Schulbibliothek im südchinesischen Pingtan
Abwechslung im Holzraster
Die Volksgruppe der Dong ist eine von 55 offiziell anerkannten ethnischen Minderheiten in China. Sie zählen zu jenen Gruppen, deren Traditionen die Regierenden in Peking durch gezielte Investitionen bewahren wollen – vor allem, um den Tourismus anzukurbeln. Die knapp drei Millionen Dong leben überwiegend in den beiden südlichen Provinzen Guangxi und Guizhou sowie im Südwestteil der Nachbarprovinz Hunan. Hier, im autonomen Dong-Kreis Tongdao liegt das kleine Dorf Pingtan – nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen, größeren Insel 120 Kilometer vor Taiwan. Für die Grundschule im Dorf hat das Condition_Lab der Chinese University of Hong Kong – eine in China gängige Art Hochschul-Architekturbüro – eine Kinderbibliothek errichtet, das Pingtan Book House.
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Der turmartige Bau füllt mit seiner Grundfläche von rund sieben mal sieben Metern die letzte Lücke des langgestreckten und – abgesehen von einer kompakten Baumgruppe – vollständig umbauten Schulhofs, den ein harter Sportplatz mit Laufbahn fast vollständig einnimmt. Erst 20 Jahre alt sind die Betonbauten der Schule, die rund 300 Kinder besuchen. Im Kontrast dazu wurde die Bibliothek komplett in Holz errichtet, architektonisch orientiert an den traditionellen Ganlan-Häusern der Region. Diese mehrstöckigen Wohnbauten bestehen vom Grundgerüst, über Dach und Wänden bis hin zu den Verbindungselementen ebenfalls vollständig aus Holzbauteilen. Um den Kindern die lokalen Bautraditionen im Alltag näherzubringen, wurde das Pingtan Book House von einheimischen Zimmerleuten in chinesischer Tannenholzkonstruktion errichtet, bei der Rundstützen und Balken ineinander greifen und über Schlitze und Zapfen miteinander verbunden sind. Elemente wie Treppen, Wände, Fenster und Böden wurden allerdings neu interpretiert.
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Lesetreppen bis unters Dach
Unkonventionell ist auch das Raumkonzept: Zwei gegenläufig angeordnete, breite Lesetreppen winden sich im Uhrzeigersinn wie eine große Doppelhelix um die offene Mitte des Turms. Zehn Meter misst die Traufhöhe des flach geneigten, ziegelgedecktem Satteldachs mit Oberlicht. Die Treppenpodeste sind immer in den Grundrissecken angeordnet, wodurch sich sechs Splitt-Level ergeben. Die beiden traufseitigen Wände im Nordwesten und Südosten sind entlang der Podeste und Treppenläufe komplett als Bücheregale ausgebildet. Die nach Südwest und Nordost weisenden Giebelseiten ermöglichen dagegen Belichtung und Ausblicke auf den Schulhof und die umgebende Landschaft mit Bergen, Reisfeldern und einem kleinen Fluss.
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Fassade: lebendig ausgefachtes Raster
Während die seitlichen Bücherregalwände von Nachbarbauten
flankiert werden, sind die beiden Giebelseiten die neuen,
städtebaulich wirksamen Aushängeschilder der Schule. Über beide
Fassadenflächen ist ein einheitliches, tiefes Brettrahmen-Raster
gelegt. Die Felder im liegenden Rechteckformat von rund 80 mal 65
Zentimetern sind im Bereich der Treppenpodeste mit durchsichtigen
Polycarbonatplatten geschlossen. An den übrigen Flächen wechseln
sich transluzente Doppelstegplatten und Aluminiumbleche ab. Beide
sind abwechselnd in der Horizontalen und in der Vertikalen sowie in
beide Richtungen um 20 Grad gedreht oder geneigt, sodass trotz des
strengem Holzrasters ein sehr lebendiges Fassadenbild entsteht. In
der untersten Ebene sind die Felder dagegen offen. Hier
können die Grundschulkinder von einem kleinen Podest aus klettern
und sich so spielerisch die Welt der Bücher erobern.
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Bautafel
Architektur: Condition_Lab, Architekturfakultät der Chinese University of Hong Kong
Projektbeteiligte: Prof. Peter Winston Ferretto, Milly Lam, Paula Liu und studentische Mitarbeiter*innen des Condition_Lab; Prof. Cai Ling, Guangzhou University (Kooperationspartner); verschiedene lokale Zimmerleute (Ausführung vor Ort)
Bauherrin: Pingtan Primary School
Fertigstellung: 2021
Standort: Pingtan Village,Tongdao, Huaihua, Hunan, 418509, China
Bildnachweis: Zhao Sai, Hong Kong (Fotos); Condition_Lab, Hong Kong (Pläne)
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