. Das Projekt wurde mit dem 2023 Los Angeles Architecture Masterprize - Social Housing Award ausgezeichnet. -sr
Bautafel
Architektur: MIAS Architects / Coll-Leclerc, Barcelona
Bauherr*in: IMHAB Institut Municipal de l’Habitatge de Barcelona
Fertigstellung: 2022
Standort: Carrer d'Ulldecona, 56, 08038, Barcelona, Spanien
Bildnachweis: Adrià Goula, Barcelona (Fotos); MIAS Architects / Coll-Leclerc, Barcelona (Pläne)
Fachwissen zum Thema
Baunetz Wissen Sonnenschutz sponsored by:
MHZ Hachtel GmbH & Co. KG
Kontakt: 0711 / 9751-0 | info@mhz.de