Theater in Gütersloh
White Cube aus 7.500 m³ Beton
Ganze 17 Jahre hat es gedauert, bis das Theater in Gütersloh fertiggestellt werden konnte. Jetzt bildet es zusammen mit der Stadthalle aus den 1970er Jahren, dem als Jugendcafé genutzten Wasserturm und dem neu gestalteten Theaterplatz die neue Mitte der westfälischen Gemeinde. Der Entwurf stammt vom Hamburger Architekturbüro PFP. Das Büro hatte bereits 1993 den zuvor ausgelobten Wettbewerb gewonnen; aus politischen und wirtschaftlichen Vorbehalten verzögerte sich der Baubeginn jedoch bis zum Jahr 2008.
Gallerie
Außen und innen komplett in Weiß gestaltet, haben die Architekten eine in der Theaterarchitektur eher ungewöhnliche Raumlösung gewählt indem sie die Funktionsbereiche vertikal schichten. Neben dem großen Saal, der Platz für 534 Zuschauer bietet, gibt es eine Studio- und eine Hinterbühne, fünfgeschossig bespielbare Foyerterrassen und eine Skylobby mit Blick über die Stadt. Nach außen ist der White Cube, wie die Architekten den Bau nennen, auf drei Seiten geschlossen. Seitlich ragen zwei den Maßstab sprengende, ebenfalls kubische Baukörper, weit in den Stadtraum hinein: die Studiobühne um zehn Meter, die Hinterbühne um fünf. Im Kontrast dazu ist die zum Theaterplatz gerichtete Fassade vollständig verglast. Bei abendlicher Beleuchtung zeichnen sich hinter ihr der scheinbar schwebende Theatersaal und die gewaltige, geschwungene Spiraltreppe ab. Insgesamt 1.000 m² misst der gläsere Vorhang: 43 Meter in der Breite und 24 Meter in der Höhe. Genauso hoch ist auch der offene Luftraum zwischen den Raumkuben, die sich über fünf Geschosse verteilen.
Nahezu dramatisch ist die Erschließung inszeniert. Nach dem Betreten des Gebäudes werden die Besucher über eine gerade Treppe mit ausnahmsweise schwarz mattierten Wangen auf die Saalebene mit beidseitigem Zugang geführt. Im Saal ist plötzlich alles schwarz. Nachdem sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, leuchten die rot bezogenen Sessel der steil ansteigenden Ränge umso stärker daraus hervor. Von der letzten Sitzreihe bis zur Bühne beträgt der Abstand nur 25 Meter, so dass auch von hier eine gute Sicht auf das Geschehen gewährleistet ist.
Der weitere Weg zum Rang, zur Studiobühne und zur letzten
fünften Ebene führt über eine nach oben breiter werdende
Spiraltreppe. Mit ihren geschlossenen Wangen aus weißen
Stahlbetonfertigteilen steht sie im totalen Kontrast zum schwarzen
Theatersaal und der Studiobühne. Um mögliche Schwingungen zu
verhindern, wurde sie nicht nur an den Geschossebene befestigt,
sondern zusätzlich an einer 22 Meter hohen Betonstütze aus
Schleuderbeton verankert. Am Ende der Wendeltreppe befindet sich
die Skylobby. Von hier bietet sich den Besuchern ein freier Blick
bis hin zum Teutoburger Wald. Zusätzliches Tageslicht erhält der
Raum durch runde Oberlichter. Abends werden sie seitlich
beleuchtet, so dass der Eindruck überdimensionaler Scheinwerfer
entsteht. Zwischen den kreisrunden Ausschnitten in der Rohdecke und
der abgehängten Leichtbaudecke sind sie von einem Korsett aus
Metallprofilen eingefasst, das sich in Kegelform nach oben
verjüngt. Das Dach selbst ist eine leichte Stahlkonstruktion mit
Trapezeindeckung.
Beton
Der fünfgeschossige, 52 m lange und 49 m breite
Theaterbau ist in massiver Stahlbetonskelettbauweise errichtet. Für
die Stabilität sorgt das Zusammenwirken von horizontalen
Deckenscheiben mit vertikalen Wandscheiben, z.B. des
Treppenhauses und der Aufzugskerne. Da das Bauwerk statisch kompakt
ist, konnte auf Bauwerksfugen verzichtet werden. Statisches Zentrum
des Gebäudes ist der Bühnenturm. An seiner Vorderseite ist der
große Theatersaal angehängt, an den seitlich die auskragende
Studiobühne andockt. Ein Teil der Last wird von zwei Paaren aus
jeweils drei Schrägstützen aufgenommen. Sie stützen den Theatersaal
an seiner schräg ansteigenden Unterseite. Sie sind aus
Schleuderbeton hergestellt, ihr Durchmesser beträgt 45 cm, die
Betongüte C 40/50. Pro Stück können sie eine Last von 3.700 kN
aufnehmen. Den Großteil der Last aus dem Theatersaal übernehmen
jedoch die 40 cm dicken Seitenwände. Die 20 cm dicke Decke über dem
Saal wird von 30 t schweren Fertigteil-Querträgern getragen.
Die Lasten des Bauwerks werden über Flachgründungen in den Baugrund abgeleitet: die Wandlasten über Streifenfundamente aus C 35/37 – 35/45 und elastisch gebettete Sohlplatten, die Stützenlasten über Einzelfundamente. Die Bodenplatte ist 20 cm stark. Die tragenden Außenwände wurden aus Ortbeton in Dicken zwischen 30 und 40 cm hergestellt, die tragenden Innenwände aus Ortbeton in Dicken zwischen 25 und 40 cm. Die Innenstützen weisen Querschnitte von 40/40 cm bzw. 40/50 cm auf. Die verwendete Wandschalung kam bis in 23 m Höhe auch als Kletterschalung zum Einsatz, wobei ein Klettertrakt 4,20 m hoch war.
Aufgrund der großen Spannweiten der Decke über dem
Zuschauerbereich wurde diese als Stahlbetonfertigteilkonstruktion
mit Ortbetonergänzungen ausgeführt. Die Deckenstärke beträgt 20 cm,
die Unterzüge haben Abmessungen von 70 x 100 cm. Insgesamt wurden
7.500 m³ Beton und 740 Tonnen Stahl verarbeitet. Die
Betonoberflächen wurden verputzt und anschließend fein
gespachtelt.
Bautafel
Architekten: PFP Architekten, Hamburg-Genua/Prof. Jörg Friedrich
Projektbeteiligte: Oehme & Partner, Bielefeld (Bauleitung); Prinz & Pott, Bielefeld (Statik); Fechtelkord & Eggersmann, Marienfeld (Beton- und Rohbauarbeiten); Paschal-Werk G. Maier, Steinach (Fundament-, Wand- und Kletterschalung); Hensdiek, Gütersloh (Malerarbeiten); Knauf, Iphofen (Innenputz, Lochplatten); Trockenbau München, Puchheim (Ausführung Trockenbau)
Bauherr: Stadt Gütersloh
Standort: Barkeystraße 15, 33330 Gütersloh
Fertigstellung: 2010
Bildnachweis: Klaus Frahm, Börnsen und Paschal-Werk G. Maier, Steinach
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