Kulturhaus in Dietfurt an der Altmühl
Wiederherstellung 300 Jahre alter Putzbänder mit Rapport und Struktur
Entlang des Altmühltals in Oberbayern wird die seit dem 14. Jahrhundert ortstypische Hausform als Jurahaus bezeichnet. Es sind dies schwere gemauerte und verputzte Häuser mit wenigen Öffnungen in der Fassade und flach geneigten Satteldächern, deren Baumaterialien allesamt aus der nahen Umgebung stammen: Kalksteine für Wände und Böden, Kalkmörtel und -anstriche, Lehm, Fichtenholz für das Fachwerk und den Dachstuhl und der dunkle Solnhofener Plattenkalk für das Dach. Der sogenannte Legschiefer ist so schwer, dass die Dachneigung des Jurahauses nicht mehr als 30 Grad betragen darf und kein Dachüberstand ausgebildet werden kann.
Gallerie
In Dietfurt an der Altmühl steht ein solches Jurahaus aus dem Jahr 1715; es war lange eine Metzgerei, in einem miserablen Zustand und sollte der Stadt fortan als Kulturhaus dienen. Den mit dem Umbau beauftragten Architekten Michael Kühnlein senior und junior aus dem nahen Berching ist es gelungen, durch die Sichtbarmachung der ursprünglichen Raumstruktur, den sorgfältigen Erhalt alter Bauteile und durch die Wiederentdeckung des alten Fassadenschmucks aus dem bis zur Unkenntlichkeit heruntergekommenen Gebäude wieder ein stattliches, im Ort präsentes Jurahaus zu machen.
Das Haus liegt mit seiner Traufseite entlang der Ringgasse, sein
Eingang befindet sich aber an der gegenüberliegenden Südseite am
Ende der Klostergasse. Durch eine hohe Stahlglastür gelangt man in
eine zweigeschossige Eingangshalle, in der eine lange einläufige
Holztreppe ins Obergeschoss führt. Im Erdgeschoss befindet sich die
Bücherei und im zum Luftraum offenen Obergeschoss ein
Mehrzwecksaal. Das Holzfachwerk wurde größtenteils erhalten und
ergänzt, die Bodenbeläge in Holz erneuert. Hinter dem rückseitigen
Giebel ist in einer Lücke zum westlichen Nachbarn ein frei
stehender Aufzug mit Fluchttreppe installiert worden, sodass das
Jahrhunderte alte Gebäude jetzt barrierefrei funktioniert.
Fassade
Die im Laufe der Jahrhunderte mehrmals überputzt und übermalt
gewesene Fassade wurde freigelegt, untersucht, gefestigt und mit
neuen Putzlagen nach historischem Vorbild ergänzt. Am aufwendigsten
war die nach Osten weisende breite Giebelfläche gestaltet. Der
Kalkputz war hier ursprünglich in mehreren Lagen unterschiedlicher
Oberflächenstruktur aufgetragen, teilweise als Glattputz mit
geriebener Oberfläche und teilweise als Strukturputz (Stupfputz).
Horizontale Bänder, glatt gerieben und mit einem Ornament in
ockerfarbener und schwarzer Kalklasur bemalt, gliederten die
Fassade.
Die noch vorhandenen Spuren der Friese wurden nachgezeichnet und ergaben ein zweifarbiges Ornament, das an sich überschlagende Wellen erinnert und auch als Laufender Hund bezeichnet wird. Der wiederholte Rapport in Wellenform ist eine Abwandlung des seit dem Neolithikum verwendeten orthogonalen Mäanders. Direkt über den Fensterstürzen des Erdgeschosses läuft das erste Wellenband und das zweite umzieht den Giebel so, dass es die oberen Hälften der Kreuzstockfenster verbindet. In der Höhe des Kniestocks gibt es außerdem zwei diagonal gestreifte Ornamentbänder ebenfalls in Ocker und Schwarz.
Neben den farbigen Friesen sind auch die wiederhergestellten groben Stupfputzflächen auf den Fassadenflächen sehr markant. Diese Struktur wurde mit einem Nagelbrett oder Reisigbesen in den frischen Putz „gestupft“. So wechseln sich die glatten Putzflächen mit den hervortretenden rauen Stupfputzflächen ab und bilden eine weitere, leicht plastische horizontale Bänderung.
Die Fensteröffnungen sind in ihrer Lage und Größe im
Obergeschoss teilweise historisch, ansonsten aber bereits verändert
vorgefunden worden. Der neue Eingang im Süden bedeutet hier wohl
den deutlichsten Eingriff in die Substanz, ansonsten folgen die
Erdgeschossfenster größtenteils den darüberliegenden. Auf eine
traditionelle Dachdeckung mit Legschiefer wurde verzichtet.
Bautafel
Architekten: Kühnlein Architektur, Berching
Projektbeteiligte: Ingenieurbüro Braun-Haas-Lerzer, Neumarkt (Statik); Robert Ehrensberger, Lupburg (HLS-Planung); Stephanie Bassen, Regensburg (Bauforschung)
Bauherr: Stadt Dietfurt an der Altmühl
Standort: Klostergasse 5, 92345 Dietfurt
Fertigstellung: 2016
Bildnachweis: Erich Spahn, Regensburg; Michael Kühnlein, Berching
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