Mucem in Marseille
Filigranes Gitterwerk aus Ultra-Hochleistungsbeton
Im südfranzösischen Marseille hat die Ernennung zur Europäischen
Kulturhauptstadt
eine Menge baulicher Veränderungen mit sich gebracht. Vor allem im
Alten Hafen, dem kulturellen und touristischen Zentrum der Stadt,
ist viel passiert. Neben der Erweiterung der Fußgängerzone und dem
Abriss alter Bootshäuser entstanden hier unter anderem der
verspiegelte Pavillon von Foster + Partners und die Villa
Méditerranée vom Mailänder Studio Stefano Boeri. Direkt daneben
markiert ein quaderförmiger Bau mit netzartiger Betonhülle die
äußerste Spitze des Hafenareals. Es handelt sich um das
Mucem (Musée des civilisations de l´Europe et de la
Méditerranée), geplant vom französischen Architekten Rudy Ricciotti
aus Bandol.
Gallerie
Auf einer quadratischen Grundfläche von 72 x 72 Metern erhebt sich das Gebäude 19 Meter in die Höhe. Nach dem Haus-im-Haus-Prinzip konzipiert, verbirgt es unter seiner äußeren Hülle einen weiteren Quader mit Kantenlängen von 52 Metern und einer Höhe von 18 Metern. Auf zwei von insgesamt fünf Geschossen (Erd- und zweites Obergeschoss) sind die bis zu neun Meter hohen Ausstellungsräume angeordnet. Sie sind bis zu neun Meter hoch und bieten auf rund 3.600 Quadratmetern viel Platz für die Ausstellung, in der sich alles um die Geschichte und Tradition der Mittelmeerländer dreht. Die Erschließung erfolgt über Rampen, die zwischen den beiden Außenhüllen ringförmig den Baukörper umschließen. Der museale Rundgang endet auf der Dachterrasse, wo die Besucher ein besonderes Highlight erwartet: ein 115 Meter langer, freitragender Steg, der das Museum mit dem gegenüberliegenden Fort Saint-Jean aus dem 12. Jahrhundert verbindet.
Zwischen Rampe und Außenhülle sind zweiseitg schmale, fünfgeschossige Riegelbauten angeordnet. Sie nehmen Büro- und Verwaltungsräume sowie den Shop auf. Statt von einem Betongitter sind ihre Fassaden komplett verglast. In den zwei Untergeschossen befinden sich unter anderem Lager und Archive, Technikräume sowie ein doppelgeschossiges Auditorium mit 325 Sitzplätzen. Sowohl der innere Quader als auch die beiden Verwaltungsriegel wurden in Skelettbauweise errichtet. Die notwendige Aussteifung erfolgt über mittig im Ausstellungsbereich platzierte Wandscheiben, hinter denen sich Treppen, Aufzüge und die Sanitäranlagen befinden.
Beton
Bis auf die zwei verglasten Fassaden der Verwaltungstrakte ist das
Museum einschließlich eines Großteils der Dachfläche von einer
gitterartigen Betonkonstruktion umhüllt, die an die Netze der
heimischen Fischer erinnern soll. Dieses Gitter besteht aus
insgesamt 384 Betonpaneelen, die mit einer jeweiligen Größe von
3,00 x 6,00 Metern wie ein gigantisches Puzzle zusammengesetzt
worden sind. Die nur zehn Zentimeter starken Paneele bestehen aus
Ultra-Hochleistungsbeton (UHPC), einem extrem widerstandsfähigen
und belastbaren Material, dessen Druckfestigkeit sechs- bis achtmal
höher ist als bei herkömmlichem Beton. Zudem ist er luft- und
wasserdicht sowie langfristig resistent gegenüber chemischen
Einflüssen. Die Körnung des Betons beträgt zwischen 0,1 und 0,4
Millimeter (Siliziumstaub), als Bewehrung
dient gehobelter und geraspelter Federstahl mit einer Spanlänge von
30 bis 60 Millimetern. Die Gitterplatten sind Fuge auf Fuge
übereinandergesetzt, die Lastabtragung erfolgt über punktuelle
Kontakte.
Befestigt und auf Position gehalten wird das Gitterwerk über
unzählige Edelstahlstäbe, die wie die Rampen zwischen den beiden
Quadern angeordnet sind. Die Stahlstäbe sind mit schlanken
Betonstützen in Form eines baumartigen Gerüsts verbunden, welches
dem Skelettbau vorgelagert ist. Wie die Gebäudehülle besteht es aus
Ultra-Hochleistungsbeton, ebenso der 115 Meter lange Steg (B300).
Dieser wurde aus fünf Einzelteilen zu einer freitragenden
Konstruktion zusammengesetzt. Für die 23 Meter langen Deckenplatten
in den großen Ausstellungsräumen wurde ein ebenfalls sehr
druckfester C70-Beton verwendet. Sie wurden in einem
Vorspannverfahren im Werk hergestellt und vor Ort
zusammengesetzt.
Bautafel
Architekten: Rudy Ricciotti, Bandol und Roldand Carta, Marseille
Projektbeteiligte: Thermibel, Grenoble (Akustikplanung); Agence APS, Valence (Landschaftsplanung); Adret, Marseille (Gebäudetechnik); Licht Kunst Licht, Berlin (Lichtplanung); Ductal, Saint-Cloud (Ultra-Hochleistungsbeton)
Bauherr: Ministère de la Culture et de la Communication, Paris
Fertigstellung: 2013
Standort: 1 esplanade du J4, 13002 Marseille
Bildnachweis: Mucem Marseille; Agnès Mellon, Lyon; APS Agence, Valence; Charles Faye-Plumey, Lyon
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