Kunsthaus Baselland in Münchenstein
Drei Spitzen im Dreispitz
Das Dreispitz-Areal südlich des Baseler Güterbahnhofs erkennt man an der typischen Zeilenstruktur: Zwischen Erschließungsstraßen und Bahntrassen reihen sich große und kleine Lagerhallen aneinander. Aus einer von ihnen ragen drei spitze Betontürme dramatisch in die Höhe. Der von Buchner Bründler Architekten geplante Eingriff kündigt bereits von weitem an, dass unter dem flachen, weit überstehenden Satteldach 2024 das Kunsthaus Baselland eingezogen ist.
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Der 50 Hektar große, frühere Umschlagplatz wandelt sich zu einem Quartier mit Wohnungen, Ausbildungsstätten und Kunsteinrichtungen. Zu sehen ist das etwa am 2016 fertiggestellten Umbau des Transitlagers Münchenstein von BIG oder an der 2014 eingeweihten Hochschule für Gestaltung und Kunst von Morger+Dettli Architekten. Die Transformation ist noch im Gang. In unmittelbarer Nähe, hinter dem Haus der Elektronischen Künste (HEK), steht das zum Kunsthaus gewordene ehemalige Champagner-Lager.
Seit 1997 hatte das Ausstellungshaus seinen Sitz in einem ehemaligen Fabrikgebäude in Muttenz, im Osten der Stadtregion. Über neun Jahre arbeiteten das Kunsthaus und das Architekturbüro an dem Projekt, bevor das Ausstellungshaus von einem ehemaligen Fabrikgebäude an seinen neuen Ort ziehen konnte. Da der rudimentär konstruierte Bestand kaum weiteren Lasten standzuhalten vermochte, war zunächst angedacht, ihn zugunsten eines Neubaus abzureißen. Als in der Zwischenbesprechung während der Wettbewerbsphase Fragen nach der Identifikation der Künstler*innen mit dem Ausstellungsort aufkamen, rückte jedoch eine Transformation in den Fokus der Architekt*innen. Sie entwickelten eine zweite Struktur aus Beton, die raumbildend wie konstruktiv stützend wirkt.
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Massive Lichtbringer
Die bestehenden Tore zu beiden Seiten der Halle wurden durch große Glaselemente und Aluminiumtüren ersetzt. Um das Halleninnere zusätzlich zu erhellen, wurden prismatische Schornsteine durch die Dachhaut gesteckt – als „Lichtbringer“, wie sie die Direktorin Ines Goldbach nennt. Die drei 25 Meter hohen Türme sind über die Bodenplatten und wandhohen Brüstungen der neuen, zweiten Ausstellungsebene verbunden und stehen nur mit schmalen Füßen auf dem Hallenboden. Das Verschneiden dieser Betonskulptur mit der Grundform der Halle sowie Ausschnitte in den Vertikalkörpern erzeugen dynamische Raumeindrücke, Lichtstimmungen und Sichtbeziehungen.
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Foyer fürs Quartier
Das Erdgeschoss – genaugenommen ein Hochparterre – ist in drei Bereiche gegliedert. Am Südkopf verbindet ein durchgestecktes, 400 Quadratmeter großes Foyer die Straßenseite, wo die vom Dachüberstand geschützte Ladezone einen erhöhten Vorplatz darstellt, und die Rückseite, an der eine neue Freitreppe zu den mittlerweile durchgrünten Gleisen führt. Über große Glastüren kann das Foyer mit dem Außenraum verschmelzen und bietet dadurch einen niedrigschwelligen Zugang zum Gebäude, wo auch ohne Eintrittskarte verweilt werden kann, etwa mit einem Buch aus der frei zugänglichen Bibliothek. Zugleich lassen sich auch hier Kunstwerke zeigen sowie Konzerte, Lesungen und Performances veranstalten – unabhängig vom übrigen Kunsthaus-Betrieb, der hinter einer Schiebewand verschwinden kann.
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Dramatische Kunstkulisse
Vorbei an der Kasse, WC-Block und Bücherregal beginnt der Ausstellungsbereich. Der Gang mäandert zwischen eingeschobenen Raumboxen, die nach oben hin offen sind, sodass sie zenitales Licht von den Türmen erhalten. Den Abschluss bilden Nebenräume und ein Aufzug zur Erschließung des als Lager angelegten Untergeschosses. Im neuen Obergeschoss ist die Zonierung etwas offener. Über den wandhohen Brüstungen spannt der filigrane Dachstuhl, dazwischen scheinen die schräg angeschnittenen Turmwände zu Boden zu stürzen. Die durch die Lichtkamine einfallende Sonne erhellt die spitzwinkligen Nischen.
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Beton: Innere Krücke
Zu Beginn des Umbaus wurde das Dach abgedeckt und die gemauerten Innenwände abgebrochen. Das Stahlfachwerk und die Dachkonstruktion blieben stehen und überwiegend auch das Kalksandsteinmauerwek der Außenwände und der Bodenbelag. Dann wurden Gerüste und Schalungen für die neuen Ortbetonkörper gestellt. Die drei Lichtkamine sind zwischen die Fachwerkträger des Dachs eingepasst und an drei Fußpunkten im bestehenden Gebäudesockel verankert. Verbunden sind die Türme über die Bodenplatten des neuen Obergeschosses und deren wandhohe Fassung. Diese wirkt im Mittelbereich wie ein großer Überzug, der die Konstruktion aussteift. Auf diese Weise wird die filigrane Fachwerkstruktur des Bestands unterstützt und entlastet.
Die entstandene Lastreserve wiederum ermöglichte eine konstruktive Erneuerung des Dachs: Die alten, statisch unzureichenden Fachwerkträger wurden demontiert und durch neue, ähnlich aussehende ersetzt. Schließlich folgten neue Holzpfetten, auf denen dann – wie schon im Bestand – gewellte Faserzementplatten montiert wurden.
Bautafel
Archtitektur: Buchner Bründler Architekten, Basel
Projektbeteiligte: ARGE Buchner Bründler Architekten, Basel und Proplaning, Basel (Generalplanung, Projekt- und Baumanagement); ZPF Ingenieure, Basel (Bauingenieure); Bogenschütz, Basel (Haustechnik und Sanitärplanung); Hefti. Hess. Martignoni., Zürich (Elektroplanung); Christoph Etter Fassadenplanungen, Basel (Fassadenplanung); A. Aegerter & Dr. O. Bosshardt, Basel (Brandschutzplanung); Gartenmann Engineering, Basel (Bauphysik); matí Lichtgestaltung, Adliswil (Lichtplanung); Implenia Schweiz, Basel (Baumeisterarbeiten); Gerber-Vogt, Allschwil (Fenster aus Stahl); R + R Metallbau, Birsfelden (Gläser Trum); Hürzeler Holzbau, Magden (Bedachungsarbeiten); Mohler Nager, Pratteln (Bodenbeläge, fugenlos)
Bauherr*in: Stiftung Kunsthaus Baselland, Muttenz
Standort: Helsinki-Strasse 5, 4142 Münchenstein, Schweiz
Fertigstellung: 2024
Bildnachweis: Maris Mezulis, Rory Gardiner, Gina Folly, Finn Curry und Proplaning (Fotos); Buchner Bründler Architekten (Pläne)
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