Sanierung und Erweiterung des Manchester Jewish Museum
Perforierte Cortenstahl-Fassade
Backen und Essen für die Architektur – diesen ungewöhnlichen Ansatz verfolgte das Londoner Citizens Design Bureau bei der Erweiterung des Manchester Jewish Museums. Seit 1984 befindet es sich im 1874 errichteten, heute ältesten Synagogenbau der Stadt, knapp 20 Gehminuten nördlich der Victoria Station und der berühmten Chetham's Library mit dem Schreibtisch von Marx und Engels. Kaum noch ist zu erahnen, dass hier im 19. Jahrhundert eine vornehme Gegend wohlhabender jüdischer Textilhändler war. Abgesehen von wenigen alten Büro- und Sakralbauten hat die Cheetham Hill Road mit zahlreichen Gewerbe- und Lagehallen sowie schlichten Reihenhäusern den typischen Charakter einer suburbanen Ausfallstraße.
Gallerie
Ort des interkulturellen und interreligiösen
Dialogs
Die Synagoge, ein kleiner, zweigeschossiger
Backsteinbau mit Mittelrisalit, zentralem Eingangsportal und
reichem Dekor war von sephardischen Juden aus Spanien, Portugal und
Nordafrika errichtet worden. Ihre Herkunft inspirierte den
Architekten Edward Salomons (1828–1906) zu neomaurischen
Stilelementen wie Hufeisenbögen bei seinem Entwurf. An diese
hybriden Einflüsse knüpft jetzt das Planungsteam des Citizens
Design Bureau mit dem Anspruch an, mit der Museumserweiterung einen
Ort des interkulturellen und interreligiösen Dialogs zu
schaffen.
Unter anderem erfolgte die Verlegung des Haupteingangs mit dem Ziel, ein breiteres Publikum anzusprechen als ursprünglich mit der streng religiös konnotierten Altbaufassade. Und auch das schon erwähnte Backen und Essen diente schließlich der konzeptionellen Öffnung: Als Teil eines partizipativen Prozesses wurden Back-Workshops und andere Events durchgeführt, um verschiedene Gemeinschaften des multikulturellen Quartiers nach den Wünschen an „ihr“ lokales Museum zu befragen. Das Ergebnis war tatsächlich eine stärkere Eventorientierung als bisher, mit Quartiersessen und Austauschformaten zwischen religiösen Gruppen, Schulen und anderen Einrichtungen.
Mehr Fläche und bessere Energiebilanz
Die L-förmige Erweiterung nach Norden und Osten mit versetztem Satteldachgiebel, Fuge zum Altbau sowie einer weiten Glasfront am neuen Eingang brachte eine Verdoppelung der Museumsflächen. Damit können jetzt erstmals umfassende Teilbestände des mehr als 30.000 Objekte umfassenden Archivs gezeigt werden. In der Fuge zwischen Alt- und Neubau ist ein helles Foyer entstanden. Hinter der neuen Fensterfront im Erdgeschoss befindet sich das Museumscafé, dahinter – noch im zweigeschossigen Nordteil – ein Archivraum, Toiletten und Nebenräume, auf der Galerie der Ausstellungsbereich und im eingeschossigen, ostseitigen Erweiterungsteil ein Lern- und Gemeinschaftsraum einschließlich Lernküche für traditionelle jüdische Gerichte.
Der denkmalgeschützte Altbau wurde saniert und nach Befund restauriert. Gemeinsam mit dem Erweiterungsteil konnte die Energiebilanz um 20 Prozent gegenüber dem Vorzustand verbessert werden, am Altbau vor allem über die Dachdämmung und eine mit dem Erweiterungsteil verbundene Lüftungsanlage.
Fassade: Hinterleuchtete und perforierte
Cortenstahlbleche
Dach und Fassade der
nördlichen Museumserweiterung sind mit Cortenstahl
verkleidet. Neben wirtschaftlichen Erwägungen hinsichtlich der
Wartungsarmut war diese Lösung vor allem eine Reaktion auf den
städtebaulichen Kontext an der heterogenen, suburban geprägten
Cheetham Hill Road. Zur Straße hin sind die zwei Millimeter starken
Cortenstahlbleche perforiert und hinterleuchtet. Die regelmäßigen
Muster basieren auf Achteck-Geometrien aus dem kulturellen Kontext
der sephardischen Juden, die sich auch im Inneren der Synagoge
wiederfinden. Sie wurden unter Einbeziehung von Archivmaterialien
zur Grammatik der Ornamente (1856) von Owen Jones (1809–74)
entwickelt, von dem auch Edward Salomons beeinflusst war. Die
Cortenpaneele sind als Teil einer vorgehängten, hinterlüfteten
Fassade mit Gummiunterlagen auf Halteschienen befestigt, die
wiederum auf die Stahlkonstruktion mit innenliegender Dämmung und
Zementbauplatten-Beplankung montiert sind. Im Luftraum sind
LED-Einheiten zur Hinterleuchtung der perforierten Bereiche
eingebaut, die leicht auszuwechseln sind. Ein filigranes Gitter an
der Innenseite der Cortenpaneele hält Vögel, Insekten und Abfall
vom Eindringen in den Zwischenraum ab.
Bautafel
Architekten: Citizens Design Bureau, London
Projektbeteiligte: Buro Happold, Bath (Tragkonstruktion und Monitoring); Smithers Purslow, Glaston (Denkmalpflege); Buro Four, London (Projektmanagement); Appleyard & Trew (Kostenplanung); H.H. Smith & Sons (Bauausführung); Britain & Co, London (Farbrestaurierung); Recclesia, Manchester (Glasrestaurierung); All Things Studio, London (Ausstellungsdesign); Kellenberger-White, London (Ausstellungsgrafik)
Bauherr: Manchester Jewish Museum
Fertigstellung: 2021
Standort: 190 Cheetham Hill Road, Manchester, M8 8LW
Bildnachweis: Joel Chester Fildes, Manchester / Philip Vile, London / Citizens Design Bureau, London
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