Im Oktober 1971, nach einer lebhaften Aussprache, stimmte der
Stadtrat der erst kürzlich gegründeten Gemeinde Lahnstein einem
leuchtend farbigen Betonrelief zu. Die künstlerische
Außengestaltung stammte von Otto Herbert Hajek, der als Grafiker
und Bildhauer einige Spuren an öffentlichen Bauten in der
Bundesrepublik hinterlassen hat. Über die Jahrzehnte waren die mit
einem bunten Kunststoffanstrich versehenen Sichtbetonflächen
fleckig und blass geworden. So manche Kante hatte zu bröckeln
begonnen und an einigen Stellen lagen rostende Bewehrungsstäbe
frei. Die Stadtverwaltung strebte 2015 eine Sanierung des Gebäudes
an. Wie genau mit der Fassade umgegangen werden sollte, war wieder
einmal Anlass für Diskussionen. Heute erstrahlt sie wieder –
dank einer behutsamen Betoninstandsetzung und eines erneuerten
Anstrichs.
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Symbol des Zusammenwachsens
Die Stadthalle Lahnstein wurde in den frühen 1970er-Jahren
errichtet. Der riesige, unförmig wirkende Baukörper mit seiner
Glas- und Sichtbetonhaut bricht durch die fein gegliederten
Fassaden. Frei steht er jedoch nicht: An der einen Seite ist der
Gebäudeklumpen mit den Stadthäusern aus dem 19. Jahrhundert
verwachsen. Auf der anderen Seite knüpft ein Stück der 600 Jahre
alten Stadtmauer an die Fassade an. An dieser Stelle wird der von
Stadthalle, Stadtmauer und Hexenturm eingerahmte Sahlhofplatz im
historischen Zentrum von Oberlahnstein durch einen Torbogen
betreten. Oberlahnstein? Tatsächlich war die Stadthalle als neuer
kultureller Mittelpunkt der erst 1969 zusammengeführten, zuvor
selbstständigen Städten Niederlahnstein und Oberlahnstein
gedacht.
Die Platzfassade misst 50 Meter. Horizontale Fensterbänder
scheinen an die angrenzende Bebauung anschließen zu wollen. Davor
parken Autos. Im Erdgeschoss unterteilt eine öffentliche Passage
den Baukörper. Sie verbindet den Sahlhofplatz mit der hinter der
Halle gelegenen Straße Blankenberg, während die eine Seite des
Erdgeschosses als Volksbank-Filiale genutzt wird und die andere
ursprünglich mit einem Kiosk und einem kleinen Restaurant bestückt
war, das auch den Sahlhofplatz bespielte. Die letzten Pächter gaben
jedoch Ende 2022 auf.
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Vom Platz her wird die sogenannte Wandelhalle betreten, in der
die Ankommenden auf eine repräsentative Treppe zusteuern. Sie führt
in das erste Obergeschoss, wo es ebenfalls einst ein Restaurant
gab. Ein drittes befand sich im Untergeschoss, nebst vier
Kegelbahnen. Die zwei Säle und drei Konferenzräume belegen das
zweite Obergeschoss. Je nach Aufteilung und Einrichtung können die
Räume für Konzerte, Tanzveranstaltungen und Ausstellungen genutzt
werden. Sie werden von einem keilförmigen Foyer erschlossen, das
über eine Glasfassade zum Sahlhofplatz verfügt. Hier befindet sich
auch ein Balkon, der mit dem Wehrgang auf der Stadtmauer verbunden
ist. Eine separate Treppe führt hinauf auf eine Empore, die Zugang
zu den Logenplätzen der Säle und zu einem Studio bietet – von
dem aus unter anderem Beleuchtung, Verdunkelung, Kameras und
Klimaanlagen gesteuert wurden.
Verändern oder erhalten?
Dem Anspruch, kultureller Mittelpunkt der Stadt zu sein, ist das
Gebäude nicht gerecht geworden. Ganz ungenutzt ist es jedoch auch
nicht: Das Lahnsteiner Bluesfestival, Komödianten und Musicals
finden hier ihre Bühne. Seit 2005 wurde das Gebäude in mehreren
Bauabschnitten aufwendig saniert und erneuert. Noch im selben Jahr
wurde das bauzeitliche Skulpturenfeld entfernt. Die Stadthalle
steht nämlich erst seit 2007 unter Denkmalschutz.
Viel Aufmerksamkeit von Fachleuten, Stadtpolitik und Lokalpresse
bekam der Austausch des mit zahlreichen Brandlöchern übersäten,
ebenfalls von Hajek gestalteten Teppichbodens im Jahr 2010.
Zunächst wurde darüber nachgedacht, ihn beispielsweise durch einen
robusteren Steinbelag zu ersetzen, bevor die Denkmalbehörde
eingriff und die Weberei des Bestandsteppichs ihn nachwebte. Eine
entscheidende Änderung gab es jedoch: Ursprünglich war das
verwirrend-geometrische Muster auch auf den Treppenstufen zu
finden, wodurch es immer wieder zu Unfällen kam. Heute sind die
Auftritte daher unifarben.
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Fassadensanierung mit Vorlauf
Im Jahr 2015 plante die Stadt Lahnstein auch die Betonfassaden
der Stadthalle zu erneuern. In den über 40 Jahren seit der
Eröffnung waren das Äußere des Gebäudes wenig gepflegt worden.
Lediglich im Bereich der Passage zum Blankenberg hatten die
Betonflächen eine Beschichtung erhalten. Die mangelnde Pflege war
nun deutlich sichtbar: Die einst weißen Betonoberflächen hatten
sich grau, teilweise sogar schwarz verfärbt. Von den ursprünglich
intensiven Farben des Fassadenreliefs an der Hauptansicht war zum
Teil kaum noch etwas zu sehen. An zahlreichen Stellen war der Beton
Dykcerhoff Weiss abgeplatzt.
Ein Ingenieurbüro untersuchte die Schäden und kategorisierte
sie: Die Sachverständigen stellten Verwitterungen fest, vereinzelt
Hohllagen und Betonabplatzungen mit freiliegender Bewehrung
sowie vertikale Risse an den Brüstungen. An einigen Stellen wurde
außerdem die Befestigung der Fassadenplatten überprüft. Weder an
den Befestigungsmitteln noch an den einbettenden Betonbauteilen
entdeckten sie dabei Schäden. Klar war nun auch, dass die Bauteile
angemessen dimensioniert waren. Die Ingenieure schätzen außerdem
ab, wie die Depassivierungswahrscheinlichkeit in den kommenden 30
Jahren zunehmen wird. Die Prognosen zeigten, dass nur wenige
Schäden künftig zu erwarten sind.
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Beton: Handlungsoptionen der Sanierung
Auf Grundlage der Untersuchungsergebnisse begann das
Architekturbüro die Instandsetzung der Betonfassade zu planen.
Vorgesehen war zunächst, die gesamten Fassadenflächen im Anschluss
an eine teilweise Rissverpressung und ein Feuchtsandstrahlen der
Fassaden mit einer OS5a-Beschichtung zu versehen. Das
polymerhaltige Oberflächenschutzsystem mit der darunterliegenden
Ausgleichsspachtelung hätte einerseits die strukturierte
Betonoberfläche des Bestands überdeckt und andererseits die
Proportionen des Reliefs verändert. Beim Abstrahlen des Reliefs
wäre zudem die bauzeitlich feine, stark geglättete Oberflächen der
Fertigteile und der erhaltenen Farbfassung verloren gegangen. Aus
denkmalpflegerischer Sicht sprach Vieles gegen dieses Vorgehen, vor
allem Hajeks gestalterisches Konzept, wie er es in den
1970er-Jahren beschrieben hatte: Die Kleinteiligkeit der aus vielen
geometrischen Elementen bestehenden Fassadenreliefs sollte eine
moderne Interpretation der historischen Stadtmauer sein.
Die Beteiligten der Denkmalbehörden warfen die Frage auf, ob
eine so umfassende Beschichtung überhaupt notwendig war, angesichts
der festgestellten Schäden. In Zusammenarbeit mit dem Institut für
Steinkonservierung ergründeten sie daher behutsamere Wege der
Instandsetzung und künftigen Erhaltung. Letztlich schafften sie es
nach intensiven Diskussionen, dass die Stadtverwaltung einlenkte
und von einer flächenhaften Beschichtung absah. Auf Grundlage einer
erneuten Untersuchung der Fassadenschäden wurden Eingriffe
entwickelt, die – den Wünschen der Denkmalbehörden
entsprechend – punktuell waren und sich auf die Schadensstellen
konzentrierten, aber zugleich baurechtlichen Anforderungen
genügten.
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Behutsame Instandsetzung
Zuerst wurden die Oberflächen schonend gereinigt, mit
Wurzelbürsten und Wasserschlauch. Anschließens wurden die zu
bearbeitenden Stellen festgelegt und Proben des
Instandsetzungsbetons bemustert. Zuschläge und Farbe der
Kornfraktionen sowie deren Sieblinie sollten dem umgebenden
Bestandsbeton so gut wie möglich nachempfunden werden, damit die
Reparaturstellen später kaum sichtbar sein würden.
Um die Haftbrücke und den Instandsetzungsbeton herzustellen,
wurde so weit wie möglich auf Ausgangsstoffe zurückgegriffen, die
bereits beim Bestand zum Einsatz gekommen waren. Zum Einsatz kam
daher wieder ein weißer Zement des Herstellers Dyckerhoff (CEM I 42,5 R).
Geeignete Gesteinskörnungen wurden in der Region um das Werk
gefunden, in dem einst die Fertigteile für die Stadthalle
hergestellt worden waren. Mit Silikastaub, Trinkwasser, Fließmittel
und Luftporenbildner wurden Zement und Gesteinskörnung schließlich zum
Instandsetzungsbeton verarbeitet. Auf polymere Zusatzstoffe wurde
also komplett verzichtet.
Die Reparaturstellen wurden mit gezielten Einschnitten und
Stemmarbeiten vorbereitet. Dann wurde die Bewehrung freigelegt,
sodass die Korrosionsschutzbeschichtung aufgebracht werden konnte.
Die gesamte Reparaturstelle samt Bewehrung wurde dann auf eine
Haftbrücke aufgebracht und – frisch in frisch – mit dem
Instandsetzungsbeton verschlossen und reprofiliert. Um die neue
Oberfläche weiter der Umgebung anzupassen, wurde sie betontechnisch
nachbehandelt. Abschließend erhielten die Betonoberflächen des
Reliefs ihren neuen Anstrich, entsprechend der bauzeitlichen
Farbgebung.
Bautafel
Architektur: Jürgen Jüchser und Peter Ressel vom Planungsring Wiesbaden (Bestand) Projektbeteiligte (Bestand): Planungsring Wiesbaden (Gesamtplanung und Bauleitung); Otto Herbert Hajek (Ornament und Farbe); Heid und Quenzer (Statik); Staudinger (Heizung, Klima, Sanitär); Weisse (Akustik); Koch (Bühnentechnik) Projektbeteiligte (Instandsetzung): Direktion Landesdenkmalpflege, GDKE, Mainz (Bestandsuntersuchung, denkmalpflegerische Beurteilung); Institut für Steinkonservierung, Mainz (Bestandsuntersuchung, Beratung); SMP Ingenieure, Karlsruhe (Materialtechnologische und dauerhaftigkeitsbezogene Untersuchungen und Bewertungen; Beurteilung des Zustandes und Empfehlungen zur Instandsetzung und Instandhaltung); TH Köln, Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft (Restauratorische Untersuchung des Anstriches sowie Überlegungen zum Umgang); Hubert Baumstark, Karlsruhe (Architektur) Bauherrschaft: Stadtverwaltung Lahnstein Standort: Salhofplatz 1, 56112 Lahnstein Fertigstellung: 1973 (Bestand); 2019 (Instandsetzung) Bildnachweis: Dr. Alexandra Fink und Jürgen Ernst, Direktion Landesdenkmalpflege, GDKE, Mainz (Fotos)
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