Textilakademie in Mönchengladbach
Transluzentes PTFE-Glasfasergewebe als symbolische Hülle
Mönchengladbach – das ist mehr als Borussia, Jupp Heynckes und Günter Netzer. Auch Flugzeugkonstrukteur Hugo Junkers, Tierfilmer Heinz Sielmann und Comic-Zeichner Walter Moers stammen aus der 260.000-Einwohner-Stadt, gut dreißig Kilometer westlich von Düsseldorf. Das von Hans Hollein entworfene Museum Abteiberg mit Werken von Beuys, Polke, Richter und Warhol war wegweisend für die internationale Museumsarchitektur. Und die Wirtschaft war im 19. und 20. Jahrhundert geprägt von der Textilindustrie, die trotz Strukturwandel bis heute ihre Spuren in der Modebranche und in der Hochschullandschaft hinterlassen hat. So ist die Textilakademie NRW eine neue Bildungsstätte, in der die Verbände der Rheinischen und Nordwestdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie jetzt die Aus- und Weiterbildung am Standort Mönchengladbach konzentrieren. Die Akademie kooperiert mit der Hochschule Niederrhein, auf deren Campus sie sich befindet. Den Neubau konnte das Düsseldorfer Büro Slapa Oberholz Pszczulny SOP Architekten realisieren.
Gallerie
Ums offene Atrium gruppiert
Der dreigeschossige Bau hat einen quadratischen Grundriss mit rund 30 Metern Kantenlänge. Signet des Hauses ist die Textilmembran, die auf einer Stahlunterkonstruktion vor den Betonbau mit unregelmäßig angeordneten, quadratischen Fenstern und Wärmedämmverbundsystem gehängt ist. Im Innern ist das Gebäude von einem großen, zentralen Atrium mit freistehendem Aufzug geprägt, um das herum die flexibel aufteilbaren Lehrräume, die Aula und die Räumlichkeiten der Verwaltung organisiert sind. Die Einbauten und Möbel sind überwiegend in Schwarz oder, kontrastierend dazu, in geweißter Eiche gehalten. Weiße, mobile Sitzmöbel mit unterschiedlichen Farbakzenten, die ebenfalls von SOP Architekten entworfen wurden, sind über das Gebäude verteilt.
Fassade: unregelmäßig gekrümmte Membran
Die silbrig schimmernde, transluzente Textilfassade soll Lehrinhalte der Akademie symbolisch nach außen transportieren. Sie scheint sich auf den ersten Blick wie der Faltenwurf eines Vorhangs um den kantigen Betonkubus zu legen. Bei näherer Betrachtung zeigt sich aber, dass das Gewebe nicht locker in Wellenform fällt und gerafft, sondern über eine Reihe von Segmentbögen gespannt ist. Foyer und Aula im Erdgeschoss sind über Eck mit einer voll verglasten Pfosten-Riegel-Konstruktion versehen und von der umlaufend vorgehängten Textilmembran ausgespart.
Das mit Abstand vor die Betonfassade gespannte Gewebe wird durch eine eigenständige Unterkonstruktion gehalten. Dabei sind Konsolen an Ankerplatten im Beton befestigt. Sie tragen eine Konstruktion, bestehend aus horizontalen Stahlbögen entlang der Traufkante und kurz über dem Boden sowie senkrecht verlaufenden Kehl- und Gratseilen. Deren Spannung hält die textile Fassade stabil in der gewünschten Form. Die unregelmäßig gekrümmte Membranfläche ergibt sich aus Öffnungsbögen mit vier verschiedenen Radien zwischen 2,50 und 4,00 Metern. Im Bereich der Aussparungen für Foyer, Aula und die Notausgänge wird das textile Gewebe seitlich durch Gitter geschlossen.
Feinjustierung am Gewebe
Das PTFE-Glasfasergewebe der Membran ist großmaschig,
transluzent und musste aufgrund der Schulbaurichtlinie einen hohen
Öffnungsgrad von 42 bis 45 Prozent erreichen. Über eine
bauphysikalische Tageslicht-Simulation wurde ermittelt, dass das
vorgesehene Gewebe zwar die erforderliche Transluzenz erfüllte,
allerdings nicht die benötigte Stabilität aufwies – ein
Problem, das der Hersteller über eine Gewebemodifikation lösen
konnte. Eine Herausforderung für die Montage war die
Kälteempfindlichkeit des Materials. Das Gewebe darf nur bei
Temperaturen über 5 Grad Celsius montiert werden, doch schon ab 18
Grad muss der Spannvorgang langsamer erfolgen. Vorab wurden eine
Festigkeitssimulation und ein Test an der TU Dortmund durchgeführt
und dabei Windlasten und Klimabedingungen in ein 3D-Modell
übertragen. Die Textilfassade kann durch unterschiedliche
Beleuchtungsszenarien akzentuiert und auch als Projektionsfläche
für Videoanimationen genutzt werden.
Bautafel
Architektur: Slapa Oberholz Pszczulny SOP Architekten, Düsseldorf
Projektteam: Zbigniew Pszczulny, Sascha Rullkötter, Lisa Holst, Michael Dix, Gregor Mikolaschek, Seung A Oh, Jochen Pankoke, Agnieszka Pszczulny, Rohaja Saaba, Sabrina Schlömer, Eva Tauer, Silke Wanders
Projektbeteiligte: AGN Niederberghaus & Partner, Ibbenbüren (Projektsteuerung); Intecplan, Düsseldorf / Siganet, Ibbenbüren (TGA-Planung); Schüssler-Plan Ingenieurgesellschaft, Düsseldorf (Tragwerksplanung); WKM Landschaftsarchitekten, Düsseldorf (Freianlagenplanung); Zech Bau, Bremen (Generalunternehmer Hochbau); Koch Membranen, Rimsting (Generalunternehmer Textile Fassade); Alfakon Fassadenplanung, Würzburg / FormTL Ingenieure für Tragwerk und Leichtbau, Radolfzell (Fassadenplanung); Verseidag-Indutex, Krefeld (Hersteller Textilfassade)
Bauherrschaft: Textilakademie NRW, Mönchengladbach
Fertigstellung: 2018
Standort: Rheydter Str. 329, 41065 Mönchengladbach
Bildnachweis: SOP Architekten, Düsseldorf
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