Bündner Kunstmuseum in Chur
Sichtbetonfassade mit Kassettenrelief
Hierzulande mag der Erweiterungsbau des Bündner Kunstmuseums in Chur so manchen an Kaufhäuser der 1970er-Jahre erinnern – dabei handelt es sich in diesem Fall nicht um die berühmten Hortenkacheln, sondern um kassettierte Betonfertigteile. Der Neubau aus der Feder des Architekturbüros Barozzi Veiga gesellte sich 2016 zur Villa Planta, die seit 1919 als Museum dient. Von außen nicht sichtbar ist, dass beide Gebäude unterirdisch verbunden sind.
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Trotz des großen Altersunterschieds weisen die Villa und der Kubus einige Gemeinsamkeiten auf: Bei beiden sitzt etwa der Eingang mittig und es gibt jeweils ein Sockelgeschoss gleicher Höhe. Ebenso sind die Grundrisse kompakt und weitgehend achsensymmetrisch. Der Altbau war zwischen 1874 und 1875 von dem Architekten Johannes Ludwig als prachtvolles Wohnhaus für einen Baumwollindustriellen entworfen worden, der lange Jahre in Ägypten gelebt hatte. Bei der Gestaltung orientierte sich Ludwig sowohl an Baustilen aus Nahost, als auch an Palladio, was sich unter anderem an dem Portal zeigt, das Barozzi Veiga für ihren Erweiterungsbau in abstrahierter Form übernahmen. Mit der strukturierten Betonfassade wählten sie eine Ornamentik, die nur vage an Motive des Neorenaissance-Baus erinnert.
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Der Zugang zum Museumsensemble erfolgt über das Portal des Neubaus. Im würfelförmigen Baukörper sind der Projektraum, die Kunstvermittlung und die Museumstechnik untergebracht, sprich alle Nutzungen mit Tageslichtbedarf. Im Erdgeschoss befindet sich das Foyer. Durch die raumhohe Verglasung nach Westen erscheint die Villa Planta wie ein gerahmtes Kunstwerk. Von der Eingangshalle geht es über eine Treppe hinab zu den Ausstellungsräumen im Untergeschoss, dessen Fläche etwa doppelt so groß ist wie die des Erdgeschosses. Eine einläufige, relativ schmale Treppe führt die Besucher*innen schließlich hinauf in das Sockelgeschoss des Bestands, wo sich die weiteren Teile der Ausstellung befinden.
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Fassade: Kassettenhaut
Eine feine, dreidimensionale Betonstruktur überzieht den Kubus oberhalb eines hellen, glatten Sockels. Nur wenige, jedoch großformatige Öffnungen platzierten die Architekt*innen: ein gerahmtes Hauptportal an der Straßenfront, links und rechts die Glasfassaden des Foyers und auf der Rückseite ein Metalltor für die Anlieferung. Dessen obere Hälfte ist ebenfalls kassettiert. An einigen Stellen sind Betonelemente mit offenen Kassetten zu sehen, die die großen Fensterflächen der Obergeschosse verstecken und so die Homogenität der Hülle erhalten. Zugleich sind die gitterartigen Elemente als feststehender Sonnenschutz wirksam.
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Die Oberflächen der Fassadenbekleidung wurden mithilfe von Strukturmatrizen von jeweils 0,50 auf 0,50 Meter aus Polyurethan-Elastomer gestaltet. Als Bewehrung wurde Edelstahl verwendet, zusätzlich in den Beton eingebettete Glasfasern ermöglichten die präzise Ausführung der zahllosen Kanten. Die größten Fertigteile messen 4,00 x 4,00 m, die Standardgrößen betragen 3,00 x 4,00 und 3,50 x 4,00 m. Die Eckelemente sind ebenfalls 4,00 Meter hoch, aber jeweils nur 1,00 Meter breit. Vor Ort wurden die Fassadenplatten selbsttragend vor den gedämmten Stahlbetonwänden des Rohbaus montiert. Auch die Sockelbekleidung ist vorgefertigt.
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Die Glasfassaden des Foyers verschatten Edelstahlrollläden vom
Typ s_enn. Die Anlagen messen 260 bis 560 cm in der Höhe und
jeweils 157 cm in der Breite. Den Metallbehang entwickelte der
Hersteller MHZ gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Solare
Energiesysteme (ISE) aus Freiburg. Einerseits soll der Behang den
Energieverbrauch des Gebäudes senken, andererseits den Sichtkontakt
nach draußen erhalten. Das gelingt durch die hohe Transparenz, auch
bei komplett ausgefahrenem Behang. Dieser empfahl sich auch durch
seine Windbelastbarkeit für den Standort.
Bautafel
Architekten: Barozzi Veiga, Barcelona (Projektleitung: Katrin Baumgarten; Projektteam: Paola Calcavecchia, Shin Hye Kwang, Maria Eleonora Maccari, Anna Mallen, Verena Recla, Laura Rodriguez, Ivanna Sanjuan, Arnau Sastre, Cecilia Vielba)
Projektbeteiligte: Schwander & Sutter Architekten, Chur (Architekturbüro vor Ort); Walter Dietsche Baumanagement, Chur (Projektmanagement); Ingenieurbüro Flütsch, Chur (Tragwerksplanung); xmade, Barcelona/Basel (Fassadenplanung); Sulser, Trübbach (Herstellung Fassadenelemente); MHZ (Hersteller Sonnenschutz: Edelstahlrollläden s_enn)
Bauherr: Hochbauamt Kanton Graubünden
Standort: Bahnhofstrasse 35, 7000 Chur, Schweiz
Fertigstellung: 2016
Bildnachweis: Simon Menges, Berlin, xmade, Basel, MHZ Hachtel & Co AG (Fotos); Barozzi Veiga, Barcelona (Pläne)
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