Wohnquartier am Ooswinkel in Baden-Baden
Von der Altlast zum Wohnort
In den 1920er-Jahren entstand in der Weststadt von Baden-Baden die Siedlung Ooswinkel nach dem Vorbild der Gartenstadt. Nur wenige Meter südlich des denkmalgeschützten Ensembles breiteten sich lange Zeit Materialien und Maschinen eines Bauhofs aus. Die Baugenossenschaft Baden-Baden wollte die fast vollständig versiegelte Fläche umnutzen und beauftragte das Architekturbüro Freivogel Mayer mit der Schaffung von neuem Wohnraum, in Anlehnung an die bekannte Bestandssiedlung.
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Das Quartier entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Plänen von Paul Schmitthenner. Das Viertel war für Arbeiter und ihre Familien gedacht, die hier gesündere Wohnverhältnisse vorfinden sollten. Auf der einstigen Mülldeponie wurden Häuser im Stil der Stuttgarter Schule errichtet, umgeben von großflächigen Gärten und Grünanlagen. Als Vorbild für den Städtebau diente das Konzept der Gartenstadt nach Ebenezer Howard. Heute wiederholt sich die Geschichte. Das Grundstück der Neubauten befindet sich in Zentrumsnähe und grenzt südlich an den geschlängelten Fluss Oos, nach dem beide Siedlungen benannt sind. Zwischen der stark befahrenen Bundesstraße im Nordosten und der dicht bewachsenen Umgebung soll das neue Wohngebiet ein Bindeglied sein, mit Elementen von Stadt und Idylle.
Die Planer*innen entwarfen zwei Riegel, die sich über die Länge des Grundstücks erstrecken und den Fluchten der Bestandssiedlung folgen. Dies schuf einerseits einen fließenden Übergang zwischen Alt und Neu, andererseits eine ruhige Quartiersmitte, die vom Lärm der Hauptstraße abgeschirmt ist. Die Baukörper stehen parallel, aber versetzt zueinander. So wurde die Bebauung aufgelockert, genügend Licht gelangt in die Gebäude und die Ausblicke in die Natur wurden gewahrt. Die längere der beiden dreigeschossigen Zeilen erhielt östlich – in Richtung Innenstadt – einen fünfgeschossigen Kopfbau, der den Abschluss markieren soll.
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Mehr Vielfalt am Ooswinkel
Das neue Quartier ergänzt das Angebot der Schmitthenner-Siedlung um insgesamt 42 Wohneinheiten. Einige von ihnen sind Maisonettes, andere barrierefrei oder rollstuhlgerecht, um für möglichst viele unterschiedliche Menschen geeignet zu sein. Die Maisonettes reihen sich im langen, nördlichen Riegel aneinander, mit jeweils eigenem Treppenhaus. Der kürzere Riegel wird hingegen über Laubengänge erschlossen.
Die Wohneinheiten haben zwischen zwei und vier Zimmer und verfügen alle über eine offene Küchenzeile und ein bis zwei Bäder. Diese sind, ebenso wie die Hauseingänge, überwiegend zur Haupstraße hin angeordnet. Zur Flussseite liegen Terrassen und Balkone. Das Wohnungsangebot soll sowohl eine demografische als auch eine soziale Stabilisierung des Gesamtquartiers fördern und einen Ort der Zusammenkunft für alle bieten. Entsprechend wurden die Geschäftsstelle der Baugenossenschaft und ein gemeinschaftlicher Mehrzweckraum für Anwohner*innen am Übergang der zwei Siedlungen platziert.
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Konstruktion und Materialwahl
Auch die Materialwahl für die Neubauten lehnt sich an den ökologischen Gedanken der Bestandssiedlung an. Für die Außenwände kamen 36,5 cm starke Porotonziegel mit einer Kerndämmung aus Mineralwolle zum Einsatz. Die effiziente Massivbauweise ergibt einen U-Wert von 0,23 W/m2K. Abgesehen von einem hydrophilen Kratzputz konnte auf zusätzliche Schichten verzichtet werden – mit Vorteilen für die Tragwerksplanung und für den Schall-, Wärme- und Brandschutz.
Aus statischen Gründen war an einigen Stellen Stahlbeton erforderlich – etwa bei der fortlaufenden Dachterrassenfassade. Die Stützkonstruktionen erhielten eine Vorsatzschale aus Porotonziegeln, die den Wärmeschutzanforderungen Rechnung trägt und zugleich eine homogene Außenwandfläche für die Putzarbeiten herstellte. Bewährte Materialien verleihen den Gebäuden ein hochwertiges Erscheinungsbild: Hybridfenster aus Holz und eloxiertem Aluminium, textiler Sonnenschutz, massive Holztüren, Fensterbänke aus Werkstein und Sichtbetonoberflächen.
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Ökologische Neugestaltung
Die 5.000 Quadratmeter große Gesamtfläche des ehemaligen Bauhofs wurde vollständig entsiegelt. Aufgrund der Verunreinigungen durch die frühere Nutzung des Geländes erfolgte eine umfangreiche Bodensanierung, die zur Gewährleistung der Gesundheit von Erde, Wasser und der Neubepflanzung notwendig war. Im Rahmen der ökologischen Neugestaltung des Grundstücks wurden außerdem Strategien für einen schonenderen Umgang mit Ressourcen entwickelt, etwa Konzepte für die Wasserwirtschaft und den Hochwasserschutz. Hinzu kommt, dass das Grundstück nach Vorbild der Schmitthenner-Siedlung mit großen Grünflächen und Gartenanlagen gestaltet wurde. Sie sollen Biodiversität und Mikroklima verbessern.
Die tiefgreifende Auseinandersetzung mit dem Bestand und die Revitalisierung des Grundstücks mit ökologischen Mitteln wurde bereits mehrfach gewürdigt. Das als Vorzeigeobjekt für Stadtreparatur geltende Projekt erhielt bereits den Hugo-Häring-Preis 2023 und die Auszeichnung für Beispielhaftes Bauen 2021.
Bautafel
Architektur: Freivogel Mayer Architekten, Ludwigsburg
Projektbeteiligte: Helleckes Landschaftsarchitektur, Karlsruhe (Landschaftsplanung); Göppert Bauingenieure, Lahr (Tragwerksplanung); wienerberger, Hannover (Ziegelhersteller, Produkt: Poroton S9-36,5 MiWo; Poroton-WDF-120-P)
Bauherrschaft: Baugenossenschaft Baden-Baden
Fertigstellung: 2021
Standort: Dr.-Groddeck-Platz 2, 76532 Baden-Baden
Bildnachweis: Atelier Altenkirch (Fotos); Freivogel Mayer Architekten (Pläne)
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