Schulhaus D‘niww Walka in Zermatt
Bauen unter extremen Bedingungen
Zermatt ist ein beliebter Ferienort im höchsten und größten Sommerskigebiet der Schweiz. Am Fuße des Matterhorns, auf rund 1.600 Höhenmetern, sind die Pisten während eines Großteils des Jahres mit Schnee bedeckt. Dies lockt jährlich mehr als zwei Millionen Besucher in die nur rund 6.000 Einwohner*innen zählende Gemeinde. Im Ortskern eröffnete im Frühling 2024 die Primar- und Orientierungsstufe der Schulanlage D‘ niww Walka, geplant vom Berner Büro GWJ Architektur. 2025 folgt mit der Kita der zweite Bauabschnitt.
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Dreigliedriger Schulneubau
Rund 400 Kinder aus Zermatt, Täsch und Randa verbringen ihre Schuljahre bis zur 6. Klasse in dem Neubau. Er war notwendig angesichts des Sanierungsbedarfs des alten Schulgebäudes, das heutigen Standards bezüglich Energieeffizienz und Barrierefreiheit nicht entsprach. Der Planungsphase vorgeschaltet war ein offener Wettbewerb im Jahr 2016, bei dem GWJ Architektur die Jury mit ihrem Entwurf tabula rasa überzeugen konnten.
Der Charakter der bisherigen Bestandsbauten aus den Jahren 1958 bis 1972 blieb erhalten. Ebenso wie bei den drei miteinander verbundenen Chalets handelt es sich bei dem neuen Schulbau um drei gestaffelte und ineinander verschobene Baukörper. Die ursprüngliche Maßstäblichkeit blieb, allerdings entfielen die traditionellen Satteldächer. Mit einer Abtreppung am Hang integrieren sich die neuen Baukörper in die bestehende Topografie und nehmen gleichzeitig Bezug auf die umliegenden Gebäude.
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Schwierige Baubedingungen
Obwohl die neue Schule an der gleichen Stelle wie die alten Gebäude errichtet wurde, war es notwendig, für den gestiegenen Raumbedarf einen weiteren Teil des Hangs zu sprengen und zu entfernen. Das stellte bei den hochalpinen Bedingungen eine konstruktive und logistische Herausforderung für Architekt*innen und Baufirmen dar. Die extreme Hanglage erforderte zusätzliches, mitunter lautes Gerät und erschwerte den Abtransport von Abbruch- und Aushubmaterial durch den autofreien Ort, der nur mit speziellen Elektrofahrzeugen befahrbar ist. Zudem mussten neben den klimatischen Bedingungen auch die Unterrichtszeiten und die Reisesaison bei Abbruch und Neubau berücksichtigt werden. So verengten sich die Zeitfenster, in denen gearbeitet werden konnte.
Letztendlich erwies sich die dreiteilige Struktur der Schulanlage als Lösung für die konstruktiven und logistischen Herausforderungen. Durch zwei funktional optimierte Bauabschnitte war es möglich, sie zeitversetzt zu errichten. Da die Kinder im jeweils noch oder schon bestehenden Gebäudeteil unterrichtet wurden, musste der Schulbetrieb nicht unterbrochen werden. Auf diese Weise konnte man die einzelnen Etappen ab Rückbaubeginn im April 2021 präzise in die eng bemessenen Zeitfenster einpassen und auf teure Provisorien verzichten.
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Respektvoller Umgang mit der Umgebung
Die Schule präsentiert sich dem Dorf aus verschiedenen Blickwinkeln und in verschiedenen Höhen. Zusätzlich gegliedert wird der Bau nicht nur durch seine Staffelung, sondern auch durch die vertikalen Holzlamellen des vorgelagerten Fassadenrasters und durch horizontale Bänder. Während die südorientierten Fassaden großzügig verglast sind, zeigen sich die übrigen Wände größtenteils geschlossen. Das rhythmische Zusammenspiel offener und geschlossener Gebäudeteile schafft Proportionen, die sich an das gebaute Umfeld anlehnen. So wirken die Neubauten wie eine zeitgenössische Interpretation traditioneller Wirtschafts- und Chaletbauten. Ebenso erinnern die leicht gespreizten Ecken der Fassade an traditionelle Block- bzw. Strickhäuser.
Von außen wirken die Gebäude drei- bis fünfgeschossig, tatsächlich verfügen sie vom Untergeschoss im Osten bis zum höchsten Geschoss im Westen über sieben Geschosse. Die Rückwand des Schulkomplexes bildet der Hang. Dabei rücken die unteren beiden Volumina etwas von der Felswand ab. Sie geben auf diese Weise Außenräume zur Hangseite hin frei, die vom Dorf aus nicht einsehbar sind.
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Atrium als Zentrum
Das Atrium im mittleren Bau ist das Zentrum der Schulanlage. Wie ein Dorfplatz erfüllt es gleich mehrere Funktionen: Es dient als Ankunftsort und Orientierungspunkt, von dem aus alle Korridore abgehen. Zugleich ist es Pausen- und Aufenthaltsraum für alle. Die Kinder haben durch die nach innen verglasten Geschosse freie Sicht auf alle Ebenen. Durch den tieferliegenden Glaseinsatz können auch die Kleinsten auf Augenhöhe nach unten schauen. Eine weitere Funktion des Atriums ist, für Tageslicht im Innenraum zu sorgen. Die oberen beiden Geschosse sind nach Norden und Osten geöffnet und lassen das Licht bis weit nach hinten in die zum Hang gelegenen Räume.
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Mehr als Schule
Zu den 22 regulären Klassenzimmer kommen Fach- und Spezialräume, eine Turnhalle, eine Schulbibliothek und eine Mensa. In Letzterer gibt es eine Bühne und Platz für ca. 150 Zuschauer*innen in Konzertbestuhlung. Darüber hinaus sind multifunktionale Sitzungszimmer vorhanden, die teilweise öffentlich zugänglich sind. Ebenso steht die Turnhalle lokalen Vereinen zur Verfügung. Dadurch profitieren auch die weiteren Einwohner*innen von Zermatt von der Schule und können sie wie ein Gemeindezentrum nutzen. 2025 kommen zum schulischen Bereich noch die Räume der Kita hinzu.
Die Klassenzimmer für den regulären Unterricht liegen in den oberen Geschossen. Sie sind vor allem zur Sonne hin nach Süden und mit Blick ins Tal ausgerichtet. Zum Hang oder im Gebäudeinneren liegende Räume beziehen ihr natürliches Licht durch das Atrium oder mittels Oberlichtern. Braun und Grau dominieren die farbliche Gestaltung, in Anlehnung an die landschaftsprägenden Farben des warmen Holzes und kühlen Minerals, wobei die mineralischen Oberflächen vorwiegend aus Beton bestehen.
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Baumaterialien und Dämmung
Vorgefertigte Sichtbetonelemente bilden die Tragstruktur. Die Fassaden sind in Holzrahmenbauweise erstellt. Dafür verwendete man heimische Lärche, die gehobelt und gedämpft wurde. Die Leimbinderlamellen bestehen ebenfalls aus Lärche, die Holzverkleidung aus Nut- und Kammbrettern (bzw. Federbrettern) in Lärche.
Fassadenaufbau Ost und West (geschlossene Seitenfassaden), von außen nach innen:
- Schalung Lärche gedämpft, Deckbreite 122/27 Millimeter
- Rost horizontal für die Schalungsbefestigung, 30/60 mm
- Rostlatte vertikal zur Hinterlüftung, 30/60 mm
- Fassadenfolie zur Winddichtung mit erhöhten Anforderungen vollflächig verlegt, alle Stöße abgeklebt
- Konsolensystem Wagner Raster 600/1000 mm, mit Aluwinkel zur Ausrichtung der Fassade, gefüllt mit Mineralwolle RF1, 260 mm
- 20 Millimeter Steinwolledämmung hinter Rahmen ausgestopft als Pufferzone für Unebenheiten im Mauerwerk (Baustoff der Brandverhaltensgruppe RF1 = kein Brandbeitrag), mit 60 kg/m³, Schmelzpunkt 1.000 Grad
- Mauerwerk
Fassadenaufbau Süd (Längsfront), von außen nach innen:
- Schalung Lärche gedämpft, Deckbreite 122/27 mm
- Rost horizontal für die Schalungsbefestigung, 30/60 mm
- Rostlatte vertikal zur Hinterlüftung, 30/60 mm
- Fassadenfolie zur Winddichtung mit erhöhten Anforderungen vollflächig verlegt, alle Stöße abgeklebt
- Rahmenholz kreuzweise verlegt 2/3 + 1/3 breite gefüllt mit Mineralwolle, 180 mm
- 35 Millimeter Steinwolledämmung hinter Rahmen ausgestopft als Pufferzone für Unebenheiten im Mauerwerk (Baustoff der Brandverhaltensgruppe RF1 = kein Brandbeitrag), mit 60 kg/m³, Schmelzpunkt 1.000 Grad
- Mauerwerk
Bautafel
Architektur: GWJ Architektur, Bern
Projektbeteiligte: Gartenmann Engineering AG, Bern (Bauphysik); HOLLIGER Consult (Brandschutzplanung); LABAG Lauber Bauing., Zermatt (für VP: Thomas Jundt, Bern) (Tragwerksplanung); Buri Müller Partner, Burgdorf (Fassadenplanung); extra Landschaftsarchitekten, Bern (Landschaftsarchitektur); mls architekten, Zermatt / Visp (Bauleitung); Eicher+Pauli, Visp (für VP: Amstein + Walthert Bern) (Heizungs- und Lüftungsplanung); ing.-büro riesen, Bern (Subplaner Sanitär); LAMI SA Elektro-Engineering, Raron (für VP: Schnegg Elektroplanung, Lenzburg) ( Elektroplanung); Gartenmann Engineering, Bern (Akustikplanung); geoformer igp, Brig-Glis (Geologie); EBP Schweiz, Zürich (Lichtarchitektur); Black Cow, Brigerbad (Audio / Viso); Gastra Grossküchen, Visp (Aufbereitungsküche); Beer Holzbau, Ostermundigen (Fassadenverkleidung in Holz); Zurbriggen , Visp (Fensterverglasung, Fensterprofile); Schreinerei Schnidrig, Visp (Innenausbau, Schreinerarbeiten); Frutiger, Bern (Böden: Anhydrit geschliffen)
Bauherr*in: Einwohnergemeinde EWG Zermatt
Fertigstellung: 1. Bauabschnitt 2024, 2. Bauabschnitt Frühling 2025
Standort: Metzggasse 14, 3920 Zermatt, Schweiz
Bildnachweis: Susanne Goldschmid, Bern und Alexander Gempeler, Bern (Fotos); GWJ Architektur, Bern (Pläne)
Fachwissen zum Thema
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