Folk Art Museum of China Academy of Art in Hangzhou
Dachfläche als fünfte Fassade und Vorhang aus alten Ziegeln
Marco Polo hat im 13. Jahrhundert Hangzhou als die schönste Stadt der Welt bezeichnet. Damals hatte sie den weltweit größten Hafen, schon immer begann hier der Lauf des Kaiserkanals und hier wird seit Jahrtausenden an den Berghängen grüner Tee angebaut und Seide hergestellt. Hangzhous Westsee gilt als schönster der Volksrepublik und wurde mehrfach – auch in Japan – künstlich nachgebaut. Mit der China Academy of Art beheimatet Hangzhou außerdem eine der renommiertesten Kunsthochschulen Chinas und mit dem ehemaligen Absolventen und Architekten Wang Shu auch einen Pritzker-Preisträger. Der Xiangshan-Campus der Universität entstand in großen Teilen nach seinen Entwürfen.
Gallerie
Auf diesem Campus entstand mit dem Museum für Volkskunst
(Folk Art Museum of China Academy of Art) jetzt auch ein
Gebäude eines japanischen Architekten. Kengo Kuma realisierte am
Hang des früher mit Teeterrassen kultiviert gewesenen Hügels im
Zentrum des Campus' ein großflächiges, aber niedriges Gebäude, das
vorwiegend aus Dachflächen gebildet wird. Seine Dach- und
Fassadenflächen werden von nur einem Material, einem schwarz-grauen
Tonziegel dominiert und differieren lediglich in der Dichte, mit
der die Elemente montiert wurden.
Der eingeschossige Neubau lässt die alte Kontur des Hügels nahezu
unangetastet. Der Boden oder Grund des Museums folgt seinen
Terrassen und Serpentinen und verändert die vorhandene Topografie
nicht, sondern ergänzt sie nur. Das führt äußerlich zu einer
ansteigenden, vielfach gefalteten Dachlandschaft und im Inneren zu
vorwiegend miteinander verbundenen Räumen unregelmäßiger Geometrie
und zahllosen Rampen. Die Ausstellung wird also in einer
architektonischen Landschaft präsentiert und lediglich die klar
funktionsgebundenen Bereiche erhielten horizontale Geschossebenen.
Geometrisch bilden die Raumpartien parallelogramm- oder
trapezförmige Einheiten, die sich durch die Hanglage langsam in die
Höhe entwickeln. Jede Einheit hat eine eigene Dachfläche, ist aber
im Inneren Teil eines offenen räumlichen Gefüges aus Rampen,
schrägen und gelegentlich horizontalen Ebenen. Die Konstruktion
wird aus Stahlstützen und -trägern gebildet, die mit Beton
ummantelt sind. Insgesamt werden auf rund 5.000 Quadratmetern rund
15 Meter Höhendifferenz überwunden.
Fassade
Durch die vielfach und
kleinteilig geneigten Dachflächen erscheint das Museum keinesfalls
als ein großes Haus, sondern vielmehr als eine Versammlung von
dicht an dicht stehenden Häusern einer Dorfgemeinschaft. Aus nahezu
jeder Perspektive sind die ansteigenden Dachflächen dominant und
prägen als fünfte Fassade das Bild des Hauses. Vom Fuß des Hangs
blickend werden aber auch die durch die Höhenstaffelung
entstehenden Fassadenflächen sichtbar. Vor den Stahl-Glas-Fassaden
dieser jeweils eingeschossigen Giebelflächen hat Kuma eine zweite
Ebene angeordnet, für die ebenfalls die alten Tonziegel verwendet
wurden. Hier bilden sie nicht gemeinsam und übereinander geschoben
eine geschlossene Fläche, sondern schweben vereinzelt und auf
Abstand in einer Matrix aus feinem Stahldraht. Wie tausende kleiner
Sonnenschirme setzen sie sich zu einem ornamentalen Vorhang in
derselben Farbigkeit und Kleinteiligkeit der Dachflächen zusammen.
Im Gegensatz zu ihrer Anordnung dort hängen sie hier aber
vereinzelt, allseitig frei und dreidimensional sichtbar.
Die Edelstahldrähte sind in zwei Ebenen schräg zueinander gespannt und bilden ein räumliches Gitter aus Parallelogrammen. In ein solches Drahtfeld konnte dann jeweils ein Tonziegel mit der Wölbung nach oben und quer zur Fassadenebene montiert werden. Die Anordnung der Ziegel vor den giebelförmigen Glasflächen erfolgte zumeist gleichmäßig, gelegentlich mit Verdichtungen im oberen oder unteren Bereich und partiell blieb sie ganz aus. Der Vorhang aus Tonziegeln erfüllt den Zweck eines Brise Soleil und ist darum an der Himmelsausrichtung der zu verschattenden Glasflächen, aber auch am Wunsch nach uneingeschränktem Ausblick orientiert.
Die rund sieben Millionen Tonziegel, die sowohl für die Dächer als auch für den Fassadenvorhang verwendet wurden, stammen von alten, dem rasanten Modernisierungsprozess der Stadt zum Opfer gefallenen Häusern. Sie haben leicht unterschiedliche Größen, ein sehr reduziertes Farbspektrum zwischen Grau und Schwarz und harmonieren mit der natürlichen Farbigkeit des Hügels und seiner Vegetation.
Bautafel
Architekten: Kengo Kuma & Associates, Tokio, Japan
Projektbeteiligte: Konishi Structural Engineers, Tokio (Tragwerk); P.T. Morimura & Associates, Tokio (Gebäudetechnische Anlagen)
Bauherr: China Academy of Art, Hangzhou, China
Fertigstellung: 2015
Standort: Xiangshan Road, Hangzhou, China
Bildnachweis: Eiichi Kano, Shanghai und China Academy of Art Museum, Hangzhou
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