Ein Leuchtturm in Paris? Vor wenigen Jahren ragte dort, wo die
TGVs in den Bahnhof Montparnasse einfahren, eine Nachbildung des
Phare du Croisic in die Höhe – das Markenzeichen des hier
ansässigen Fischhändlers. Seit 2021 nimmt ein langgestrecktes
Wohngebäude das schmale Grundstück ein, das zwischen dem dicht
bebauten 15. Arrondissement und den Schienen übriggeblieben ist.
Den Neubau entwarf das Architekturbüro TANK für die kommunale
Wohnungsgesellschaft Paris Habitat.
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Ursprünglich sollten die Markthalle und der Leuchttrum des
Fischhändlers, der hier bis 2012 sein Geschäft betrieb, einer
Gärtnerei weichen. Als die Stadtverwaltung ihre Pläne änderte und
die Errichtung von Sozialwohnungen bekanntgab, wurde eine Petition
gegen das Projekt gestartet. Die 800 Unterzeichner*innen wünschten
sich Gemeinschaftsgärten, ein Gewächshaus und einen überdachten
Markt.
Mehr als Wohnen
Mittlerweile steht ein 150 Meter langes Gebäude mit metallischer
Lamellenhaut an der Rue Castagnary. Der Form des
Grundstückstreifens folgend verjüngt sich der Baukörper von 28 auf
7 Meter Breite, weist einen leichten Knick auf und endet mit
spitzen Balkonen. Sowohl das verglaste, überhöhte Erdgeschoss als
auch die lamellenverhangenen Obergeschosse sind in mehrere
Abschnitte geteilt: Am breiten Ende gibt es ein 560 m² großes
Gesundheitszentrum, im schmalen Gebäudeteil einen offenen Werkraum
und einen Leihladen – beide von der Heilsarmee getragen.
Im mittleren Abschnitt, wo das Gebäude einen Knick hat, liegen
ein hallenartiger Flur, ein Mehrzweckraum, ein Sportraum und eine
Waschküche. Die längliche Eingangshalle mündet an beiden jeweils in
ein Treppenhaus, die die zwei Wohnbereiche in den Obergeschossen
getrennt erschließen. Außerdem gibt es ein Untergeschoss, in dem
sich unter anderem ein Fahrradabstellraum befindet.
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Zuhause auf Zeit
In den fünf Obergeschossen sind insgesamt 244 Wohnungen
untergebracht: 45 für Saisonarbeiter*innen, 98 für junge
Berufstätige und 101 für Studierende. Die letzteren beiden wohnen
im nördlichen Abschnitt, zu beiden Seiten eines schmalen Korridors.
Im schmaleren, südlichen Teil verläuft der Flur an der
gleisseitigen Fassade, während die Wohnungen zur Straße gerichtet
sind.
Da die Wohngeschosse schmaler ausfallen als das Erdgeschoss
bildet sich eine im ersten Obergeschoss eine Terrasse mit Blick auf
Zaun und Stützwand des Bahndamms. Darunter fällt die Böschung ab,
sodass auch die gleisseitigen Erdgeschossräume natürlich belichtet
werden. Das Flachdach ist in weiten Teilen begrünt, zur Rückhaltung
von Regenwasser und zur Erhöhung der thermischen Trägheit des
Gebäudes. Neben den Treppenaufgängen befinden sich großzügige
Sitzbänke und eine Solaranlage.
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Seriell gebaut
Der Baukörper wurde in Stahlbeton errichtet und weist dadurch
eine große thermische Speicherkapazität und guten Schallschutz auf.
Dank der Schottenbauweise mit je sieben Metern Abstand zwischen den
Wänden ist der Grundriss anpassungsfähig. Die starre
Lamellenfassade ist fest an der Betonstruktur verankert und bildet
einen vor Sonne und Blicken schützenden Schleier vor der
Verglasung, hinter dem außerdem die Luft zirkulieren kann. Der
unregelmäßig wirkende Rhythmus von Öffnungen in der Verkleidung
offenbart erst auf den zweiten Blick die Referenz zum
Fensterrhythmus der gegenüberliegenden Häuser.
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Lamellen moderieren Ein- und Ausblicke
Bei der Fassadenverkleidung achteten die Architekturschaffenden
auf robuste Materialien und wartungsarme Bauteile. Die Lamellen, aber
auch die Geländer und die gemeinschaftlich genutzten Treppenhäuser
bestehen aus Metall. Dies verleiht dem Neubau ein einheitliches
Erscheinungsbild. Zugleich entstehen abwechslungsreiche Lichtspiele
in der Außenhaut, die unterschiedliche Stimmungen
hervorbringen.
Die starren, schräggestellten Lamellen sind vertikal angeordnet
und sollen das Tageslicht reflektieren und in die Wohnungen
lenken. Zugleich schützen sie die Privatsphäre der Bewohner*innen,
ohne dass dabei der Blick nach draußen verloren geht. Durch ihre
verschiedenen Anstellwinkel erzeugen die Lamellen je nach
Blickrichtung mal mehr, mal weniger Geschlossenheit und
Luftigkeit.
Bautafel
Architekten: TANK, Lille Projektbeteiligte: BECT Paris (Tragwerksplanung); Alu Design, Le Plessis Trevise (Fassadenarbeiten); CONAE, Nürnberg (Hersteller Aluminium-Verbundplatten); GCC, Levallois-Perret (Generalunternehmer) Bauherr*in: Paris Habitat OPH Fertigstellung: 2021 Standort: Rue Castagnary, 75015 Paris, Frankreich Bildnachweis: Julien Lanoo (Fotos); TANK (Pläne)
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