_Beton
Museum Hölderlinhaus in Lauffen am Neckar
Dienendes Beiwerk
Noch vor wenigen Jahren dämmerte das sogenannte Hölderlinhaus in Lauffen am Neckar im Dornröschenschlaf. Nun, zum 250. Geburtstag des Lyrikers, erfuhr das denkmalgeschützte Bauwerk, das nur etwa 20 Kilometer nördlich des Schiller-Nationalmuseums in Marbach liegt, eine Generalüberholung und eine Umgestaltung zum Museum. Nach der Fertigstellung erlaubt das Haus, in dem Friedrich Hölderlin die ersten Jahre seiner Kindheit verbrachte, einen Einblick in das Leben und Wirken des Schriftstellers.
Gallerie
Am Anfang des Umbaus erfolgte eine Analyse des Bestands und die Auslotung der Instandsetzung. Diese Aufgabe übernahmen strebewerk Architekten zusammen mit der Restauratorin Julia Feldtkeller und den Tragwerkplanern vom ingenieurbüro grau. Ziel der Entwurfsplanung mit vorhergehender Bauaufnahme war, möglichst viel der originalen Bausubstanz zu erhalten und wiederherzustellen sowie die zeitlichen Schichten stellenweise offenzulegen. Anschließend übernahm das Büro von M das Projekt und widmete sich neben der Ausführungsplanung zur Sanierung des Bestandshauses auch dem Entwurf der baulichen Ergänzungen und des Ausstellungskonzeptes.
Ensemble aus Alt und Neu
Die Erweiterungsbauten grenzen sich gestalterisch klar vom Bestand
ab, schließen jedoch direkt an diesen an. Zur Straße hin ist ein
eingeschossiges Technikgebäude orientiert. Dieses ist etwas
niedriger ausgeführt als die zuvor hier platzierte Doppelgarage,
die im letzten Jahrhundert an das Haus herangewachsen war. Dahinter
öffnet sich der Hof, um den sich eine alte Bruchsteinmauer, die
Scheune des Bestandsgebäudes sowie ein weiterer Neubau mit einem
multifunktional nutzbaren Saal gruppieren. Mit Letzterem
verschmolzen ist das neue zweigeschossige Treppenhaus, das als
Gelenk Saal und Scheune verbindet.
Scheune als zentraler Raum
Die Besuchenden betreten das Museum entweder über die ehemalige
Zufahrt und den Hof oder barrierefrei über Rampen, die auf der
Ostseite des Gebäudes bis zum neuen Treppenhaus führen. Die
ehemalige Haustür ist nur noch Notausgang. Kasse, Shop und
Garderobe befinden sich in der einstigen Scheune, die WC-Anlagen
sind im Untergeschoss unter dem neuen Saal untergebracht. In der
Scheune, die ohne Geschossdecken bis zum Dach erlebbar ist,
überbrücken im ersten und zweiten Obergeschoss Stahlstege den
Bereich zwischen Treppenhaus und ehemaligen Wohngebäude. Im
Luftraum schweben leuchtende Hölderlin-Wortschöpfungen, die diesen
zentralen Bereich des Museums poetisch aufladen.
Beton: Zur Straße hin kanneliert
Als Material für die Erweiterungsbauten wählte das Planungsteam
Sichtbeton,
um den Unterschied zwischen Alt und Neu deutlich hervortreten zu
lassen. Die Fassade des Technikgebäudes zeigt sich zur Straße hin
mit einer vertikalen Struktur, die laut von M dazu dienen soll, die
durch den nahen Verkehr anfallende Verschmutzung in den
Vertiefungen zu kaschieren.
Beengte Baustelle
Der Saal für Wechselausstellungen
und Veranstaltungen liegt zwischen dem Hang und den
denkmalgeschützen Bauwerken des Hölderlinhauses sowie der ehemalige
Klostermauer. Der Raum für die Baustelle war dadurch stark
eingeschränkt. Eine besondere Herausforderung war das bei der
Betonage, da teilweise nur ein schmaler Spalt für die
Schalungsmontage blieb.
Zum Hof hin wurde die Betonfassade des Saals mit Schaltafeln in liegenden Formaten geschalt. Durch die gefasten Längsseiten dieser Elemente sind nach dem Ausschalen erhabene horizontale Linien entstanden, die die Fassade strukturieren. Das neue Treppenhaus bildet mit dem Saal eine gestalterische Einheit und schreibt gleichzeitig die Kubatur der angrenzenden Scheune fort. Auf die unregelmäßige Anschlusswand des Bestandes reagiert der Neubau, indem er dessen Linie folgt und sich mit ihm verzahnt.
Im Inneren des Treppenhauses zeigen die Wände die Struktur verschiedener schmaler, hochformatig ausgerichteter Rahmenschalungen, die passend miteinander kombiniert wurden. Neben den Sichtbetonflächen prägen den Neubau Handläufe und Absturzsicherungen aus schwarzem Metall.
Schutz gegen eindringendes Wasser
Nach Norden hin grenzen Saal und Treppenhaus direkt an den Hang,
sodass hier auch im Wandbereich wasserundurchlässiger Beton
(WU-Beton) verbaut wurde. Da aufgrund der nahen Flüsse Neckar und
Zaber mit Überflutungen bis zur Untergeschossdecke gerechnet wird,
verzichtete man in den entsprechenden Zonen komplett auf
Bekleidungen und Bodenbeläge, um den Beton gegebenenfalls
unkompliziert instandsetzen zu können. Zum alten Gewölbekeller im
Untergeschoss hin wurde eine spezielle Hochwassertür installiert,
die den Neubau vor eindringendem Wasser schützt.
-chi
Bautafel
Architektur: VON M, Stuttgart
Projektbeteiligte: strebewerk. Architekten, Stuttgart (Bauaufnahme, Planung Bestand LP 1 bis 3); Julia Feldtkeller, Tübingen (Kunsthistorikerin/Restauratorin); ingenieurbüro grau, Bietigheim-Bissingen (Tragwerksplanung Bestand); Geiger Ingenieursgesellschaft, Bietigheim-Bissingen (Tragwerksplanung Neubau); ZB Zimmermann und Becker, Heilbronn (HLS-Planung); Kurz + Fischer, Winnenden (Bauphysik); Hannes Hörr Landschaftsarchitektur, Stuttgart (Landschaftsarchitektur); Ralf Kludt Sachverständige & Ingenieure für vorbeugenden Brandschutz, Stuttgart (Brandschutzplanung); August Wolfsholz Ingenieurbau, Leonberg (Spezialtiefbau); Jörg Heizmann Bauunternehmung, Osterburken (Bauunternehmung)
Bauherr/in: Stadt Lauffen am Neckar
Standort: Nordheimer Straße 5, 74348 Lauffen am Neckar
Fertigstellung: 2020
Bildnachweis: VON M / Zooey Braun, Stuttgart
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