Geschosswohnungsbau in Hanau
Monolithische Ziegelbauweise für die Schließung eines Blockrands
Die hessische Stadt Hanau im Ballungsraum Frankfurt ist von Nachkriegsarchitektur geprägt. Insgesamt 80 Prozent der Bausubstanz waren im Krieg zerstört worden, die anschließende Aufbauphase wandelte die Stadtstruktur und -ansicht grundlegend. Inzwischen zeigen einige Bauten aus den 1950er-Jahren deutliche Altersspuren und werden durch Neubauten ersetzt – so auch Teile eines Blockrandes gegenüber der denkmalgeschützten Wallonisch-Niederländischen Kirche. Anstelle eines maroden Mietshauses ist nun ein von Stefan Forster Architekten entworfenes, zeitgemäßes Mehrfamlienhaus behutsam in den Bestand integriert.
Gallerie
Strukturierte Fassade
Der viergeschossige Neubau mit weiteren Wohnungen im Dachgeschoss orientiert sich an den Proportionen einer Blockrandbebauung aus den 1950er-Jahren, an die er mit zwei kurzen Flügeln anschließt. Drei Eingänge sind an der westlichen Längsseite verteilt, die der Kirche zugewandt ist. Der begrünte Hinterhof steht den Bewohnern zur Verfügung. Weißliche Klinker strukturieren das Erdgeschoss, während die Obergeschosse glatt verputzt und hell gestrichen sind. Durchlaufende Brüstungsbänder gliedern die Fassade, Fensterbänder und Loggien wechseln sich hier ab. Verzinkte Dachgauben durchbrechen das ziegelgedeckte Satteldach in einem regelmäßigen Rhythmus.
Loggien, Balkone und Dachterrassen
Insgesamt 57 Wohneinheiten sind in dem Neubau untergebracht, vor allem mit zwei und drei, aber auch mit vier Zimmern. Jede Wohnung verfügt über eine Loggia zur Straße und einen Balkon zum Hof, sämtliche Bäder erhalten Tageslicht. Die Wohnungen im Dachgeschoss haben jeweils eine Dachterrasse. Drei separate Treppenhäuser mit Aufzug dienen der Erschließung.
Konstruktion
Während das Erdgeschoss als zweischalige, verklinkerte massive Wand ausgeführt ist, sind die Obergeschosse in monolithischer Ziegelbauweise errichtet. Die Konstruktion erforderte unterschiedliche Lösungen bezüglich Statik und Wärmeschutz, weshalb die Planer für die Außenwände über dem Erdgeschoss zwei verschiedene Planziegel wählten. Alle haben aufgrund der Mineralwollefüllung eine wärmedämmende Wirkung. Das gesamte erste Obergeschoss sowie der zur Straße liegende Teil des Gebäudes wurden mit verfüllten Ziegeln in 30 und 36,5 cm Dicke errichtet, die für den energetisch und schallschutztechnisch hochwertigen Objektbau sowie für hohe statische Anforderungen (Mauerdruckfestigkeit fK 4,6 MN/m²) ausgelegt sind. Die unterschiedlichen Stärken resultieren aus den horizontalen Bändern, die als architektonisches Stilmittel verschiedene Wanddicken erforderten.
Da die östliche Fassade zum Hof über große Fensteröffnungen verfügt, die Außenwand hier also eine relativ geringe Fläche hat, kommen hofseitig ab der zweiten Etage mineralwollverfüllte, 36,5 cm dicke Ziegel zum Einsatz. Diese eignen sich besonders für einschalige Außenwände von KfW-Effizienzhäusern und Passivhausniveau und verbessern mit einer Wärmeleitfähigkeit λR von 0,08 W/mK den Wärmeschutz.
Schallschutz
Der benötigte Schallschutz zu den benachbarten Bauten ist durch eine Doppelwandkonstruktion aus jeweils 17,5 cm starken Ziegeln mit einer innenliegenden, 4 cm starken Platte aus Mineralfasern gewährleistet. Für akustische Abschirmung zwischen den Wohnungen sorgen Trennwände aus 30 cm dicken Planfüllziegeln.
Wohngesund und nachhaltig
Die monolithische Bauweise mit einem in die Hochlochziegel integrierten Dämmstoff macht eine zusätzliche Dämmung überflüssig, was in Bezug auf den Brandschutz und die Instandhaltung von Vorteil ist. Auch raumklimatisch punktet die einschalige Konstruktion der Obergeschosse: Durch die Kapillarstruktur sind die Wände diffusionsoffen und können die Luftfeuchte regulieren. Das Mauerwerk nimmt überschüssige Feuchtigkeit aus der Raumluft auf und gibt sie zeitversetzt wieder an die Umgebung ab. Die Diffusionsoffenheit beugt Schimmelpilzbildung vor. Sowohl der aus Lehm und Ton bestehende Ziegel als auch die Füllung sind frei von Schadstoffen.
Die Speichermasse der Ziegelwände verhindert darüber hinaus kurzfristige Temperaturschwankungen in den Räumen und erhöht die thermische Behaglichkeit. Laibungsziegel, kombiniert mit WU-Schalen, Deckenrandschalen und wärmegedämmte Rollladenkästen reduzieren Wärmebrücken. Aufgrund der hochwärmedämmenden Gebäudehülle in Verbindung mit der Energieversorgung über ein Blockheizkraftwerk und Fernwärme erreicht das Gebäude KfW-70-Effizienzhausstandard. -dg
Bautafel
Architektur: Stefan Forster Architekten, Frankfurt am Main
Projektbeteiligte: BGG Grünzig Ingenieursgesellschaft, Bad Homburg (Bauleitung); Stroh + Ernst, Frankfurt am Main (Tragwerksplanung); Innius RR, Rosbach (Haustechnik); wienerberger, Hannover (u. a. Porotonziegel S9-MW, T8-MW, Planfüllziegel PFZ-T)
Bauherr/in: Baugesellschaft Hanau, Hanau
Standort: Französische Allee 2-6, 63450 Hanau
Fertigstellung: 2016
Bildnachweis: Lisa Farkas, Frankfurt am Main
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