Montessori Kinderhaus in Erding
Dach als begrünte Spiellandschaft
Ein kantig-schräges Bauwerk mit großen Einschnitten und einer begehbaren Dachlandschaft als Spielfläche ist das Montessori Kinderhaus im oberbayerischen Erding. Nach einer Schule in Aufkirchen ist es das Resultat der zweiten Zusammenarbeit der Architekturwerkstatt Vallentin aus Dorfen mit dem Verein Montessori-Erding. Zwei Gruppen im Krippenalter sowie vier Gruppen mit drei- bis sechsjährigen Kindern können darin betreut werden.
Gallerie
Die knapp bemessenen Außenanlagen des Baugrundstücks ließen sich durch die begrünte Dachlandschaft um fast 1.000 Quadratmeter erweitern. Damit diese von allen Ebenen aus begehbar ist, wurde das Erdgeschoss des Kinderhauses samt südlich vorgelagerter Terrasse – die nun als Spielhof fungiert – um eine halbe Etage im Erdboden versenkt.
Der längliche Baukörper mit zwei Vollgeschossen, seinem deutlich verkürzten Dachgeschoss und gleichfalls verkürzten Untergeschoss erstreckt sich von West nach Ost. Sein Eingang liegt mittig an der zum Brachvogelweg gewandten Südseite und ist über ein paar Stufen oder eine Rampe erreichbar. Er führt in ein zentrales, über zwei Etagen offenes Foyer. Vis-à-vis zum Eingang ist das Treppenhaus angeordnet, dazwischen führen seitliche Flure zu den großen, nach Süden gerichteten großen Gruppenräumen und weiteren Funktionen beidseitig des Treppenhauses. Diese Räume, wie Büros, spezielle Therapie- und Werkräume, Küche und Sanitäranlagen, sind deutlich kleiner. Da der Grundriss nicht rechtwinklig, die Flure vielmehr trichterförmig konzipiert sind, sich hier aufweiten und dort verengen, gleicht kein Raum auf einer Etage dem anderen. Lufträume erzeugen vielfältige Blickbezüge zwischen den Ebenen; Tageslicht gelangt durch große Fensterflächen und Oberlichter tief ins Gebäude. Im Untergeschoss befinden sich Abstell- und Technikflächen, das Dachgeschoss steht vor allem den Mitarbeitern zur Verfügung.
Die tragende Struktur, die zahlreichen schrägen Innenwände und die Decken des Gebäudes bestehen aus Stahlbeton, die Außenwände aus einer hochwärmegedämmten Holzrahmenkonstruktion. Das Innere ist also durch Holz und Sichtbetonflächen geprägt. Letztere sind mit Vertiefungen (Tief-Relief) versehen, erzielt durch Weidenstäbe, Blätter und Farne, die in die Schalung eingelegt und später wieder entfernt wurden.
Das Kinderhaus ist ebenso wie die etwa zehn Jahre zuvor errichtete Montessorischule als Passivhausstandard-Gebäude geplant. Die Betonstruktur wirkt als Wärme- und Kältespeicher temperaturausgleichend. Die der südlichen Fassade vorgelagerten, rund zwei Meter auskragenden Balkone verschatten die darunterliegenden Räume und Freibereiche während der Sommermonate. Zudem erweitern sie die Spielfläche und dienen im Brandfall auch als Fluchtwege.
Dach
An der Westseite erhebt sich das begrünte Dach aus dem Freigelände,
steigt relativ steil (21 Grad Dachneigung) bis zum höchsten Punkt
über dem Dachgeschoss an und neigt sich sanft wieder herab (9 Grad
Dachneigung). Auf der Dachebene des Obergeschosses knickt es ab und
endet mit minimalem Anstieg über der südöstlichen Veranda bzw.
senkt sich als Abhang (27 Grad Neigung) zum Boden. Es bildet eine
künstliche Topografie zum Klettern, Toben und Spielen, die von
allen Ebenen erreichbar ist: im Erdgeschoss über die Spielhöfe
sowie den rückwärtigen Garten, im Obergeschoss vom Flur über eine
Veranda nach Westen, im Dachgeschoss über eine südliche
Veranda.
Die Konstruktion ist aus Brettschichtholzbalken (10/36 mm) und
120 mm dickem Brettsperrholz. Darauf befindet sich eine zweilagige
bituminöse Notabdichtung/Dampfsperre
aus einer unteren Lage mit Gewebebahn, die vernagelt wurde, und
einer zweiten, kaltselbstklebenden Abdichtung.
Es folgt eine 24 cm starke EPS-Dämmung, auf der mit PU-Kleber
wiederum eine bituminöse Abdichtung mit Gewebeeinlage verklebt
wurde. Mit einer extensiven Dachbegrünung (Sedum/Kräuter/Gräser) bzw. Kies in
den Randbereichen entlang der Brüstungen und um die Oberlichter
schließt der Dachaufbau ab (siehe Abb. 15 und 22). Die
begehbare Grünfläche ist differenziert durch Sitz- und
Spielflächen, schmale Holzbohlen bilden eine im Zickzack auf- und
absteigende Wegeführung. Auf den Dachflächen oberhalb der Veranden
dienen Solarthermie- und PV-Module
der solaren Energiegewinnung. (us)
Bautafel
Architekten: Architekturwerkstatt Vallentin, Dorfen/München
Projektbeteiligte: Ingenieurbüro G. Jochum, Alling (Tragwerksplanung); Güttinger Ingenieure, Kempten (Haustechnik); Planungsbüro Andrè Mühlbach, Erding (Elektrotechnik); Steico, Feldkirchen (Holzbauaußenwand); Variotec, Neumarkt (Fensterrahmen); Bauder, Stuttgart (Dachabdichtung)
Bauherr: Montessori-Verein Erding
Standort: Brachvogelweg 10, 85435 Erding
Fertigstellung: 2015
Bildnachweis: Jakob Kanzleiter, München
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