International African American Museum in Charleston, South Carolina
Aufgeständerter Riegel mit Backsteinverblendern und Holzrahmen
Charleston zählt gerade einmal 150.000-Einwohner*innen. Doch die Stadt an der Küste des US-Südstaats South Carolina war einst ein wichtiger Hafen für den internationalen Sklavenhandel. Ende der 1760er-Jahre ließ der patriotische Politiker, General, Händler und Plantagenbesitzer Christopher Gadsden hier eine Werft – Gadsden's Wharf – errichten, die zum Ankunftsort für geschätzt 100.000 Menschen aus Westafrika wurde.
Gallerie
Bereits im Jahr 2000 hatte Joe Riley, langjähriger Bürgermeister von Charleston, vorgeschlagen, hier – rund 20 Gehminuten nordöstlich des Stadtzentrums – einen Erinnerungsort einzurichten. Nach langer Planungszeit konnten Pei Cobb Freed & Partner aus New York zusammen mit Moody Nolan aus Columbus, Ohio das International African American Museum fertigstellen.
Das Architekturbüro entwickelte einen 130 Meter langen, überwiegend eingeschossigen Riegel. Er steht in Ost-West-Richtung quer zum Pier auf zwei Reihen mit je neun Rundstützen und scheint somit, vom Hafen aus gesehen, über dem Wasser zu schweben. Der Leitgedanke war, den Ort, an dem die Verschleppten erstmals den amerikanischen Kontinent betraten, zu überbauen ohne ihn direkt zu besetzen. Daher markiert der Museumsbau vier Meter über dem Boden schwebend eine lineare Bewegung landeinwärts. Der Raum unter dem Gebäudevolumen bleibt als Übergangszone und kollektiver Gedächtnisort verschiedenen landschaftsarchitektonischen Interventionen vorbehalten.
Gallerie
Gedenken im Museumsgarten
Der Zugang zum Museum erfolgt stadtseitig, von Westen aus. Hier ist dem Baukörper eine kleine Grünfläche mit Grashügeln und Palmen vorgelagert. Durchschnitten wird diese von zwei schmalen, parallelen Wegen, die unter den Riegel, auf eine breite Eingangstreppe hinführen, über die die Besucher*innen in der Mitte des Riegels ankommen. Mit Ausnahme von zwei schmalen Servicekernen, die den von einem Oberlicht erhellten Treppenaufgang flankieren, bleibt die gesamte Fläche unter dem Gebäude frei. Die Stufen sind über einen Großteil der Breite hinweg podestartig ausgebildet, sodass sie als Tribüne für Veranstaltungen im Schatten des Museumsbaus genutzt werden können.
Zum Meer hin markiert ein quer unter dem Gebäude verlaufendes Edelstahlband, in das die Namen der Häfen des transatlantischen Sklavenhandels eingraviert sind, die alte Wasserkante von Gadsden's Wharf zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Das Band begrenzt ein flaches Wasserbecken – Tide Tribute genannt. Der Wasserstand ändert sich mit den Gezeiten. Auf dem Beckenboden zu sehen sind schematische Reliefdarstellungen aneinander gepferchter Menschen. Sie erinnern an jene bekannten Drucke, die zeigen, wie eng versklavte Menschen unter Deck des britischen Sklavenschiffs Brooks verstaut wurden während der Atlantikpassage.
Genauso wie Tide Tribute sind auch die Palmen und Grashügel im Westen Teil des von Hood Design Studio entworfenen African Ancestors Memorial Gardens, der sich über das gesamte Gelände erstreckt. Mit unterschlichen Landschaftselementen knüpft er assoziativ an kulturelles Wissen, symbolische Bindungen und Traditionen diverser afrikanischer Ursprungskontexte an.
Gallerie
Ausstellung mit Außenbezügen
In seinem Inneren beherbergt das Museum zwölf Dauerausstellungen. Die Besucher*innen wechseln vom Schatten ins Licht, während sie die breite Eingangstreppe hinaufsteigen. Links und rechts der darauffolgenden Lobby befinden sich Museumsshop und Café.
Die Ausstellungsinstallationen werden nach Osten oder Westen – also entweder landeinwärts oder in Richtung Ufer – durchlaufen. Die Ostseite ist thematisch, die Westseite chronologisch gegliedert. Hier umschließen die Ausstellungsräume auch einen Bereich für Wechselausstellungen. An den beiden Enden bieten große Fenster Ausblicke auf Hafen und Stadt. Charleston bzw. dem Land zugewandt liegt ein rotundenartiger Raum – das Zentrum für Familiengeschichte. Zum Meer bzw. Hafen hin ist der abschließende Raum den transatlantischen Verflechtungen gewidmet.
Fassade: Backsteinverblender und Holzrahmen
Die langen Gebäudeflanken im Norden und Süden sind – abgesehen vom zentralen Atrium mit zwei großen, gegenüberliegenden Glasflächen – fast vollständig geschlossen. Die Fassaden sind mit hellgelben, flachformatigen Backsteinen im Läuferverband verblendet und oben und unten durch eine Rollschicht begrenzt. An den großflächig verglasten Stirnseiten im Osten und Westen sind Boden- und Deckenkanten vorgezogen, wodurch tiefe Loggia-Zonen ausgebildet wurden.
Gallerie
Die Verblender setzen sich hier über Eck fort, im Bereich der Bodenkanten über 23 Schichten und im Decken- und Attikabereich über 29 Schichten, woraus eine stark horizontale Primärgliederung der Ost- und Westfassade resultiert. Im Kontrast dazu stehen tiefe, dunklere Rahmen aus afrikanischem Sapelholz mit kräftigen, schräggestellten Vertikallamellen und einem vergleichsweise filigranen Querriegel. Glasbrüstungen der Loggien treten gegenüber den Holzoberflächen in den Hintergrund.
Die tragenden Rundstützen sind mit traditionellem Tabby verkleidet – einer Art frühem Beton, der durch Brennen von Austernschalen zu Kalk und Vermischen mit Wasser, Sand, Asche und nochmals mit zerstampften Austernschalen hergestellt wird. Das Verfahren im 18. Jahrhundert unter anderem in den Küstengebieten von South Carolina verbreitet und fand auch bei Plantagen-Sklavenhäusern Verwendung.
Bautafel
Architektur: Pei Cobb Freed & Partner, New York (Henry N. Cobb, Matteo Milani, Hitoshi Maehara; Entwurfsarchitekten); Moody Nolan, Columbus, Ohio (u.a. Curt Moody, Jonathan Moody, Bob Larrimer, Julie Cook; ausführende Architekten)
Projektbeteiligte: Hood Design Studio, Oakland, Kalifornien (Walter Hood, Paul Peters; Landschaftsgestaltung); SeamonWhiteside, Mount Pleasant, South Carolina (Landschaftsarchitekten vor Ort), Ralph Appelbaum Associates (RAA), New York (Ausstellungsdesign); Guy Nordenson and Associates, New York (Tragwerksplanung); Arup, USA (TGA-Planung, Akustik/Sicherheit/Beleuchtung); Venue Consulting, St. Petersburg, Florida (Baukostenberatung); Forsberg Engineering, Charleston, South Carolina (Bauingenieurwesen, Vermessung)
Bauherr: International African American Museum
Fertigstellung: 2023
Standort: 14 Wharfside St, 29401 Charleston, South Carolina 29401, USA
Bildnachweis: Mike Habat, Charleston, Sahar Coston-Hardy/Esto, New York (Fotos); Pei Cobb Freed & Partner, New York (Pläne)
Fachwissen zum Thema
Baunetz Wissen Fassade sponsored by:
MHZ Hachtel GmbH & Co. KG
Kontakt 0711 / 9751-0 | info@mhz.de