BOB Campus in Wuppertal
Von der Fabrik zum Quartierszentrum
Die hochgelegene Nordbahntrasse in Wuppertal, heute ein Radweg, bietet prominente Ausblicke auf die Stadt. Vom fünfzehn Meter hohen Wichlinghauser Viadukt im Stadtbezirk Oberbarmen aus sieht man zum Beispiel direkt auf den BOB Campus. Die Abkürzung steht für „Bünger Oberbarmen“, denn hier war bis 2012 das August Bünger Bob-Textilwerk aktiv. Inzwischen wurde das kompakte Konglomerat nach Plänen von raumwerk.architekten aus Köln umgebaut und 2023 als multifunktionales Nachbarschaftshaus wiedereröffnet.
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Nach jahrelangem Leerstand befand sich der gewachsene Baubestand mit einem 1970er-Jahre-Produktionsgebäude in Betonskelettbauweise im Nordosten, unterhalb davon zwei Gründerzeithäusern im Süden und Westen, zwei kleinen Shedhallen dazwischen sowie einem Schornstein und diversen Nebengebäuden in beklagenswertem Zustand. Auf Initiative der Eigentümer und des Architekturbüros hin konnte die Montag Stiftung Urbane Räume als Initialkapital-Geberin gewonnen werden. Sie investierte über eine gemeinnützige Projektgesellschaft in den Standort, der zusammen mit dem Quartier in einem partizipativen Prozess entwickelt wurde.
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Außer einer neuen Fassade entstanden mehrere Lichthöfe. Hinzu kam ostseitig, an der Max-Planck-Straße, ein offener Treppenturm mit Aufzug. Ein Bestandstreppenhaus wurde ertüchtigt, das Dachtragwerk teils saniert, teils erneuert. PV-Anlagen und ein Lowtech-Lufttauschsystem sind Bestandteile des energetischen Konzepts.
Die sanierten Gründerzeithäuser beherbergen jetzt elf Wohnungen, neun davon gefördert, fünf barrierefrei. In den anderen Gebäudeteilen sind neben Ateliers und Co-Working-Spaces unter anderem Lern- und Werkräume für die gegenüberliegende Max-Planck-Realschule, eine Kindertagesstätte und die Stadtteilbibliothek. Mit der sogenannten Nachbarschaftsetage gibt es außerdem einen vielfältig nutzbaren Gemeinschaftsraum mit Zugang zum grünen, 4.500 Quadratmeter großen Außenbereich. Der terrassierte, gartenähnlich Außenbereich ist als Nachbarschaftspark gedacht und wurde vom Berliner Landschaftsarchitekturbüros atelier le balto gestaltet und mit finanzieller Beteiligung der Stadt realisiert.
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Fassade: Kybernetik statt Dämmung
Die frühere Produktionshalle erhielt im Erdgeschoss eine neue Pfosten-Riegel-Fassade mit Aluminiumprofilen, Festverglasung und Stahltürelementen. Darüber befindet sich eine Fassade mit 60 mm starken 12-Kammer-Polycarbonat-Stegplatten und einer 200 mm messenden Luftschicht. Die Konstruktion mit Fassadenstützen aus Stahl-Rechteckrohr, Furnierschichtholz-Rahmenelementen und schwimmend eingebauten Öffnungsflügeln wurde vor die bestehenden Stahlbetonaußenwände gesetzt. In Kombination mit dem transluzenten Polycarbonat erhielt der neue, hohe Treppenturm an der Nordostecke, der sich L-förmig ein Stück weit über den Eingangsbereich im Osten zieht, eine Verkleidung aus kräftigen, gelb gefassten Streckmetallplatten.
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Die milchige Fassade ist zugleich Teil des mit einem Kybernetik-Büro entwickelten Lowtech-Konzepts für die Klimatisierung, das eine klassische Wärmedämmung überflüssig machte. An der Südseite des Gebäudes werden die Stegplatten von Luft hinterströmt, die sich in dem Fassadenzwischenraum erwärmt. Mittels eines Lüftungsbrücke genannten Kanals wird die Warmluft über eine Brandwand hinweg in eine Schicht geleitet, die sie durchs Gebäudeinnere führt. Dabei erreicht sie auch die unteren Geschosse, wo sich die erwärmte Luftmasse mit kälteren austauscht, bevor sie an der Nordfassade wieder aufsteigt und austritt.
Bautafel
Architekten: raumwerk.architekten, Köln
Projektbeteiligte: bau|werk Ingenieurbüro, Köln (Tragwerk); energiebüro vom Stein, Köln (Bauphysik); Rassek & Partner Brandschutzingenieure, Wuppertal (Brandschutz); Calorelektrik Ingenieurbüro für Elektrotechnik, Köln (Elektroplanung); DELZER Kybernetik, Lörrach (Kybernetik Lowtech-Fassade); atelier le balto, Berlin (Landschaftsplanung); Planersocietät, Dortmund (Verkehrsgutachten); Montag Service, Bonn (Projektsteuerung)
Bauherr: Urbane Nachbarschaft BOB (Projekt der Montag Stiftung Urbane Räume)
Fertigstellung: 2022
Standort: Max-Planck-Straße 19, 42277 Wuppertal
Bildnachweis: Jens Willebrand - Architekturphotographie, Köln und Thomas Schäkel, Köln (Fotos), raumwerk.architekten, Hübert und Klußmann PartGmbB, Köln (Pläne)
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