Learning Center in Villeneuve d’Ascq
Schwungvoller Anbau mit sanft geneigtem, begehbarem Gründach
Pünktlich zum Semesterstart in Frankreich eröffnete im September 2016 das Learning Center auf dem Universitätsgelände der Stadt Villeneuve d’Ascq bei Lille. Das alte Bibliotheksgebäude war nicht nur hinsichtlich der Bausubstanz in die Jahre gekommen, es sollte auch konzeptionell überdacht werden. Der Architekt Noël Le Maresquier, ein Schüler Le Corbusiers, hatte es in den 1960er-Jahren entworfen; aufgrund seiner für den Campus wichtigen Zeichenhaftigkeit sollte es unbedingt erhalten bleiben. Das Münchner Architekturbüro Auer und Weber wurde beauftragt, den kreisrunden Bibliotheksbau mit seiner prägnanten, netzartig aufgelösten Betonfassade räumlich und städtebaulich neu zu strukturieren und ihn um einen Veranstaltungsbereich, eine Cafeteria und ein sogenanntes Experimentarium zu erweitern. Im Ergebnis zeigt sich das Universitätsgebäude nun als zeitgemäßer Ort der Kommunikation und des Lernens.
Gallerie
Statt mit dem ausdrucksstarken Bestandsbau zu konkurrieren, schufen die Architekten ein deutlich niedrigeres, jedoch weit ausgreifendes Plateau, das ihn umfasst, und durch eine konzentrische Lichtfuge abgesetzt ist. Das begrünte Dach erhebt sich sanft ansteigend nordöstlich des Rundbaus aus der Landschaft, weitet sich schwungvoll gen Norden und umschließt in einer wellenförmigen Kurve den Altbau in südwestliche Richtung, wo es sich schließlich wieder auf Erdgeschossniveau absenkt. Zwischen beiden Dachenden entstand im Westen ein zusätzlicher Eingang, der von den neuen Nutzungen flankiert ist. Die gläserne Fassade schafft einen lichten Übergang zur zentralen, geschossübergreifenden Erschließungshalle, die den alten mit dem neuen Gebäudeteil verbindet und als kommunikatives Zentrum dient. Die Bestandsfassade wurde dafür weder perforiert noch durchbrochen. Die Halle macht die räumliche Aufteilung unmittelbar ablesbar: Auf der einen Seite befindet sich das Experimentarium, wo aktuelle Forschungsergebnisse der Hochschule einem breiten Publikum präsentiert werden. Auf der anderen Seite liegen der Veranstaltungsbereich und die Treppenanlage zur Erschließung der oberen Etage und der Bibliothek.
Flachdach
Das Dach ist begehbar und eingefasst von einer umlaufenden Brüstung
aus Stahlbeton. Diese dient als Absturzsicherung und betont
zugleich die geschwungenen Konturen des Anbaus. Das flach geneigte
Dach – an zwei Seiten bis zum Boden abgesenkt und dadurch gleichsam
mit der Landschaft verwachsen – ist als Dachterrasse mit intensiver
Begrünung ausgebildet. Die 37 cm starke, tragende
Stahlbetondecke ist auf der Unterseite akustisch beschichtet.
Darüber ist eine bituminöse Dampfsperre verklebt, die während der
Bauphase als Notabdichtung diente. Es folgt eine insgesamt 24
cm starke, zweilagige Wärmedämmung aus Polyurethan, die in den
Randbereichen entlang der Betonaufkantung nur einlagig verlegt
wurde, um die Anordnung eines durchgehenden Kiesstreifens zu
ermöglichen. Über einer 10 cm starken Drainageschicht ist ein
Geotextil ausgelegt, darüber das Wachstumssubstrat mit intensiver
Dachbegrünung. In Dachbereichen mit besonders
starker Neigung wird es durch ein Stahlwinkelprofil vor dem
Abrutschen gesichert.
Bautafel
Architekten: Auer Weber Architekten, München mit MorphoZ 2.0 architectes, Valenciennes
Projektbeteiligte: Atelier Villes & Paysages, Paris (Freianlagen); Maning, La Chapelle-d’Armentières (Tragwerks- und Elektroplanung); Symoé, Lille (Energieberatung); JLL Ingénierie, Lille (Technische Gebäudeausrüstung)
Bauherr: Région Hauts-de-France, Lille
Fertigstellung: 2016
Standort: 2 Avenue Jean Perrin, 59650 Villeneuve-d’Ascq, Frankreich
Bildnachweis: Aldo Amoretti, Barcelona
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