Wohnhaus in Berlin
Fassaden und Dachflächen mit sandfarbenem Verblendmauerwerk
Wer im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg einen Blick in die Innenhöfe der gründerzeitlichen Blockrandbebauung wirft, wird in einem von ihnen Unerwartetes entdecken. Ein 2016 fertiggestelltes Wohnhaus nach Plänen von Barkow Leibinger überrascht dort mit seiner ungewöhnlichen Kubatur. Mit einem steil aufragenden, gut zehn Meter hohen Dach und komplett eingehüllt in eine Fassade aus sandfarbenem Verblendmauerwerk erinnert der Baukörper an eine gekappte Pyramide.
Gallerie
Wie in vielen deutschen Großstädten ist auch in Berlin die
Nachfrage nach Wohnungen enorm groß. Ein Ansatz dem stetig
steigenden Bedürfnis nach Wohnraum zu begegnen, ist die
Nachverdichtung von Blockinnenlagen. So ungewöhnlich bis fast schon
experimentell der Neubau auf den ersten Blick auch anmutet, ist er
doch das Resultat enger baurechtlicher und denkmalpflegerischer
Rahmenbedingungen: Bei der Entwicklung des Nachverdichtungskonzepts
galt es für die Architekten zwischen zwei widersprüchlichen
Positionen zu vermitteln. Die Denkmalschutzbehörde, die aufgrund
des bestehenden Ensembleschutzes des Baublocks einbezogen wurde,
wünschte sich einen Baukörper mit der Kubatur eines im Zweiten
Weltkrieg zerstörten Quergebäudes, der die ursprüngliche Situation
wieder herstellen sollte. Dies wurde allerdings aufgrund der
heutigen Abstandsflächenregelungen von der Bauaufsicht
verwehrt.
Die Planer lösten diese gegensätzlichen Anforderungen indem sie das
Dach extra tief, mit einer Traufhöhe von nur ca. 7,50 Meter
ansetzten. Bei einer Neigung von knapp unter 70° reicht es über
drei Geschosse bis zum Gebäudeabschluss in circa 18 Metern Höhe, wo
eine Aufdachterrasse gewissermaßen die Pyramidenspitze kappt. Auf
diese Weise konnten die vorgeschriebenen Abstandsflächen zu den
drei Nachbargrundstücken eingehalten werden. Mit dem Rücken
schließt es wie sein Vorgängerbau bündig an die Brandwand des
benachbarten Quergebäudes an. Eine Schattenfuge, die sich von der
Traufkante nach oben hin deutlich weitet, unterstreicht dabei die
Unabhängigkeit des Neubaus.
Das Wohnhaus mit annähernd quadratischem Grundriss beherbergt zwei, übereinanderliegende Maisonettes. Der Hauseingang und das gemeinsame Treppenhaus, die internen Treppen sowie die Neben- und Technikräume sind über alle Geschosse kompakt an der zum Nachbargebäude gelegenen Seite angeordnet. Die untere, gut 250 Quadratmeter große Wohnung nimmt das Erd- und das erste Obergeschoss ein. Ebenerdig befindet sich der offene Wohn-, Koch- und Essbereich sowie eine schmale an zwei Seiten umlaufende Terrasse. In der Etage darüber liegen mehrere Schlafräume. Die obere Wohneinheit erstreckt sich über vier Ebenen. Das zweite Stockwerk, in dem sich auch der Eingang befindet, beherbergt die Schlafräume. Eine Etage höher sind Küche und Essplatz untergebracht – ab dieser Etage bildet sich auch die Schräge des Baukörpers im Inneren ab. Das vierte Obergeschoss ist dem Wohnen vorbehalten. Von dort führt eine Treppe auf die Dachterrasse.
Mauerwerk
Das Wohnhaus wurde in Massivbauweise mit einer zweischaligen
Außenwandkonstruktion mit Kerndämmung und Verblendmauerwerk erstellt.
Mit der Entscheidung für ein Sichtmauerwerk möchten die Architekten
an die gründerzeitliche Bauweise und die Materialität der
Straßenfassade des Vorderhauses anknüpfen.
Die Außenwände und Dachflächen sind jeweils fast 60 cm dick, unterscheiden sich aber im Aufbau voneinander. So sieht der Wandaufbau folgendermaßen aus: Vor die tragende 25 cm Stahlbetonwand wurde eine 22 cm Wärmedämmschicht angebracht. Die zweilagige, stoßversetzte Wärmedämmung besteht aus kaschierten Mineralwolledämmplatten, die verklebt und verdübelt wurden. Den äußeren Abschluss bildet das 11,5 cm Verblendmauerwerk. Die schrägen Dachflächen sind witterungstechnisch deutlich exponierter als die lotrechten Außenwände und müssen daher bauphysikalisch umfassender gegen eindringende Feuchtigkeit geschützt werden. Auf dem 25 cm dicken Stahlbeton wurde anstelle von Mineralwolledämmplatten eine 18 cm druckfest geschlossenzellige XPS-Wärmedämmung angebracht. Eine diffusionsoffene Dichtungsbahn und eine 20 mm starke Drainmatte inklusive aufkaschiertem Vlies als Distanzelement bilden den zusätzlichen Feuchteschutz.
Für das Verblendmauerwerk ließen die Architekten 20.000 Ziegel in sechs verschiedenen Farben von Beige und Gelb über Orangebraun und Rosa bis hin zu Grau herstellen und gehen damit auf die Tonalität der umliegenden Hoffassaden ein. Vor dem Brennvorgang bewusst erzeugte bzw. belassene Herstellungs- und Lagerungsspuren machen jeden Klinker zu einem Unikat. Für die vertikalen Fassadenflächen wurden Klinker im Normalformat mit den Maßen 240 x 115 x 71 mm verwendet, für die Schrägen Parallelformsteine und für die Gebäudeecken speziell geformte Ecksteine gebrannt. Das Verblendmauerwerk ist im Wilden Verband gemauert und abschließend geschlämmt. Die unregelmäßig großen Fenster mit breiten Rahmen aus geschliffenem, eloxiertem Aluminium sind flächenbündig in den Baukörper eingelassen.
Das Sichtmauerwerk zieht sich über alle Außenflächen bis zur
Dachterrasse. Für die Attika und den Bodenbelag kommen ebenfalls
Klinker im Normalformat 240 x 115 x 71 mm zum Einsatz. Ebenso für
die Pflasterung der Terrasse der unteren Wohneinheit.
Bautafel
Architekten: Barkow Leibinger, Berlin
Projektbeteiligte: Andreas Lang, Berlin (Projektleitung), Antje Steckhan, Martina Bauer, Marian Beschoner, Berlin (Team); BAL Bauplanungs und Steuerungs, Berlin (Bauleitung, Ausschreibungs- und Objektüberwachung); HHT-Bauingenieure Ingeniurgemeinschaft für Tragwerksplanung + Baukonstruktion, Berlin (Tragwerksplanung); Müller-BBM, Berlin (Klima- und Energiekonzept); HDH, Berlin (Haustechnik/ Elektroplanung); Assmann & Klasen, Rüdersdorf (Metallbauarbeiten); Karl Hügerich, Berlin (Fassadenplanung); Janhsen Bau, Herford (Verblendmauerwerk); Golem Kunst- und Baukeramik, Jacobsdorf-Sieversdorf (Ziegel)
Bauherr: privat
Fertigstellung: 2016
Standort: Berlin
Bildnachweis: Simon Menges, Berlin; Laurian Ghinitoiu, Berlin; Christina Möller/Barkow Leibinger, Berlin
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