Sekundarschule und Kindergarten des Montessori Zentrums Nürnberg
Hinten massiv, vorne durchlässig
Von der Krippe bis zur 10. Klasse – im Montessori Zentrum Nürnberg hat heute jede Altersstufe einen eigenen Bereich, der auf ihre Entwicklungsbedürfnisse zugeschnitten ist. Die von einem Verein getragene Einrichtung ließ dazu ihren Campus erweitern und umbauen. Für den 2023 eingeweihten Neubau mit Sekundarschule und Kindergarten war das Team von Diezinger Architekten zuständig.
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Das Montessori Zentrum befindet sich südlich des Nürnberger Ostbahnhofs und teilte sich vormals auf zwei Areale auf. Für die Erweiterung erwarb der Verein das dazwischenliegende, unmittelbar an die Gleise grenzende Grundstück von der Deutschen Bundesbahn. Den neuen L-förmigen Baukörper schoben die Architekt*innen bis an die Nordkante des Areals, sodass er den stark begrünten Gartenbereich vom Bahnverkehr abschirmt.
Das Gegenstück dazu bildet eine ebenfalls L-förmige Stützwand entlang der Dr.-Carlo-Schmid-Straße. Sie lenkt die verschiedenen Verkehrsströme und schafft eine Schwelle zwischen Öffentlichkeit und Schulgarten. Das ansteigende Gelände verbindet die bestehenden Montessori-Einrichtungen und überdeckt einen Fußgängertunnel Richtung Ostbahnhof. Somit wird das räumlich limitierte Grundstück maximal für ansprechende Grünräume ausgenutzt. Der Westteil des Baukörpers wurde als dreigeschossiger Kopfbau gestaltet und markiert so den Haupteingang.
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Reihe und Cluster
Der Kontrast zwischen Schienenweg und Nachbarschaft dominiert auch die Grundrisse: Die Klassen-, Fach- und Gruppenräume sind zur Bahn hin orientiert, während sich die lichtdurchfluteten, laubengangartigen Verkehrsflächen zum Garten hin öffnen. Aufweitungen und Loggien verbinden den Außen- und Innenraum und ergänzen das Raumangebot für die Kinder und die Lehrenden. Während sich entlang des Laubengangs die Lernräume aufreihen, sind sie im Kopfbau als Cluster organisiert, bestehend aus jeweils vier Klassenzimmern und gemeinschaftlich genutzten pädagogischen Flächen. Um einen offenen und vielseitig nutzbaren Klassenverbund zu schaffen, sind die einzelnen Räume durch feststehende Regale getrennt.
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Hinten massiv, vorne durchlässig
Die besondere Grundstücksituation wirkte sich auch auf die Gestaltung der Gebäudehülle aus: Zum öffentlichen Raum und zur Gleisanlage hin wurde eine Lochfassade mit vorgehängtem Klinkermauerwerk ausgeführt. Im Bahnhofsumfeld ist die Backsteinoberfläche bewusst ruppig als Fußsortierung im wilden Verband erstellt. Auf diese Weise entstand eine lebhafte Oberfläche. Die Fensteröffnungen wurden teilweise mithilfe von langen Betonfertigteilstürzen und -brüstungen zusammengefasst, sodass die Horizontale betont wird. Holz prägt die Auskleidung der tiefen Laibungen und die manuell bedienbaren Schiebeläden, deren Lauf- und Führungsschienen in den Betonteilen versteckt liegen.
Ganz anders erscheinen die Gartenfassaden: Vertikale Lamellen aus Lärchenholz sind rhythmisierendes Element, Sonnenschutz und zugleich Absturzsicherung für die dahinterliegenden Laubengänge und Loggien. Zudem bilden sie eine optimale Rankhilfe für die Fassadenbegrünung. Einerseits öffnet die Lamellenhaut den Blick nach außen und lässt Licht in den Innenraum, andererseits schließt sie – je nach Blickwinkel – den Raum optisch ab.
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Ressourcenschonend in Bau und Betrieb
Materialien wie Holz und Backstein sollen den Neubau möglichst umweltfreundlich machen. Auch bei den weiteren Baumaterialien legte man großen Wert auf Ökologie. So ist das Flachdach als extensives Gründach angelegt, das über eine Grund- und Gefälledämmung aus Holzwolle verfügt. Die Dämmung der Klinkerfassade besteht aus Mineralwolle.
Die technische Gebäudeausrüstung wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Ingenieurbüro Hausladen konzipiert. Herauskam ein Low-Tech-Gebäude, das einfach zu bedienen ist und im Unterhalt wenig kostet. Der notwendige Luftaustausch funktioniert weitgehend über händische Fensterlüftung. Mechanische Lüftungsanlagen gibt es nur in der Aula und in den Sanitärbereichen, wo sie unvermeidbar waren. Zum sommerlichen Wärmeschutz tragen die Holzlamellen an der Südfassade und die Holzschiebeläden an der Nord- und Westfassade bei.
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Die Niedertemperaturbeheizung ist Teil der Deckenkonstruktion: Zur Betonkernaktivierung wurden oberflächennah Heizrohrschleifen verlegt und mit einem Verbundestrich kombiniert. So lässt sich die Betonmasse der Deckenplatten zur Übertragung und Speicherung von Wärme bzw. Kälte nutzen. Um die thermische Wirksamkeit zu steigern, wurde auf eine weitere Lage Trittschalldämmung verzichtet. Im Gegenzug wurden unterseitig offene Akustikabsorber-Lamellen angebracht. In Verbindung mit einer natürlichen Nachtauskühlung soll so – auch ohne aktive Kühlung – ein sehr guter akustischer und thermischer Komfort gewährleistet werden. Mithilfe der Bauteilaktivierung in Kombination mit Geothermiesonden und einer PV-Anlage auf dem Dach kann der Schulneubau komplett energieautark betrieben werden und erreicht überdies den KfW-55-Standard.
Bautafel
Architektur: Diezinger Architekten, Eichstätt / Regensburg
Projektbeteiligte: Adlerolesch, Nürnberg (Landschaftsarchitektur); Tragraum Ingenieure, Nürnberg (Tragwerksplanung); Ibw Ingenieur- u. Sachverständigenbüro f.d. Bauwesen Witzl, Nürnberg (Brandschutz); IB Hausladen, Kirchheim b. München (Bauphysik); Team für Technik, Nürnberg (HLS); IB Wißmeier, Heroldsberg (ELT)
Bauherrschaft: Montessori Förderkreis Nürnberg
Standort: Dr.-Carlo-Schmid-Straße 79-81, 90491 Nürnberg
Fertigstellung: 2023
Bildnachweis: Felix Meyer, Bayreuth (Fotos); Diezinger Architekten, Eichstätt / Regensburg (Pläne)
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