Sozialer Wohnungsbau auf Ibiza
Sichtmauerwerk aus gepressten Lehmsteinen
Nahe der Südküste Ibizas setzt ein Mehrfamilienhaus neue
Maßstäbe für den sozialen Wohnungsbau. Der Neubau namens 43
Viviendas Sociales wurde von dem katalanischen Architekturbüro
Peris + Toral geplant und bietet insgesamt dreiundvierzig
Sozialwohnungen. Er wurde 2022 fertiggestellt.
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Form follows nature
Die Kubatur des Gebäudes leiteten die Architekturschaffenden aus gebauter und natürlicher Umgebung ab und stellen so einen Bezug zum Standort her: Während die Gesamtstruktur des Wohnkomplexes die Maßstäbe der umliegenden Bebauung aufnimmt, spiegelt sich das Gelände des Standorts in den unregelmäßigen Vor- und Rücksprüngen sowie den unterschiedlichen Höhen der einzelnen Gebäudeteile wider. Dabei lässt sich die Komplexität des Gefüges von außen kaum ablesen.
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Bioklimatisches Gebäudekonzept
Im Gebäudeinneren bestimmt ein strenges Raster aus vier mal drei Meter großen Raummodulen den Grundriss. Jedem Modul wird eine Nutzung zugeschrieben, so sind die Schlafmodule beispielsweise immer am Rand einer Wohneinheit positioniert, während Koch- und Essmodule stets das Zentrum einer Einheit bilden. Für sanitäre Anlagen und Nebenräume erhält jede Wohnung einen halbhohen Kern, der in einem der Module untergebracht wird. Um die Wohneinheiten möglichst energieeffizient und zugleich klimagerecht versorgen zu können, wurden die Module – wie bei einem amerikanischen Shotgun House – hintereinandergereiht und mit großen Raumöffnungen zu einem langen, offenen Grundriss zusammengeschlossen.
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Zur optimalen Querbelüftung der Räume sind diese zum nahegelegenen Meer ausgerichtet. Die frische Meeresluft kann so besonders gut durch die Wohnungen ziehen und diese auf natürliche Weise kühlen. Filigrane Maschrabiyyas aus Holz sorgen für eine natürliche Zirkulation in den öffentlichen Erschließungszonen und spenden zudem Schatten. Ergänzend wurden verglaste Innenhöfe geschaffen, die im Sommer geöffnet werden, um einen Kamineffekt zu erzeugen: Die warme Luft zieht nach oben ab und kühlere Luft strömt von außen nach. Im Winter bleibt das Glasdach geschlossen, sodass sich die Gebäudemitte durch die einfallenden Sonnenstrahlen erwärmt.
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Ungebrannte Lehmsteine als tragende Struktur
Auch die eingesetzten Baumaterialien unterstützen das bioklimatische Gebäudekonzept: Eine hybride Tragkonstruktion aus Lehm, Holz und Beton soll dem mediterranen Klima auf der Insel standhalten. Sämtliche Wände, tragende wie nichttragende, wurden als gepresstes Lehmstein-Mauerwerk mit einer Stärke von 10 bzw. 20 cm errichtet.
Das Material hat eine hohe Speichermasse und reguliert durch seine hygroskopischen Eigenschaften die Raumluftfeuchte, was bei der hohen relativen Luftfeuchte im Sommer von großem Vorteil ist. Um die Speicherfähigkeit des Baustoffs nicht zu schwächen, sind die Wandoberflächen weitestgehend unbehandelt geblieben. Nur eine hauchdünne Schicht Lehmputz wurde zur Fugenverfüllung und zur Vermeidung von Wärmebrücken an der Innenseite des Mauerwerks aufgetragen; außen schützen eine natürliche Korkdämmung und ein diffusionsoffener Kalkputz die leicht erodierende Gebäudestruktur.
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Das schluffige Erdmaterial für die CEB-Konstruktion (kurz: engl. Compressed Earth Block) wurde aus regionalen Lehmgruben entnommen. Die 12 mal 20 cm großen Blöcke mit einer Dicke von 10 bzw. 20 cm wurden in einem Vorfertigungswerk maschinell hergestellt und über einen Zeitraum von bis zu vier Wochen getrocknet. Die Materialzusammensetzung aus Erde, nicht expansiven Tonzuschlägen und Kalk wurde an die statischen, bauphysikalischen und gestalterischen Bedürfnisse des Projektes angepasst. So konnten beispielsweise auch die akustischen Anforderungen an die Wohnungstrennwände mit einer geringen Wandstärke von 20 cm erfüllt werden. Der experimentelle Umgang mit dem Baustoff war unter anderem durch die fehlenden Normen und Regularien möglich.
Bautafel
Architektur: Peris + Toral Arquitectes, Barcelona
Projektbeteiligte: Bernúz Fernández, Barcelona (Tragwerksplanung); L3J Tècnics Associats (Technische Gebäudeausrüstung); Societat Orgànica, Barcelona (Umweltberatung); Àurea Acústica, Barcelona (Akustik)
Bauherr*in: Institut Balear de l’Habitatge (IBAVI)
Fertigstellung: 2022
Standort: Calle 18, Ibiza
Bildnachweis: José Hevia und Txema Salvans
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