Museum für Naturkunde in Berlin
Monolithische Betonfertigteile
Als eine der letzten Kriegsruinen wurde der teilzerstörte Ostflügel des Naturkundemuseums in der Berliner Invalidenstraße nun wiederhergestellt. Der ursprüngliche Entwurf des 1889 eröffneten Ziegelbaus stammt von August Tiede, mit der Ergänzung und Instandsetzung wurden die Basler Architekten Diener und Diener beauftragt. Sie legten nicht nur großen Wert auf eine dem Vorbild entsprechende Fassade, sondern tragen auch den veränderten Nutzerbedürfnissen von Wissenschaftlern und Besuchern Rechnung.
Gallerie
Ein großes gläsernes Regal im Erdgeschoss nimmt die unzähligen Nasspräparate der Sammlung auf und gewährt von allen Seiten Einblickt. Bei den Nasspräparaten handelt es sich um Fische, Reptilien und Säuger, die in Alkohol eingelegt und teilweise über 200 Jahre alt sind. Insgesamt besitzt das Museum rund 276.000 dieser tageslichtempfindlichen Präparate. Luft und Feuchtigkeit werden durch die erneuerte Gebäudetechnik perfekt konditioniert. Der sie umgebende Raum im Erdgeschoss ist als eine Art fensterloses Archiv ausgebildet. In den Geschossen darüber befinden sich die Arbeitsplätzen für die Forschung.
Aus den Bedingungen, die an die Nutzung des Museums gestellt wurden und dem städtebaulichen und architektonischen Wunsch der Architekten, das historische Baudenkmal wieder zu ergänzen, ist ein Bauwerk entstanden, an dem sich die widersprüchlichen Ansprüche von Museum und Forschung gleichermaßen ablesen lassen. Die fehlenden Teile wurden weder nachgebaut noch rekonstruiert, sondern als Abbild der alten Fassade neu gestaltet. Zwar entsprechen die Fugen, Gewände und Verzierungen dem ehemaligen Ziegelmauerwerk, bestehen jedoch aus einem gänzlich anderen Material – und das ist Beton.
Beton
Die Architekten entschieden sich für den Abguss der vorhandenen
Fassaden in Betonfertigteilen mittels Silikonabdrücken. Dazu wurde
an einer weitestgehend erhaltenen Fassadenachse der Nordseite
zunächst die Oberfläche gesäubert, die alten Fenster zugemauert,
Fugen und Einschüsse vom Krieg ausgebessert und beschädigte Gesimse
ersetzt. Bis zu 30 m² groß sind die Fassadenelemente, die ein
Berliner Betonfertigwerk herstellte. Bevor der Aufbau der Schalung
erfolgte, wurden Trennungsmittel eingespritzt, um gleiche
Fließbedingungen zu erzielen, die eine exakte Wiedergabe der alten
Fassade gewährleisten.
Zwei Tonnen Beton wurden in die Schalungen gefüllt. Die Betonrezeptur musste die notwendige flüssige Konsistenz aufweisen, um die Rücksprünge und Hinterschneidungen auszufüllen damit Ornament und Fläche gleichermaßen abgebildet werden. Irritationen im Erscheinungsbild löst nicht nur die hellgraue Betonfarbe aus, sondern auch der Widerspruch zwischen Maßstab, Material und Fertigung.
Mit der Instandsetzung des Ostflügels haben Diener und Diener
eine zeitgemäße Ergänzung des Naturkundemusems geschaffen, die
gleichzeitig die denkmalpflegerischen Anforderungen erfüllt. Die
Kosten der Arbeiten beliefen sich auf knapp 30 Millionen Euro bei
einer Nutzfläche von 5.478 m².
Bautafel
Architekten: Diener & Diener Architekten, Basel/Berlin
Projektbeteiligte: Eins bis Neun Architekten, Peter Flucke, Berlin (Projektsteuerung); Bernd Kriegel Ingenieure, Berlin (Technische Gebäudeausrüstung); Hildebrandt und Sieber, Berlin (Tragwerksplanung); Betonfertigwerk Allton, Berlin (Betonfertigteile)
Nutzer: Museum für Naturkunde, Berlin
Bauherr: Humboldt-Universität zu Berlin, Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung und Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, mit Landesdenkmalamt Berlin
Standort: Invalidenstraße 43, 10115 Berlin
Fertigstellung: September 2010
Bildnachweis: Museum für Naturkunde, Berlin Fotograf: Christian Richters, Münster
Fachwissen zum Thema
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