Wohnheim Collegium Academicum in Heidelberg
Quadratisch, praktisch, flexibel
In Zeiten steigender Mieten und knapper werdender Ressourcen sind Ideen für alternative Wohnformen gefragter denn je. Im Rahmen der IBA 2016 entstand in Heidelbergs Stadtteil Rohrbach mit dem Collegium Academicum ein selbstverwaltetes Wohnheim. Das Projekt wurde von jungen Aktivist*innen ins Leben gerufen und vom Architekturbüro Drexler Guinand Jauslin (DGJ) in nachhaltiger Holzbauweise umgesetzt. Dank variabler Grundrisse und des im Rahmen eines Forschungsprojekts entwickelten Sonnenschutzes lässt sich die Architektur an verschiedene Wohnwünsche anpassen.
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Ein neues Quartier für Heidelberg
Die Idee zum Collegium Academicum (CA) entstand aus der Vision einer Gruppe Studierender. Zu Beginn fehlten sowohl ein Grundstück als auch eine Finanzierung, doch das Engagement und der Glaube an das Projekt ermöglichten schließlich die Realisierung. Der Standort auf dem Gelände eines ehemaligen US-Militärhospitals in Rohrbach, das lange brachlag, bietet eine spannende Kulisse.
Das CA soll nicht nur dringend benötigten, bezahlbaren Wohnraum und ein Gemeinschaftszentrum bieten, sondern auch zur Belebung des Stadtteils beitragen. Heute spielt das Projekt eine Schlüsselrolle in der Neuentwicklung des Viertels und markiert den Eingang zu einem neuen Quartier. Öffentliche Außenanlagen, wie ein Café und ein Hofladen im ehemaligen Pförtnerhäuschen, tragen zur Vernetzung der Nachbarschaft bei.
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Fexibles Bauen und Zimmermannswissen
Das CA besteht aus zwei viergeschossigen Baukörpern, die einen begrünten Innenhof und eine Dachterrasse umschließen. Zusammen mit der angrenzenden Aula und der großen Gemeinschaftsküche bilden sie das soziale Herz des Projekts. Die übrige Fläche ist dem Wohnraum vorbehalten. Nach außen hin zeigt das Gebäude eine markante Holzfassade, während hofseitig weißes Falzblech dominiert. Vor die Hoffassaden ist ein Betonregal mit Treppen und Laubengängen platziert, zur Erschließung der Wohnungen. An den Gängen befinden sich zudem kleine Gemeinschaftsterrassen, die den Bewohner*innen als zusätzliche Freiflächen dienen.
Die Architektur des CA ist durch das von DGJ entwickelte „Open Architecture“-System äußerst flexibel. Das Grundrissraster basiert auf einem quadratischen Modul von 2,85 Metern Kantenlänge. Die Primärkonstruktion des Gebäudes besteht aus vorgefertigten Holzelementen und kommt ohne metallische Schrauben und Bolzen aus. Stattdessen wurden traditionelle Zimmermannsverbindungen genutzt, was eine spätere Demontage und Wiederverwendung der Materialien vereinfacht. Die Tragstruktur ist eine Hybridkonstruktion, die vertikale und horizontale Elemente mit aussteifenden Wänden kombiniert, um Stabilität zu gewährleisten.
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Ein Wohnkonzept für alle Lebenslagen
Beim Wohnkonzept des CA stehen Selbstverwaltung und Flexibilität im Mittelpunkt. Bereits früh waren die zukünftigen Bewohner*innen in die Gestaltung des Gebäudes eingebunden. In Planungswerkstätten entwickelten sie die künftigen Wohnformen mit und während der Bauphase konnten Freiwillige bei „Workcamps“ mitarbeiten. Diese Vorgehensweise förderte das Zusammenwachsen der künftigen Hausgemeinschaft und ermöglichte ihr, ihre Vorstellungen direkt in den Bau einfließen zu lassen.
Die Grundrisse sind überwiegend auf 3er- und 4er-Wohngemeinschaften (WGs) ausgelegt. Jede Wohnung verfügt über eine große zentrale Gemeinschaftsfläche, um die herum die kompakten Individualräume und Sanitärbereiche angeordnet sind. Die Raumaufteilung ist äußerst flexibel: Die Individualräume bestehen aus einer Kernzone von etwa sieben Quadratmetern, die je nach Bedarf erweitert oder durch Trennwände abgeteilt werden kann. In der hauseigenen Werkstatt haben die Bewohner*innen die Möglichkeit, Trennwände und Möbel selbst zu bauen.
Die modularen und anpassungsfähigen Raumstrukturen erleichtern die Anpassung an sich wandelnde Wohnbedürfnisse. Neben dem aktuellen Fokus auf Studierende und Auszubildende könnte das Gebäude zukünftig auch für betreutes oder seniorengerechtes Wohnen genutzt werden.
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Konstruktiver Sonnenschutz und Holzschiebeläden
Das Wohnheim wurde nach dem Passivhausstandard errichtet, was den Heizenergiebedarf extrem niedrig hält. Die Beheizung erfolgt über ein Fernwärmesystem, das jedoch nur selten benötigt wird. Eine auf dem Dach installierte Solaranlage mit einer Leistung von 180 kWp und einem Batteriespeicher von 140 kWh deckt bilanziell den gesamten Strombedarf der Hausgemeinschaft, sodass das Gebäude nahezu energieautark ist. Überschüssige Energie wird ins Netz eingespeist. Die Holzkonstruktion des Wohnheims bindet zudem eine erhebliche Menge CO2, was seine Nachhaltigkeit weiter unterstreicht.
Der Sonnenschutz wird durch zwei verschiedene Systeme realisiert. Zum Hof hin sorgen die Laubengänge für eine Überkopfverschattung, die vor allem in den Mittagsstunden wirksam ist. An den äußeren Fassaden bieten hölzerne Schiebeläden, entwickelt in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), einen flexiblen Sonnenschutz. Die vertikalen Lattenroste der Läden sind nicht nur ästhetisch in die Fassadengestaltung integriert, sondern ermöglichen es auch, die Sonneneinstrahlung in den Wohnräumen individuell zu regeln. Dadurch verändert sich auch das Erscheinungsbild des Gebäudes kontinuierlich, was die lebendige Natur des Projekts nach außen trägt. Gleichzeitig reduziert der Sonnenschutz den Bedarf an mechanischen Klimatisierungssystemen – ein Plus für die Energieeffizienz.
Das CA wurde bereits mehrfach ausgezeichnet, darunter mit dem Deutschen Bauherrenpreis 2024 und dem Staatspreis Baukultur Baden-Württemberg 2024.
Bautafel
Architektur: DGJ Architektur, Frankfurt am Main
Projektbeteiligte: Biek Architektur, Frankfurt am Main (Bauleitung); GDLA Gornik Denkel Landschaftsarchitektur, Heidelberg (Freiraumplanung); ZÜBLIN Timber, Aichach (Holzbau); ina Planungsgesellschaft, Darmstadt (Bauphysik); Pirmin Jung Deutschland, Sinzig (Tragwerkplanung Holz und Schallschutz); Jäger Ingenieure, Radebeul (Tragwerkplanung Beton); SBI schicho ingenieure, Regensburg (Elektro); IBS Scholz, Regensburg (Heizung, Lüftung, Sanitär); Heidelberger Energiegenossenschaft, Heidelberg (PV-Planer); HHP, Berlin / Schoob Architektur, Offenbach am Main (Brandschutz)
Bauherrschaft: Collegium Academicum GmbH, Heidelberg
Fertigstellung: 2023
Standort: Marie-Clauss-Straße 3, 69126 Heidelberg
Bildnachweis: Thilo Ross, Heidelberg; Myriam Thürigen, Heidelberg; Sabine Arndt, Heidelberg (Fotos); DGJ Architektur, Frankfurt am Main (Pläne)
Fachwissen zum Thema
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