75 Jahre nach dem Tod von Josef Mašín und fast 30 Jahre nach dem
Fall des kommunistischen Regimes, erhielt Zdeňka Mašínová den
Bauernhof ihres Vaters in Lošany zurück. Noch im selben Jahr
gründete sie einen Verein, um auf dem Areal in der Mitte
Tschechiens eine Gedenkstätte einzurichten für die Three
Resistance Movements (Drei Widerstandsbewegungen). Das
Architekturbüro IXA kümmerte sich um die Herrichtung des
Gebäudeensembles, das seit 2022 wieder besucht werden kann.
Gallerie
Dreimal Widerstand
Der 1942 hingerichtete Offizier Josef Mašín war Teil des
tschechoslowakischen Widerstandes gegen den Nationalsozialismus.
Nach dem Zweiten Weltkrieg verübten seine Söhne Ctirad und Josef
Anschläge gegen das kommunistische Regime, bevor sie 1953
schließlich ins Ausland flüchteten. Auf den Spuren der Familie
wandelnd, sollen die Besucher*innen etwas über die Geschichte der
Tschechoslowakei und der Tschechischen Republik lernen. Dort ist
der Gedenkort bekannt als Mašínův statek (Der Bauernhof
von Mašín). Der englische Name bezieht sich auf die drei
Widerstandsbewegungen gegen die Habsburgermonarchie, den
Nationalsozialismus und den Kommunismus.
Gallerie
Rund eine Zug- oder Autostunde östlich von Prag, nicht weit von
Kolín, da liegt Lošany. Das Dorf ist umgeben von Feldern und wird
von einer kurvigen Landstraße durchschnitten, an der auch der Hof
der Familie Mašín liegt. Heute stehen dort noch ein langgestrecktes
Gebäude mit Satteldach und eine kleine Ruine – ein ungleiches Paar.
Von der Straße kommend, wird das Gelände durch ein steinernes Tor
betreten. Dahinter bildet die L-förmige Anlage die Kulisse für
einen Schotterplatz und eine große Wiese. Hier können sich größere
Gruppen von Besucher*innen einfinden und Veranstaltungen zur
Geschichte des Widerstands stattfinden. In der Ecke zwischen beiden
Gebäuden wachsen ein paar Bäume mit niedrigen, buschigen
Kronen.
Gallerie
Ausstellung im Wirtschaftsgebäude
Das in Nord-Süd-Richtung stehende, lange Wirtschaftsgebäude war
1904 zu einem Stall umgebaut und später als Traktorstation für die
örtliche Kolchose genutzt worden. Nun beherbergt das Erdgeschoss
neben einem Empfangsbereich und Sanitärräumen vor allem eine
Ausstellung zur Geschichte des Hofes, der Familie Mašín und der
drei Widerstandsbewegungen.
In den Räumen sind noch die ursprünglichen braunschwarzen
Deckenbalken sichtbar, zwischen denen Holzwolle-Leichtbauplatten
eingesetzt wurden. Die grauen, körnig wirkenden Wandoberflächen
kontrastieren mit den schwarzen Tafeln und Vorbauten für Grafiken,
Texte, Bildschirme und Schaukästen. In einem etwas dunkleren Grau
erscheint der homogene neue Estrichboden. Der ehemalige
Getreidespeicher über den Ausstellungsräumen ist nur in besonderen
Fällen zugänglich. Zusammen mit dem Stall und dem Heuboden im
Nordteil des Gebäudes soll er Gegenstand der letzten Umbauphase
sein.
Gallerie
Gedenken im Wohngebäude
Das beeindruckendste Ausstellungsstück ist sicherlich das
ehemalige Wohngebäude des Hofs. Sonderbar wirkt die dicke graue
Masse, einerseits archaisch und schroff und doch irgendwie weich.
Ihre Kanten sind abgerundet, die großporigen Oberflächen
unregelmäßig, wie von sanften Wogen durchzogen. Etwas Rasen und das
Herumführen des Schotterplatzes rücken die Ruine in den Mittelpunkt
des Gedenkortes. Ein aus der Masse hervorwachsendes Portal lässt
ins dunkle Innere blicken.
Dort stehen die Besucher*innen zuerst in einem flachen, von
gemauertem Gewölbe überspannten Raum, wo in zwei gegenüberliegenden
Nischen ein Brief von Josef Mašín zu lesen ist. Mit ihm
verabschiedete er sich von seiner Frau und seinen Kindern. Im
zweiten Raum durchstechen drei Oberlichter – sogenannte
Lichtkamine – in den Nationalfarben Rot, Blau und Weiß die
Gewölbedecke. Sie lassen Sonnenlicht in die Finsternis und stehen
für die drei Widerstandsbewegungen. Danach treten die
Besucher*innen ins Freie. Der nicht überdachte, letzte Raum soll
ein Ort der Besinnung sein. Hier wächst ein Maulbeerbaum, der
zugleich die Familie Mašín sowie Freiheit und Hoffnung
symbolisiert. Dieser wächst nun allmählich aus der Ruine und über
den Horizont der Gedenkstätte hinaus.
Gallerie
Beton: schützende Schicht
Als die Architekt*innen das Gelände begutachteten, fanden sie
das Wohnhaus in einem schlechten Zustand vor: Das Dach war an
einigen Stellen eingeknickt, Ziegel hatten sich gelöst und Risse
durchzogen die Außenmauern. Im Zuge des Umbaus wurden die Fenster
und Türen sowie der Dachstuhl und die Balkendecke entfernt. Bleiben
durften die bauzeitlichen Gewölbe im Erdgeschoss. Schließlich stand
das nackte Gemäuer da.
Einige der Öffnungen wurden zugemauert, die Gewölbedecken mit
einer Schicht Stahlbeton überzogen. Außerdem wurde am
westlichen, zum Ausstellungshaus gerichteten Giebel ein neuer
Haupteingang aus dem Mauerwerk gestemmt. Gegen die Außenwände
stellten die Bauarbeiter*innen große Stahlgitter, die dem sodann
aufgetragenen Spritzbeton Halt gaben. Auf diese Weise erhielt
der Bau seine anders anmutenden Oberflächen. Der Beton hat dabei
gleichermaßen eine schützende und stabilisierende Funktion für die
alten Mauerwerkswände – die Ruine wurde quasi konserviert.
Gallerie
Inspirieren ließen sich das IXA-Team von der Künstlerin Rachel
Whiteread, die bekannt ist für ihre monochromen, homogen wirkenden
Beton- und Gipsskulpturen, für die sie etwa das leere Innere von
Gartenschuppen ausgießt – ein Prozess, den sie mal als
Mumifizierung bezeichnet haben soll. In Lošany gingen die
Architekt*innen etwas anders vor. Sie schufen ihre Skulptur nicht
durch Abgießen, sondern durch das Beschichten des Vorhandenen. Dem
zum Denkmal gewordenen Wohnhaus fehlen die scharfen Kanten und
Details von Whitereads Häuschen- und Möbelabdrücken. Stattdessen
erinnert es eher an die von Asche bedeckten Menschen Pompeiis. Es
zeichnen sich die einstigen Öffnungen und Brüche ab in der lebendig
changierenden Oberfläche des Spritzbetons. -ml
Bautafel
Architektur Umbau und Instandsetzung: IXA Studio, Prag Projektbeteiligte: PROSTAV, Pňov-Předhradí (Bauarbeiten); Podzemní stavby Brno (Spritzbeton); Jiří Sušický (Zimmer- und Schreinerarbeiten); Jakub Kratochvíl (Außenraumgestaltung); SIGNUM 1995 (Ausstellungsgestaltung); st.dio (Multimedia-Einrichtungen); Etna iGuzzini (Licht) Bauherr*in: Zdeňka Mašínová, Mašínův statek – památník tří odbojů Fertigstellung: 2022 Standort: Lošany 1, 28002 Lošany Bildnachweis: Benedikt Markel (Fotos); IXA Studio (Pläne)
Fachwissen zum Thema
Bewehrung
Aufgaben der Bewehrung
Die Bewehrung sorgt dafür, das Betonbauteile nicht nur Druck-, sondern auch Zugkräfte aufnehmen können.
Instandsetzung
Mängelbeseitigung durch Spritzbeton
Mit der Spritzdüse lassen sich Bauteile verstärken und Betondeckungen wiederherstellen.
BauNetz Wissen Beton sponsored by: Deutsche Zement- und Betonindustrie vertreten durch das InformationsZentrum Beton | Kontakt 0211 / 28048–1 | www.beton.org