Hotel in London
Ferien als blinder Passagier
Wie blinde Passagiere dürfen sich Gäste im Stowaway Hotel in London fühlen, denn sie nächtigen in einem recycelten Schiffscontainer. Insgesamt 26 Stück sind als Wohnmodule in fünf Etagen übereinander gestapelt. Ein Blick auf die komfortable Ausstattung der in unmittelbarer Nähe zum Verkehrsknotenpunkt Waterloo Station gelegenen Containermodule vergewissert jeden, dass eine Nacht im Stowaway (engl. für blinder Passagier) nichts mit einer illegalen Ozeanüberquerung zu tun hat: Neben Küchenzeile, Bad und Kingsize-Bett verfügen die Modulzimmer dank großer Fenster über reichlich Tageslicht. Verschattet werden diese außen durch formschöne Sonnenschutzfinnen, die nicht nur das Raumklima verbessern, sondern auch die Fassade aufwerten.
Gallerie
Flexible Wohnform
Bei der Herberge im Londoner Stadtteil Borough handelt es sich um ein sogenanntes Apart-Hotel. Es eignet sich sowohl für Kurz-, als auch für Langzeitaufenthalte und soll für Touristen und Kurzzeitmieter gleichermaßen attraktiv sein. Den Gästen steht eine Küche in ihren Zimmern zur Verfügung. Alternativ können Sie in der Weinbar im Erdgeschoss speisen. Betrieben wird das Haus von Stow Projects, einem Startup, das sich mit flexiblen Wohn- und Arbeitstrends beschäftigt. Mit recycelten Schiffscontainern wurden bereits diverse Bauprojekte umgesetzt, darunter ein nahegelegenes Coworking Office.
Gelegen in der Lower Marsh Conservation Area, sticht der weiße Baukörper auffällig aus dem Bestand heraus, der zum Großteil aus kommerziellen Backsteinbauten des 19. Jahrhunderts besteht. Das Format des Containers gibt die Gliederung der Fassade in fünf Achsen und fünf Geschosse vor. Frontal betrachtet besteht die Straßenfassade aus einer nahezu vollverglasten Fläche. Auffällig sind die jeweils links und oberhalb der Fenster auskragenden Sonnenschutzelemente. Dass es sich bei dem Gebäude um gestapelte Schiffscontainer handelt, wird insbesondere bei der Annäherung entlang der Lower Marsh aus nördlicher Richtung ersichtlich. Von hier sind die typischen Außenwände der Container aus gefalzten Metallpanelen erkennbar, da das Gebäude seine Nachbarn in der Höhe um einige Meter überragt.
Modulbau mit externem Treppenhaus
Zwanzig Zimmer bietet das Hotel, die sich in jeweils einem Container der oberen vier Geschosse befinden. In den fünf Containern des Erdgeschosses ist neben der Weinbar der Empfang untergebracht. Die modulare Bauweise hat die Bauzeit enorm verkürzt. So konnten die Hotelzimmer bereits zuvor ausgebaut werden, um vor Ort lediglich gestapelt und durch das rückseitige, durch Stahlträger gestützte, offene Treppenhaus miteinander verbunden und an die Versorgungsleitungen angeschlossen zu werden. Diese wurden durch den ebenfalls extern liegenden Aufzugsschacht verlegt. Die Laubengänge vor den Zimmertüren können von den Bewohnern als Balkonflächen verwendet werden. Von hier ergeben sich weite Blicke über die Gleisanlage der Waterloo Station bis zu Sehenswürdigkeiten, wie dem Riesenrad „London Eye“.
Für den Ausbau der Zimmer wurden robuste Materialien wie Naturstein oder gebeiztes und unbehandeltes Sperrholz verwendet. Da die Container über eine Grundfläche von nur etwa zehn Quadratmetern verfügen, strebte das Planungsteam eine optimale Ausnutzung des zur Verfügung stehenden Raumes an. So nimmt etwa das Bett für zwei Personen das gesamte Ende des Raumes unterhalb des Fensters ein. Die Wände sind hier mit Polstern bestückt, sodass sich die Schlaf- auch als Sitzfläche verwenden lässt. Die Küche ist so kompakt, dass neben Waschbecken, Mikrowelle und Kochfeld sogar eine Spülmaschine Platz findet. Durch den geschickten Einsatz von Farbe, nämlich einer allmählichen Verdunklung der Farbpalette in Richtung des Fensters, soll ein besseres Raumgefühl erzeugt und ein Tunneleffekt der schmalen langen Zimmer vermieden werden.
Sonnenschutz: Stahlfinnen mit symbolischer Farbgebung
Die Straßenfassade des Hotels wird geprägt durch die markant auskragenden Lamellen, die als skulpturaler, geschweißter Stahlschirm seitlich und oberhalb jedes Fensters angebracht sind. Sie sind Teil des für das Hotel erstellten Nachhaltigkeitskonzepts, denn sie verschatten die Fensterflächen vor der hochstehenden Mittagssonne aus südlicher Richtung. Die Innenräume werden so vor übermäßiger Aufheizung geschützt. Auch verringern sie den Kühlungsbedarf während der Sommermonate erheblich, sodass trotz geringem Energieaufwand ein angenehmes Raumklima aufrechterhalten werden kann.
Der facettierte Sonnenschutz verändert das Erscheinungsbild des
Gebäudes je nach Blickwinkel. Die tief orangefarbene Innenseite der
Finnen verweist auf den Cortenstahl von Schiffscontainern. Die
Fenster zu jedem Zimmer bestehen aus einer fest installierten,
laminierten und doppelt verglasten Einheit. Sie sind mit einer
perforierten Folie beklebt, die den unteren Teil des Fensters für
mehr Privatsphäre im direkt dahinter liegenden Bett verdeckt.
-sr
Bautafel
Architektur: Doone Silver Kerr, London
Projektbeteiligte: CMT Construction, London (Bauausführung); Price & Myers, London / JMS Consulting Engineers, Brightwell (Tragwerksplanung); MLM Group, Leeds (Akustik); WSP, London (Brandschutz); Stroma Built Environment, Castleford (Umweltberatung)
Bauherrschaft: Stow Projects & Ciel Capital, London
Standort: 137 Lower Marsh, Bishop's, London SE1 7AE, Vereinigtes Königreich
Fertigstellung: 2020
Bildnachweis: Edmund Sumner, London
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