Ferienhaus auf Mallorca
Urlaub in Cinemascope
Seine Verbindung zum Kinofilm sieht man dem kleinen Ferienhaus
Casa Palerm im Zentrum der balearischen Insel Mallorca nicht
auf den ersten Blick an: 2,66 zu 1. Das ist das Seitenverhältnis
von zwei großmaßstäblichen Fassadenöffnungen, die das längliche
Gebäude zu zwei gegenüberliegenden Seiten prägen. In etwa ist es
auch das Seitenverhältnis von Cinemascope, dem Breitbildformat, das
ab den 1950er-Jahren Kinobesuchern ein bildintensives Kinoerlebnis
bescherte und das das Planungsteam vom ortsansässigen Planungsbüro
OHLAB Oliver Hernaiz Architecture Lab zu ihrem Entwurf
inspirierte.
Gallerie
Das Mietobjekt gehört zu einem unweit gelegenen Landhotel. Hier
nahe des Ortes Lloret de Vistalegre, fast genau beim geografischen
Mittelpunkt Mallorcas, bildet die Landschaft aus sanft hügeligen
Feldern, vereinzelten Olivenbäumen und in der Ferne dem Gebirgszug
des Serra de Tramuntana das standesgemäße Bildmotiv. Verschattet
werden die Fenster in Kinoformat durch zwei große Klappläden aus
Bambusmatten, die auf Wunsch zur Pergola
werden.
Der eingeschossige Bau mit länglich rechteckigem Grundriss liegt
auf sanft abfallendem Terrain. Mit seiner Fassade aus sandfarbenem
Naturputz, Fensterläden in Pastellblau und flachem Satteldach mit
Ziegeldeckung orientiert er sich an ortstypischer mediterraner
Architektur und fügt sich unauffällig in die Landschaft ein. Das
schmale Wohnhaus ist genau sechs Meter breit, wodurch günstige
Standardträger verwendet und stützenfreie Räume verwirklicht werden
konnten. Die Zimmer nehmen jeweils die gesamte Tiefe des Hauses ein
und reihen sich ohne Flure aneinander. Durch diese Anordnung wird
die Querlüftung begünstigt. Außerdem profitieren alle Räume vom
Ausblick auf den nördlich gelegenen Gebirgszug.
Imaginäre Box
Der recht konventionelle Baukörper wird durch die zwei großen
Fassadenöffnungen auf den Längsseiten aufgelockert. Sie entstehen
aufgrund eines an dieser Stelle durchgesteckten Raumes, einer
„imaginären Box“ mit quaderförmigem Umriss. Fundament dieses Raumes
ohne Wände ist eine große Betonplatte, die sich um einige Meter auf
beiden Seiten in den nördlichen und den südlichen Außenraum
erweitert und hier als Terrasse dient. Indem die Fensterelemente
vollständig in die angrenzenden Wände verschoben werden können,
verschwimmen die Grenzen zwischen Innen und Außen. Der hier
platzierte Wohn- und Essbereich lässt sich entsprechend nach außen
erweitern.
Die südliche Terrasse mündet dort wo das Gelände ansteigt in einer Sitzbank aus Kalkstein. Sie ist in Anlehnung an das Filmformat der Fassadenöffnungen als Kinositzbank gedacht. Von hier geht der Blick durch das Haus und gerahmt von eben diesem, auf die betörende Landschaft gen Norden. Das Wohn- und Esszimmer wird aus diesem Blickwinkel metaphorisch zur „Bühne des Lebens“, so die Architekturschaffenden, mit den Feldern und der Silhouette des Gebirgszugs als Hintergrund in Cinemascope.
In nördlicher Richtung hebt sich die Terrasse als Podium aus dem
Gelände, unter dem sich der Trinkwasserspeicher befindet. Einige
Stufen führen zu einem länglichen Außenschwimmbecken hinab. Östlich
des durchgesteckten Wohnbereichs ist die offene Küche angegliedert,
dahinter befindet sich ein großes Bad sowie ein Schlafzimmer. Zwei
weitere Schlafzimmer mit jeweils großem Bad sind nördlich des
Wohnbereichs angeordnet.
Sonnenschutz: Klappläden und Pergolas aus Bambus
Wie die durchgesteckte Bodenplatte des imaginären Raumes und die
Fensteröffnungen in Cinemascope-Format, sind auch die dazugehörigen
Sonnenschutzlösungen unkonventionell. Die Fensterflächen lassen
sich durch zwei große Klappläden aus aneinandergeflochtenen
Bambusstäben verschließen. Ähnlich Eines Garagentores lassen sie
sich über eine horizontale Achse vertikal hochstellen und dienen
dann als Überkopfverschattung. Zu Pergolen geworden, schützen sie
die darunterliegenden Außenterrassen, sowie den Innenraum
insbesondere vor der starken Mittagssonne, die steil
einfällt.
Die flach einfallende, weniger intensive Morgen- und Abendsonne
kann ungehindert eindringen. Das Gleiche gilt für die tiefer
stehende Wintersonne. Für mehr Privatsphäre und eine höhere
Sicherheit können die Klappläden mithilfe von Seilzügen geschlossen
werden. Durch die offene Anordnung der Bambusstäbe sind dann noch
immer gefilterte Ausblicke und abends – bei eingeschalteter
Innenbeleuchtung – Einblicke möglich. Sollen auch diese blockiert
werden, können innen liegende Vorhänge zugezogen werden.
Ihre szenische Wirkung entfalten die weit ausladenden Klappen
aber vorzugsweise im geöffneten Zustand. Als besonderen
gestalterischen Kunstgriff verkleidete das Planungsteam die Decke
zwischen den Fassadenöffnungen mit dem gleichen Material, sodass
bei geöffnetem Zustand eine durchgehende Fläche entsteht, welche
die Umrisse des imaginären, durchgesteckten Raumes unterstreicht.
Alle übrigen Fensteröffnungen haben ein stehendes, bodentiefes
Format und verfügen über klassische Holzfensterläden. Sie können
bei Bedarf zugeklappt werden, um die Räume zu verdunkeln
beziehungsweise das Gebäude zu sichern. -sr
Bautafel
Architektur: OHLAB Oliver Hernaiz Architecture Lab, Palma de Mallorca
Projektteam: Paloma Hernaiz und Laime Oliver mit Rebeca Lavín, Silvia Morais José Allona, Amalia Stavropoulou
Projektbeteiligte: Jorge Ramón (Mengengutachter); Joaquín García Rubio (Bauunternehmer);
Lorenzo Croce (Tragwerksplanung); Salva Cañís (Landschaftsarchitektur); OHLAB / Creacuina, Palma de Mallorca (Küche und Sonnenschutz)
Bauherrschaft: privat
Fertigstellung: 2019
Standort: bei Lloret de Vistalegre, Mallorca, Spanien
Bildnachweis: José Hevia, Barcelona
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