Erinnern Sie sich noch? Während der ungewissen Phasen der
Pandemie wurden viele Veranstaltungen ins Freie verlegt. Die 3.000
Menschen von Umhausen waren daher vermutlich froh, als im Juni 2021
ihr neuer Musikpavillon eröffnet wurde. In der vom Architekten
Armin Neurauter entworfenen Anlage konnten Freimessen, Kommunions-
und Firmungsfeiern sowie Konzerte und Theateraufführung an der
frischen Luft stattfinden.
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Zwischen Musik und Bachgeräuschen
Umhausen im Tiroler Ötztal ist umgeben von Bergen. Durch das
Örtchen fließt auch der Horlachbach. Nicht weit von dessen
Nordufer, eingerahmt von Bäumen wurde in den 1970er-Jahren ein
Musikpavillon gebaut: ein leicht erhöhter Bühnensockel, weiß
verputzte Flächen, hier und da graue Bossensteine. Der Bau war
kompakt, allerdings war es zwischen den U-förmigen Wänden und der
sich nach hinten absenkenden Deckenverkleidung auch sehr eng. Zu
eng, fand die Musikkapelle, die hier ihre sommerlichen Konzerte
aufführte. Außerdem öffnete sich der Pavillon nach Osten, sodass
sich einige von den Geräuschen des Baches gestört fühlten. Andere
im Ort wünschten sich einfach einen imposanteren Bühnenbau.
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Abbild des Berges
2018 lobte die Gemeinde einen Entwurfswettbewerb für einen neuen
Pavillon aus. Dem Ausschreibungstext gemäß sollte der neue
Musikpavillon in der Dorfmitte errichtet werden. Dagegen
protestierten jedoch einige Anwohner*innen und
Gemeinderatsmitglieder. Der Bürgermeister stand hinter dem Projekt,
jedoch wurde der Bauplatz an den alten Standort verlegt und Armin
Neurauter mit der Planung beauftragt.
„Welche Oberfläche passt zu diesem Ort?“, fragte sich der
Architekt. Zur Gemeinde gehört auch der Strahlkogel, ein Berg mit
deutlich ablesbaren, zum Teil quarzhaltigen Gesteinseinschichten.
Von seinen Sedimenten inspiriert, begann sich der Architekt für
Stampfbeton zu interessieren. Schichtweise eingebracht ließ sich
damit ein ähnliches Bild wie an den Bergwänden erzeugen.
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Luftiger Bühnenraum
Der Neubau kehrt dem Bach den Rücken zu. Eine langgezogene
Rückwand und zwei seitliche Gebäudeflügel spannen den 23 Meter
breiten Bühnenraum auf. Ihn überspannt eine auf Stützen über der
Rückwand schwebende, geradezu filigrane Deckenplatte. An der
Ostseite durchstößt eine Linde den Lärchenholzboden der Bühne und
kann durch ein Deckenloch weiterwachsen. Daneben befindet sich der
kleinere der beiden Seitenflügel, der einen Zapftresen beherbergt.
Der größere Westflügel, auf dem auch das Dach aufliegt, verfügt
durch das vom Bachufer weg ansteigende Gelände sogar über mehrere
Geschosse. Unten werden Stühle und Notenständer gelagert, ganz oben
ist der Arbeitsplatz für die Ton- und Lichttechnik. Auf Höhe der
Wiese gibt es außerdem barrierefreie Toiletten.
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Materialsparend im Außenraum
Bis zu 200 Gäste finden auf den Holzbänken Platz, deren
Metallgestelle auf Streifenfundamenten in der sanft ansteigenden
Wiese montiert sind. So können sie im Winter abgeschraubt und
eingelagert werden. Die Verlagerung des Publikums nach draußen
brachte viele weitere Vorteile mit sich: Zum Beispiel musste der
Architekt nicht auf die bei Veranstaltungssälen üblichen, strengen
Bestimmungen zu Brandschutz und Fluchtwegen achten. Bei dem
offenen, unbeheizten Pavillon war außerdem kein Wärmeschutz nötig.
Da die Dämmschichten überflüssig waren, blieben die massiven
Betonwände mit ihrer Schichtung sichtbar.
Zwei Kniffe waren jedoch nötig, um den Stampfbeton vor
Wettereinflüssen zu schützen. Großzügige Dachüberstände und eine
Deckschicht aus Stahlbeton mit einem Blech darunter schützen die
oberen Bereiche der Wände. Zur Entwässerung läuft der Regen
vom Hauptdach über einen Speier auf das Nebendach und dann über ein
Fallrohr ab.
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Beton: offenporig und feuchtebeständig
Die Zusammensetzung des Stampfbetons wurde anhand mehrerer
Druckproben bestimmt. Die offenporige Masse ist auch akustisch
wirksam, da die Oberfläche tiefe Töne schluckt. Bei der Suche nach
der passenden Sieblinie arbeitete das Architekturbüro mit einer
Baufirma zusammen, die über ein eigenes Betonwerk verfügt. Die
Festigkeit beträgt 8,5 kN/mm2 und entspricht somit der
eines Ziegels.
Tatsächlich ist der verwendete Beton so offenporig wie ein
Schwamm. Feuchtigkeit kann tief in ihn eindringen. Entsprechend der
Lage der Wände in und im Erdreich unweit des Baches wurde die
Expositionsklasse XC 2 festgelegt. Die
Feuchtigkeit im Beton ist natürlich ein Problem für konventionelle
Stahlbewehrungen. Die 40 cm dicken Stampfbetonwände des
Musikpavillons sind überwiegend unbewehrt, mit Ausnahme der Stürze.
Hier kam aufgrund der Korrosionsgefahr Edelstahl zum
Einsatz.
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Die Gesteinskörnung aus Bruch, Splitt und Kies bindet
ein Portlandkompositzement des Typs CEM II 42,5. Um die
Schichtung noch eindrücklicher zu machen, ließ der Architekt
Farbpigmente beimischen. Anfangs waren es ganze 3 kg/m³, am Ende
nur noch 0,5 oder 0,3 kg/m³. Auch hier waren mehrere Versuche
nötig, bis die Farbigkeit des Stampfbetons auf die
Gesteinsschichten des Berges abgestimmt war.
Die Schichten sind unterschiedlich hoch: 30, 45 und 60 cm. Um
Versatz und andere optische Unregelmäßigkeiten zu verhindern, wurde
jede Schicht bemaßt und mit einer Farbnummer versehen. Bei der
Baufirma herrschte Skepsis, ob die Arbeiten in der anberaumten Zeit
durchgeführt werden konnten. Der Beton wurde schließlich einmal in
der Früh und einmal am Abend in die Aluschalung gegeben und jeweils
mit einem selbstgeschweißten Handstampfer verdichtet.
-ml
Bautafel
Architektur: Armin Neurauter, Innsbruck Projektbeteiligte: Aste Weisseiner, Innsbruck (Tragwerksplanung); AVT, Imst (Vermessung); Haslinger & Gstrein, Innsbruck (Elektroplanung); Stark Ingenieurbüro, Ried (Lichtplanung); Quiring Consultants, Aldrans (Akustikplanung); Bauunternehmen Bauer, Umhausen (Baufirma); Bacher Glas, Längenfeld (Glaserarbeiten); Ingenieure Maurer Wallnöfer, Ötztal-Bahnhof (Holzbauarbeiten); Praxmarer, Umhausen (Schlosserarbeiten); M. Schrott, Umhausen (HSL-Arbeiten); FS Sandstrahltechnik Frischmann, Umhausen (Epoxid-Bodenbeschichtung) Bauherrin: Gemeinde Umhausen Standort: Löde 1, 6441 Umhausen, Österreich Fertigstellung: 2021 Bildnachweis: Günter Richard Wett (Fotos); Architekt Armin Neurauter ZT (Pläne und Baustellenfotos)
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