Museum Bourse de Commerce in Paris
Kreis im Kreis
Die Erinnerungen, die den Wänden eingeschrieben sind, bewahren – und gleichzeitig eine neue Struktur nach dem Prinzip einer Matrjoschka einbringen: Dieser Idee folgte Tadao Ando bei seinem Entwurf für die Pinault Collection in der Bourse de Commerce in Paris. Im Mittelpunkt stand dabei die Figur des Kreises, die den Zentralbau zwischen Louvre und Centre Georges Pompidou seit jeher prägt.
Gallerie
Das denkmalgeschützte Gebäude wurde im 18. Jahrhundert als ringförmige Getreidehalle errichtet, wenige Jahrzehnte später überdachte man den zentralen Bereich mit einer Kuppel. Nach einem Jahrhundert wurde das Bauwerk erneut umgebaut und diente als Sitz der Börse von Paris, danach residierte dort die städtische Handelskammer. Vor einigen Jahren hat die Stadt Paris das ikonische Gebäude gekauft und in Erbpacht dem Kunstsammler François Pinault beziehungsweise der Pinault Collection überlassen.
Ruhige Mitte
Vor dem Einzug ließ dieser das denkmalgeschützte Gebäude inklusive monumentalem 360-Grad-Gemälde im unteren Bereich der Kuppel instand setzen, restaurieren und für die Nutzung als Ausstellungsbau transformieren. Neben Tadao Ando waren an Entwurf und Planung das ortsansässige Büro NEM Niney et Marca Architectes sowie – als verantwortlicher Architekt für die denkmalgerechte Sanierung – Pierre-Antoine Gatier beteiligt.
Markantes Merkmal der neuen Nutzung ist ein Zylinder aus
Sichtbeton im Zentrum des Gebäudes. Dieser
schafft in dem imposanten Bestandsbau einen ruhigen und leeren
Raum, der die Präsentation und das Erleben von Kunstwerken
ermöglicht. Dem Grundriss ist der Körper als konzentrischer Kreis
eingeschrieben – ein Sinnbild von Konzentration und
Verinnerlichung.
Verweben von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
Gleichzeitig entstehen durch den Neubau unter der Kuppel neue räumliche Zusammenhänge: Die Fassade des Denkmals, die aufgrund der ursprünglichen Konzeption ohnehin wie eine Außenwand wirkt, wird Teil eines gebogenen Erschließungsweges und erinnert dadurch an eine städtische Gasse. Von dort aus führen am Zylinder entlang Treppen nach unten zu einem Auditorium und nach oben in ein Halbgeschoss und das darüber liegende Obergeschoss des Bestandes. Die dort untergebrachten Ausstellungsräume sind über Stege mit dem Zylinder und der umlaufenden Erschließung verbunden.
Während der eingestellte Zylinder den Kontrast zwischen Alt und Neu inszeniert, wurden die Räume des Bestandes durch weiße Bekleidungen, abgehängte Decken und entsprechende Beleuchtungs- und Verdunklungstechnik in „White Cubes“ verwandelt, die allerdings nicht nur von den Kunstwerken, sondern auch durch ausgesuchte Möblierung und Ausstattungselemente – nach Entwürfen der Brüder Bouroullec – belebt werden. Die Handschrift der Designer findet sich auch im Restaurant, das im obersten Geschoss des Bestandes untergebracht ist.
Beton: Makellose Hülle
Tadao Ando hat an den Baustoff
Beton bekanntermaßen hohe Ansprüche – beim Umbau der Bourse de
Commerce wurde entsprechend alles getan, um die gewünschte
Sichtbetonqualität zu erreichen. Der Zylinder hat einen Durchmesser
von 30 Meter und ist neun Meter hoch, die Wand hat eine Stärke von
50 Zentimetern. Davon sind allerdings nur jeweils die 12 Zentimeter
dicken Randbereiche in bewehrtem Beton ausgeführt: Den Kern bildet
eine 26 Zentimeter breite tragende Struktur aus Metall, die
gleichzeitig als Verdrängungskörper wirkt. Diese hybride
Konstruktion wurde unter anderem gewählt, um einen möglichen
Rückbau des Zylinders im Denkmal zu ermöglichen.
Ankerlöcher als Erkennungszeichen
Selbstverständlich trägt der Beton die Signatur des Meisters: In der Form liegender Schalhautformate, die durch ihre Größe und ihr Seitenverhältnis an japanische Tatamimatten erinnern, und der regelmäßig angeordneten Ankerlöcher, die in ihrer Zahl über die technisch notwendigen Ankerstellen hinausgehen. Tatsächlich ist bei Sichtbetonbauten in Japan generell eine größere Zahl an Schalungsankern üblich, vor allem, da dort bevorzugt mit selbstverdichtendem Beton und Trägerwandschalungen gearbeitet wird.
Selbstverdichtender Beton nach ausgetüftelter
Rezeptur
Auch der Beton für den Zylinder in der Bourse de
Commerce ist selbstverdichtend. Die spezielle Rezeptur wurde in
enger Zusammenarbeit zwischen Beton- und Zementhersteller
entwickelt. Ziel war eine glatte, homogene und farblich
einheitliche Oberfläche ohne Spuren des Herstellungsprozesses. Um
die hohe Qualität zu gewährleisten, wurde der Beton jeweils zweimal
geprüft: nach der Herstellung im Transportbetonwerk und vor dem
Einbau auf der Baustelle. Dabei wurde die Konsistenz durch einen
Ausbreitversuch zur Ermittlung des Setzfließmaßes
ermittelt, die Viskosität mithilfe eines Auslauftrichterversuchs
zum Bestimmen der Auslaufzeit überprüft und die
Sedimentationsstabilität mit einem Siebversuch zur
Entmischungsneigung festgestellt. Ein Video zum Einbau des Betons
zeigt die Entstehung des Zylinders im Zeitraffer (siehe
Surftipps). -chi
Bautafel
Architektur: Tadao Ando Architect & Associates (TAAA), Osaka; NeM Niney et Marca Architectes, Paris; Pierre-Antoine Gatier, Paris (Restaurierung)
Projektbeteiligte: Setec Bâtiment (Tragwerksplanung); Unibeton, Paris (Transportbeton, Betontechnologie); Ciments Calcia, Guerville (Zementhersteller); Bouygues, Paris (Generalunternehmen); CCS, Mondeville (Metallstruktur); Tradifer 77, Serris (Schlosser); MS Dallage, Champigny-sur-Marne (Bodenbelag); Ronan and Erwan Bouroullec, Paris (Möblierung Ausstellungsräume und Restaurant)
Bauherrschaft: Pinault Collection
Standort: 2 Rue de Viarmes, Paris
Fertigstellung: 2020
Bildnachweis: Bourse de Commerce – Pinault Collection / Tadao Ando Architect & Associates, Niney et Marca Architectes, Agence Pierre-Antoine Gatier / Studio Bouroullec; Fotos: Vladimir Partalo, Patrick Tourneboeuf, Maxime Tétard, Marc Domage
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