Primarschulhaus und Sporthalle in Uster
Betonskelett und Terrakotta-Lüftungsgitter
Bildung ist nicht nur in Deutschland Ländersache, auch in der Schweiz herrscht Bildungsföderalismus mit Kantonshoheit im Schulwesen. Folglich sind auch Grund- und weiterführende Schulen – hier Primar- und Sekundarschulen – nicht einheitlich organisiert. In Uster, einer 36.000-Einwohner-Stadt im Kanton Zürich, haben Boltshauser Architekten für das Schulhaus Krämeracker eine sechsjährige Primarschule mit Turnhalle geplant.
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Die beiden Neubauten mit 8.600 Quadratmetern Geschossfläche bilden die nordwestliche Ergänzung eines Sekundarschulstandorts von 1957. Der Bestand setzt sich zusammen aus ein- bis dreigeschossigen Bauteilen und zwei Turnhallen, alle mit zeittypisch flach geneigten Satteldächern. 2019 kamen eine weitere Sporthalle und das neue Primarschulhaus hinzu.
Zweibünder und Zweifeldhalle
Bei dem neuen Schulhaus handelt es sich um einen dreigeschossigen Zweibünder mit insgesamt achtzehn Fensterachsen. An der Nordostseite, zur Zürichstrasse, wurde über fünf Achsen ein seitlich vorkragender, viergeschossiger Kopf ausgebildet, während an der Nordwestseite drei Klassenräume risalitartig vorgezogen sind. Der Kopfbau nimmt vier Sekundarschulräume, die Bibliothek, Werk- und Handarbeitsräume und das Lehrerzimmer auf, das über einen Zugang zur extensiv begrünten Dachterrasse verfügt. Im Erdgeschoss des riegelartigen Gebäudeteils haben zwei Kindergärten und ein Hort ihren Platz. In den beiden Geschossen darüber reihen sich jeweils elf Primarschulräume aneinander, die über Faltwände zu Clustern kombiniert werden können.
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Die neue Zweifeldhalle und ein zusätzlicher Sportplatz befinden sich südwestlich des Schulhauses, auf Höhe der bestehenden Turnhallen. Der Neubau ist teilweise ins Erdreich eingegraben, sodass der Eingang oberhalb des Hallenniveaus liegt, genauso wie ein separat nutzbarer Trakt im Nordosten. Hier ist ein Mehrzwecksaal mit eigener Küche eingerichtet, im Geschoss darunter Garderoben und Geräteraum. Ein der Halle südwestlich vorgelagerter Fahrradunterstand aus Beton schließt den Schulcampus mit klarer Raumkante zur Krämerackerstraße ab.
Sichtbeton, Glasbausteine und Terrakotta
Schultrakt und Turnhalle sind als Betonskelettbauten mit vorfabrizierten Stützen ausgebildet. Die Betonwände der Kerne dienen als Aussteifung, alle anderen Wände sind nicht tragend ausgebildet. Falt- und Leichtbauwände gewährleisten die Anpassbarkeit an wechselnde Bedürfnisse. Lehmputzwände zwischen den Betonpfeilern regulieren die Feuchtigkeit und verbessern so das Raumklima.
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Das Material- und Farbkonzept ist reduziert gehalten: Estrichböden und Betonoberflächen sind kombiniert mit weißen Wänden und hellgrauen, abgehängten Holzwolle-Akustikplatten. Hinzu kommen graue Stahlgeländer, Türrahmen und Fensterprofile sowie Türblätter in einem dunkleren und Faltwänden in einem helleren Graublau-Ton. Im Schulgebäude und in der Sporthalle sind außerdem Glasbausteine zu sehen und verschiedene perforierten Terrakotta-Elemente für Trittstufen, Podeste und Innenwände. Als Kunst am Bau-Projekts sind in der Eingangshalle des Schulhauses im Foyer der Turnhalle und in den Lernclustern unterschiedliche Mosaikintarsien in die Böden integriert.
Fassade: Lochsteine als Lüftungsgitter
Die Fassaden von Schulhaus und Sporthalle lassen die Rasterstruktur des Baus von außen erkennen. Bei der mehrschaligen, hinterlüfteten Konstruktion kamen sowohl für die Trag- als auch für die Wetterschutzschicht Betonfertigteile zum Einsatz. Dazwischen befinden sich 180 mm Dämmung.
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Die Rasterfelder werden durch bodentiefe Metallrahmenfenster ausgefüllt. Nahezu quadratische Flächen mit Dreifach-Festverglasungen sind von zwei schlanken Lüftungsflügeln gerahmt. Sie sind von außen nicht sichtbar, da sie von den gardinenhaften, rötlichen Gitterelementen verdeckt werden. Diese fassadenprägenden Terrakotta-Lochsteine im Format 23,5 x 15 x 7,5 cm weisen je sechs Perforierungen auf und sind stehend vermörtelt. In den unteren beiden Geschossen (beim Kopfbau in den unteren drei) wurden je drei Steine nebeneinander gestellt. Im obersten Geschoss, wo sich die Stützenprofile verjüngen, sind es vier Steine. Die Gitter sind jeweils zwölf Steine hoch. In der Laibung, zur Festverglasung hin, sind die Steine über Eck geführt. Dafür wurden die an den Kanten vermauerten Steine auf Gehrung geschnitten.
Durch diese speziell entwickelten Lüftungsgitter wird in den Klassenzimmern eine witterungsunabhängige Stoßlüftung und eine hinreichende Nachtauskühlung gewährleistet. Dadurch konnte außerhalb des Mehrzwecksaal und der Garderoben und Nasszellen auf eine Lüftungsanlage verzichtet werden. Verdeckt hinter den horizontalen, vorgehängten Betonfertigteilen wurde ein außenliegender Sonnenschutz aus hellen, textilen ZIP-Fassadenmarkisen integriert. Die Gebäudestirnseiten sind mit Kalkputz versehen. Die Attikaflächen sind ebenfalls teils verputzt, teils mit den perforierten Steinen verblendet. Hofseitig springt die Fassade im Erdgeschoss rund 1,50 Meter zurück, so dass hier eine Art schmaler Laubengang entsteht.
Bautafel
Architekten: Boltshauser Architekten, Zürich (Generalplanung, Kostenplanung, Bauleitung)
Projektbeteiligte: Ganz Landschaftsarchitekten, Zürich (Landschaftsarchitektur), Basler & Hofmann, Zürich (Statik, Bauphysik), Waldhauser + Hermann, Münchenstein (Fachplanung Heizung, Lüftung), Gemperle Kussmann GmbH, Basel (Fachplanung Sanitär), IBG B. Graf Engineering, Winterthur (Elektrotechnik), Feroplan Engineering, Zürich (Fassadenplanung), Reflexion, Zürich (Lichtplanung), fläche und form, Carina Kirsch, Grabs (Kunst am Bau)
Bauherr*in: Primarschulpflege Uster
Fertigstellung: 2019
Standort: Zürichstrasse 33–35, CH-8610 Uster, Schweiz
Bildnachweis: Kuster Frey, Zürich (Fotos), Boltshauser Architekten, Zürich (Pläne)
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