Kongresszentrum in Heidelberg
In Falten gelegte Sandsteinfassade
Die „geheime Hauptstadt Deutschlands“ liegt weder an der Isar noch am Main, sondern am Neckar: Heidelberg genoss diesen Ruf, insbesondere als intellektuelles Zentrum des frühen 20. Jahrhunderts. Doch bereits Luther hatte hier – an Deutschlands ältester Universität – gestritten, Romantiker wie Brentano und Achim von Arnim hier gewirkt, später so unterschiedliche Intellektuelle wie Max Weber, Norbert Elias, Karl Jaspers und Hannah Arendt. Jetzt hat das „Weltdorf“ Heidelberg endlich auch ein eigenes Konferenzzentrum erhalten, entworfen von Degelo Architekten.
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Konkave Ansichten am Hauptbahnhof
Das Heidelberg Congress Center wurde in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs, zwei bis drei Kilometer westlich der Altstadt und vom Schloss errichtet. Das für maximal 3.800 Personen ausgelegte, teils mehrgeschossige Gebäude ist in Stahlbetonbauweise konstruiert und auf einem quasi-trapezförmigen Grundriss aufgebaut, wobei Nord- und Ostfassade jeweils leicht konkav geknickt sind.
Der Haupteingang weist nach Norden auf den neuen Europaplatz am Hauptbahnhof. Er wird durch eine großflächige Glasfront markiert, die durch ihre facettierte Umrandung wie ein überdimensionales, gerahmtes Bild wirkt. Das Motiv wiederholt sich etwas verkleinert am Westeingang, der auf eine neue Grünfläche ausgerichtet ist. So sind über Eck beide Öffnungen in der sonst weitgehend geschlossenen Fassade wirksam.
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Weißbeton und Ulmenholz
Die zwei Eingänge mit je eigenem Foyer ermöglichen bei Bedarf die Bereiche getrennt zu betreiben. Das Raumprogramm umfasst zwei unterschiedlich große Säle, neun zum Teil miteinander kombinierbare Tagungsräume, ein Live-Streaming- und Videoproduktionsstudio sowie eine Showküche. Im zweiten Obergeschoss ist ein Innenhof wie ein Freilufttheater ins Dach eingeschnitten.
Der 1.800 Plätze bietende große Saal östlich des Haupteingangs hat eine Weißbeton-Kappendecke, die an den beiden Längsseiten entsprechend der Kappenbreite mit parabelförmigen Oberlichtöffnungen versehen ist. Dadurch wirkt die schwere Betondecke fast wie ein leichtes, punktförmig gespanntes Textil. Weißbeton und helle Terrazzoböden dominieren die Innenräume. Davon heben sich die warmen Ulmenholzflächen von Türen und Vertäfelungen ab, welche etwa im kleinen Saal im ersten Obergeschoss zu finden sind. Dunkel gehalten sind dagegen das Live-Streaming-Studio, die Showküche und die Sanitärräume.
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Fassade aus dem Neckartal
Für die Hülle wurde ein regionales Material gewählt, der rötliche Neckartäler Hartsandstein. Die großen, weitgehend fensterlosen Sandsteinflächen weisen leicht konkave Krümmungen auf, die sich zu einer Kannelur zusammenfügen, in Anspielung auf den Faltenwurf eines Bühnenvorhangs. Zusätzlich zeigen die Steine eine raue, geriffelte Struktur, die gebildet wurde, indem die Kanellur als Linienscharrierung in den Naturstein gefräst und anschließend ausgebrochen wurde.
Die Wandflächen wurden massiv als weitestgehend selbsttragendes Vorsatzmauerwerk aus ca. 625 x 250 mm großen Regelsteinen mit 4 mm Mörtelfugen errichtet. Die Steine sind durch Luftschichtanker mit den Stahlbetonwänden verbunden. Dazwischen befinden sich 240 mm Mineralwolldämmung und 40 mm Hinterlüftungsraum.
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Lüftungsöffnung oder Fenster?
An allen vier Gebäudeseiten ist die Natursteinfassade durch unterschiedlich gesetzte Reihungen von Rundfenstern perforiert, die durch ornamentale, tropfenförmige Rahmungen betont werden. Im Unterschied zu den linienscharrierten Steinen haben diese Rahmungen, wie auch die Laibungen der beiden großen Eingänge, diamantgeschliffene, glatte Oberflächen. Dadurch tritt der Sedimentcharakter des Sandsteins stärker in den Vordergrund.
Die Rundfenster weisen einen Innendurchmesser von 1,80 Metern auf Innendurchmesser auf und sind in Holzrahmen, teils als festverglast, teils als Schwingfensterkonstruktion ausgeführt. Die erforderlichen Zu- und Abluftöffnungen des Konferenzzentrums und der Tiefgarage sind analog als Lochöffnungen in die Fassade integriert und unterscheiden somit kaum von den Rundfenstern.
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Die großflächigen Glasfassaden der beiden Eingänge sind als schwarzbraune Pfosten-Riegel-Konstruktion mit Stahlprofilen, Aluminiumdeckprofilen und Dreifach-Sonnenschutzverglasung ausgebildet. Die 15,5 Meter hohe Haupteingangsfassade mit mehr als 6 Meter hohen Scheiben kann über ihre gesamte Breite hinweg durch barrierefreie, hochwärmegedämmte Stahlglastüren passiert werden. Die Rahmungen der Eingänge fungieren gleichzeitig als Vordächer. Sie sind mit 40 mm starken Sandstein-Fassadenplatten mit diamantgeschliffener Oberfläche verkleidet, die 10 mm schmalen Fugen wurden mineralisch geschlossenen.
Bautafel
Architektur: Degelo Architekten, Basel
Projektbeteiligte: AWD Ingenieurgesellschaft, Köln (Tragwerksplanung); Berchtold.Lenzin Landschaftsarchitekten, Basel (Landschaftsarchitektur); Ernst2 Architekten, Heidelberg (Bauleitung); Team für Technik, Karlsruhe (HLKKS- / GA-Planung); TfT – Team für Technik, Karlsruhe (Sanitärplanung); pbr Planungsbüro Rohling, Osnabrück (Elektroplanung); Integris, Mannheim (Brandschutzplanung); GN Bauphysik, Stuttgart (Akustikplanung); Stadtwerke Heidelberg Energie, Heidelberg (Solarplanung); Züblin, Karlsruhe (Rohbau Beton); Envue Homburg Licht, Berlin (Lichtplanung); Bamberger Natursteinwerk Hermann Graser, Bamberg (Natursteinfassade); Trube & Kings Fassadentechnik, Uersfeld (Pfosten-Riegel-Fassade); Schreinerei Koch, Otzberg (Holzfenster); Hefi, Talheim (Dachverglasungen); Brichta, Hochstädt (Innenverdunkelung Oberlichtverglasung)
Bauherr*in: BSG Bau- und Servicegesellschaft, Heidelberg
Fertigstellung: 2024
Standort: Czernyring 20, 69115 Heidelberg
Bildnachweis: Achim Birnbaum, Stuttgart (Fotos); Degelo Architekten, Basel (Pläne)
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