_Beton
Gemeindesaal Tyrlaching
Mit Stampfbeton zur neuen Mitte
Kirche, Wirtshaus und Maibaum: Dieser Dreiklang bildet traditionell die Mitte oberbayerischer Dörfer. Auch in Tyrlaching im Landkreis Altötting prägt er seit Jahrhunderten das Ortsbild. Besonders der imposante Gasthof – 1549 erstmals erwähnt und in seiner jetzigen Form um 1700 erbaut – ist als Treffpunkt der Bürgerinnen und Bürger sowie der Vereine für das Dorfleben von großer Bedeutung.
Gallerie
Wie in vielen anderen ländlichen Ortschaften auch ist der Betrieb eines solchen Hauses heutzutage jedoch eine Herausforderung. Nach der Schließung im Jahr 2012 erwarb die Gemeinde das denkmalgeschützte Gebäude mit dem angrenzenden Theaterstadel – mit dem Plan, die Gastronomie am Leben zu erhalten und darüber hinaus eine neue Ortsmitte zu schaffen.
Zwischen Kirchturm und Feldern
Verwirklicht wurde diese nun nach Plänen des Architekturbüros H2M
und mithilfe verschiedener Förderprogramme. Neben der grundlegenden
Sanierung des Gasthauses ist der Neubau des daran anschließenden
Gemeindesaals – anstelle des Theaterstadels – wesentliches Element
des Entwurfes. Der kleine Ort zeigte dabei den Mut, hier keine
anheimelnde Gestaltung zu wählen, sondern sich für eine ebenso
zeitgemäße wie zurückhaltende Form des Neubaus zu entscheiden.
Halb in den Hang geschoben bildet das Volumen auf der Oberseite ein begehbares Gründach aus, das mit Podesten für Veranstaltungen aufwartet und in die umliegenden Wiesen und Felder übergeht. Zum Ort hin wurde ein kleiner Vorplatz mit Brunnen geschaffen, der durch den Gasthof von der Straße abgeschirmt wird. Eine Außentreppe verbindet diesen Bereich mit dem Dach.
Alt und Neu vereint
Der Zugang zum neuen Gemeindesaal, der mit einer Bühne aufwartet,
erfolgt über einen niedrigen Zwischenbereich, der an das Gasthaus
andockt. Zum Vorplatz hin ist dieser Baukörper vollflächig
verglast. Neben dem Foyer beherbergt er die Sanitäranlagen für
beide Nutzungen – kompakt in der Mitte zusammengefasst, sodass die
beiden angrenzenden Bauten als separate Volumen ablesbar
bleiben.
Mit dem Ensemble entsteht ein vielfältig bespielbarer Ort zur
Pflege von Traditionen, aber auch für die Weiterentwicklung des
Bestehenden. Durch das räumliche Angebot trägt es zum kulturellen
und sozialen Leben der Gemeinde sowie der Region gleichermaßen
bei.
Beton: Geschichtet wie das Erdreich
Während sich das Wirtshaus mit einer neuen Luftkalkputzfassade
präsentiert, hüllt sich der Gemeindesaal oberirdisch in
Stampfbeton. Die Bauweise interpretiert die Fassade des halb in den
Hang eingeschobenen Volumens als Erdschichten und harmoniert in
ihrer Erscheinung mit dem Bestand. Die Farbigkeit der
Betonschichten wurde im Vorfeld über Musterflächen mit dem
Handwerksbetrieb festgelegt. Die verschiedenen Nuancen ließen sich
durch unterschiedliche Sande und Zuschläge aus der Region
erreichen. Die Schichten wurden in unregelmäßigen Höhen und ohne
erkennbaren Rhythmus übereinander gestampft, um dem Bild
gewachsener Gesteinsschichten möglichst nahe zu kommen.
Glatter Sichtbeton hingegen findet sich im Vorhof im
Bereich der Begrenzungsmauer und des Trinkbrunnens; im Foyer
beziehungsweise im Saal zeigt sich das Material an Dachträgern und
Stützen. -chi
Bautafel
Architektur: H2M Architekten | Ingenieure | Stadtplaner, München/Kulmbach;
Projketteam: Gabriele Bruckmayer (Projektleitung); Christoph Steeg, Borka Palackovic, Cornelia Reisinger, Christian Stauber
Projektbeteiligte: esg Ingenieure, Traunreuth (Tragwerk); Ingenieurbüro Fuchshuber, Altötting (Bauleitung); Wolfgang Wagenhäuser Landschaftsarchitekt BDLA, Töging am Inn (Freianlagen); sib Ingenieure, Traunreuth (HKLS); pgt Planungsgruppe Technik, Traunstein (Elektroplanung); Ingenieurbüro Schwab, Traunstein (Brandschutz); IFB Ingenieure, Passau (Bauphysik); Dr. Dobler – Dienste der Kunst und Denkmalpflege, Wasserburg (Denkmalschutz); Pfingstl, Burgkirchen (Bauunternehmen); Georg Hofer Lehm & Bau, Kößlarn (Stampfbeton)
Bauherr/in: Gemeinde Tyrlaching
Standort: Rupertistraße 17, 84558 Tyrlaching
Fertigstellung: 2020
Bildnachweis: Sebastian Schels
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