Sozialwohnhäuser in Nogent-le-Rotrou
Vorgefertigte Holzaußenwände mit Kerndämmung aus Stroh
Das Bauen mit Stroh ist bereits über 100 Jahre alt und tauchte erstmals Ende des 19. Jahrhunderts in Nebraska auf. Damals haben Wanderarbeiter aus Mangel an Holz Strohballen wie Backsteine zu einem Haus aufeinandergeschichtet. Diese lasttragende Bauweise wird, unter anderem aus baurechtlichen Gründen, heute selten verwendet. Üblicher ist heutzutage die Kombination Holzrahmenbau mit Strohdämmung. Auf diese Bauweise greift auch das Büro NZI Architectes aus Paris für 13 soziale Wohnbauten in Nogent-le-Rotrou zurück. Die französische Kleinstadt liegt 150 Kilometer westlich von Paris inmitten von landwirtschaftlichen Anbauflächen. Der Ort verfügt über eine breite Mischung an Architektur: vom mittelalterlichen Schloss bis zu Wohntürmen aus der Mitte des 20. Jahrhunderts – bis zu den nachhaltigen Neubauten.
Gallerie
Monotonie vermeiden
Die Baufläche von 1.100
Quadratmetern schließt direkt an einen Landschaftspark an. Deshalb
war es den Architekten Sandra de Giorgio und Gianluca Gaudenzi
wichtig, dass die Häuser keine blockartige Straßenfront bilden. Sie
setzen vielmehr auf Abwechslung: Die 13 traditionell gehaltenen
Baukörper mit Satteldächern gruppieren sich zu drei Blöcken mit
jeweils vier bis fünf Häusern. Der mittlere Block ist von der
Straße leicht zurück versetzt, während die beiden äußeren Gruppen
zueinander gespiegelt liegen. Innerhalb der Gruppierungen springen
die Häuser vor und zurück und auch ihre Traufhöhen unterscheiden
sich um einige Zentimeter. Durch den Versatz erhalten die einzelnen
Gebäude mehr Luft und Sonne und die Fußgänger werden eingeladen
zwischen den Häusern hindurch in den Park zu flanieren. Als
Fassadenmaterial kommen weiße Terrakottaplatten, Naturholz oder
geschwärzte Holzpaneele zum Einsatz. Zum Park schließen die Gärten
der Siedlung mit Holzzäunen ab.
Tiefe Laibungen und große Fenster
Das Innere der
Bauten ist schlicht, aber großzügig. Der Hauptraum nutzt die
doppelte Raumhöhe aus und wird von mehreren Seiten durch große
Fenster belichtet. Eines davon führt direkt in den Garten hinaus.
Ein Großteil der Fenster ist bodentief, segmentiert in einen zu
öffnenden oberen Teil und einen feststehenden unteren Teil, der zur
Brüstung wird. Auffallend sind die durch das besondere Dämmmaterial
bedingten tiefen Laibungen. Sie verleihen dem Raum eine gewisse
Behaglichkeit und Privatsphäre. Insgesamt bleiben
die Architekten dem Farbspektrum auch im Innenraum treu und
verwenden viel Weiß und braune Holztöne.
Nachhaltig Bauen: Holzrahmenbauweise mit
Strohdämmung
Durch die Bauweise mit den lokalen Materialien
Holz und Stroh erreicht das Architektenteam fast einen doppelt so
hohen Wärmedurchgangswiderstand als herkömmlich gedämmte Fassaden:
9 W/m²K anstatt 5 W/m²K. Die verwendeten Materialien sind günstig,
leicht verfügbar, und leicht –und konnten als große Elemente
vorfabriziert werden. So war es möglich, 70 Prozent der Bauarbeiten
bereits in der Fabrik auszuführen. In den Holzrahmen befindet sich
eine 36 cm dicke Schicht aus gepresstem Stroh. Verschlossen ist der
Holzrahmen mit Gipsfaserplatten zum Innenraum hin und Platten aus
Holzwolle auf Seite der hinterlüfteten Fassade.
Das niedrige Gewicht der vorfabrizierten Elemente erleichtert die Arbeit auch auf der Baustelle. Es wurde kein Baustellenkran benötigt und die Lärmemission war gering. Zudem verbindet die gewählte Bauweise lokales Handwerks mit einer industriellen Vorfertigung. Mit der bescheidenen Materialwahl und Fabrikationsweise konnten NZI Architectes den CO2-Fussabruck der Neubauten maßgeblich verkleinern. -sh
Bautafel
Architektur: NZI architectes, Paris
Projektbeteiligte: i+a laboratoire des structures, Paris (Tragwerksplanung); P.CE TECH, Saint Maurice (Gebäudetechnik)
Bauherr: Nogent Perche habitat, Nogent-le-Rotrou
Standort: 28 Rue Paul Langevin, 28400 Nogent-le-Rotrou, Frankreich
Fertigstellung: 2019
Bildnachweis: Juan Sepulveda Grazioli, Paris; NZI architectes, Paris
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