Seona Reid Building in Glasgow
Trichterförmige Lichtschächte durchdringen alle Etagen
Als Kontrast zur Massivität der Glasgow School of Art, ein Sandsteinbau, der 1909 nach Plänen des schottischen Architekten Charles Rennie Mackintosh fertiggestellt wurde, entwarf der US-Amerikaner Steven Holl das Seona Reid Building als transluzent-gläsernes Gebäude. Es steht der alten Kunsthochschule im Zentrum der schottischen Metropole an der Renfrew Street direkt gegenüber und beherbergt die Design-Fakultät. 2010 hatte Holl den dazu ausgeschriebenen Wettbewerb gewonnen. Realisiert wurde das Gebäude in Zusammenarbeit mit JM Architects aus Glasgow, benannt nach der ehemaligen Akademiedirektorin Seona Reid.
Gallerie
Das neue Haus ersetzt zwei Altbauten und überlagert einen dreigeschossigen Bestandsbau an der Kreuzung zur Scott Street, in dem das Studentenwerk seinen Sitz hat. Mit fünf Geschossen orientiert es sich an der Höhe seines historischen Gegenübers. Dort zelebrierte der Architekt Mackintosh – eine führende Persönlichkeit der Art-Nouveau-Bewegung – die Wirkung von Tageslicht, das den Mauerwerksbau vielfach großflächig durchdringt. Im Gegensatz dazu erscheint die grünlich schimmernde, weitgehend opake, teils transluzente, teils transparente Glasfassade des Reid Buildings glatt und kühl – abends jedoch beginnt der Komplex wie eine riesige Laterne zu leuchten.
Die besonderen Qualitäten offenbaren sich im Inneren durch ein äußerst komplexes Raumgefüge und eine gelungene Inszenierung des Tageslichts. Entlang einer zentralen Erschließung, die sich als Netzwerk aus Treppen und Rampen durch das Gebäude zieht, sind die Ateliers im Norden aufgereiht. Deren Wände und Decken sind Reinweiß gestrichen; durch große Verglasungen dringt reichlich diffuses, schattenarmes Licht, das für das künstlerische Schaffen so wichtig ist. An der Südseite befinden sich Büro- und Seminarräume sowie die Mensa – Lichteinfall bzw. Verschattung lassen sich dort nach Bedarf regulieren. Maßgeblich prägend sind drei trichterförmige Lichtschächte, die das Gebäude von oben bis ins Untergeschoss durchdringen. Mit einem Durchmesser von sechs Metern an der breitesten Stelle und einer leichten Neigung gen Süden führen sie Helligkeit auch in tief liegende Räume. Sie gliedern die Erschließung und verbinden die Ebenen vertikal. Weil die Werkstätten zueinander versetzt sind, entstehen vielfältige Blickbeziehungen, spannungsvolle Raumbezüge und Wegeverbindungen. Der Kontakt und Ideenaustausch unter den Studierenden soll damit gefördert werden.
Flachdach
Das Dach des Seona Reid Buildings ist in Längsrichtung geteilt:
Oberhalb der Erschließung verspringt es (siehe Abb. 30), die
nördliche Hälfte ist aufgrund eines Mezzaningeschosses höher als
die straßenseitige. In der Mittelzone führen Oberlichtbänder
Tageslicht in die darunterliegenden Arbeitsräume (im obersten
Geschoss befinden sich diese entlang der Nord- und Südseite). Die
Lichtschächte durchstoßen die Mittelzone und ragen wie riesige
Schornsteine aus der Dachlandschaft empor. Das anfallende
Regenwasser wird in einem Tank auf der Dachfläche gesammelt und für
die Toilettenspülung genutzt.
Das Gebäude ist eine Stahlbetonkonstruktion. Auf der Stahlbetondecke ist die Dampfsperre aufgebracht, darüber dient eine um 1° geneigte Gefälledämmung der Entwässerungsführung. Die ungenutzten Dachbereiche oberhalb der Abdichtungsebene sind extensiv begrünt. Die erforderlichen Wartungswege sind mit einem aufgeständerten Belag aus Betonwerksteinplatten ausgeführt. Die Fassadenbekleidung aus Glasplatten ist bis zur Oberkante der Attika hochgeführt; den oberen Abschluss bildet ein Attikablech. Dessen Ansichtskante ist so schmal, das die Wirkung der Glasfassade nicht beeinträchtigt wird.
Die Lichtschächte aus Stahlbeton haben oberhalb der Dachfläche
die Form eines vertikal durchschnittenen Kegels, dessen Spitze
ebenfalls gekappt ist. Die Außenseite ist mit einer drei Millimeter
starken Bitumenschicht abgedichtet, die Innenseite reinweiß
gestrichen, um den Lichteinfall zu begünstigen. Gerundete Bauteile
sind außen mit einer hinterlüfteten Edelstahlfassade bekleidet; den
oberen Abschluss bildet eine Pfosten-Riegel-Konstruktion mit
feststehender Doppelverglasung. An der schrägen, abgeflachten Seite
ermöglichen gläserne, elektrisch gesteuerte Lüftungsklappen eine
natürliche Belüftung des Gebäudes.
Bautafel
Architekt: Steven Holl Architects, New York mit JM Architects, Glasgow
Projektbeteiligte: Ove Arup & Partners, London (Tragwerksplanung); Sir Robert McAlpine, Glasgow (Generalunternehmer); Turley Associates, Edinburgh (Projektmanagement)
Bauherr: The Glasgow School of Art
Fertigstellung: 2014
Standort: Glasgow School of Art, 167 Renfrew Street, Glasgow G3 6RQ
Bildnachweis: Alan McAteer, Glasgow; Iwan Baan, Amsterdam; Chris McVoy, New York
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