Butzen wie bunte Kiesel
Nagelfluhkapelle in Wasserburg
Der Kapellenbau ist eine besondere Aufgabe: Hier lassen sich die Grenzen zwischen Architektur und bildender Kunst verwischen und gestalterische Ambitionen konsequent umzusetzen. Das wusste sicher auch das Künstler-Duo Der dritte Mann zu schätzen. Daniel Bräg und Thierry Boissel entwarfen die ökumenische Nagelfluhkapelle für den gemeinsamen Neubau von Inn-Salzach-Klinikum (ISK) und RoMed-Klinik Wasserburg.
Gallerie
Bereits 1883 wurde die Pflegeeinrichtung gegründet und weit vor den Toren des Städtchens an der Innschleife errichtet. Die Anlage im sogenannten Pavillonstil, also mit einzelnen, in einer parkähnlichen Umgebung verstreuten Behandlungs- und Bettenhäusern, sollte den Genesungsprozess fördern: Zum einen befanden sich die Patient*innen in direkter Nähe zum Grünen, zum anderen konnte die bauliche Trennung der Ausbreitung von Krankheiten vorbeugen. Der Campus in Wasserburg zählt heute zu den besonders gut erhaltenen Beispielen dieses Bautyps und verfügt daher über einen hohen Denkmalwert.
Gallerie
Am Westrand des historischen Geländes fügt sich der Erweiterungsbau in den Hang. Der 2022 bezogene Komplex besteht in seiner jetzigen Ausbaustufe aus einem viergeschossigen Riegel für die RoMed-Klinik und einem kompakteren Gebäudeteil für das ISK. Beide Teile sind über einen Flachbau miteinander verbunden. Zwischen zwei Atrien befindet sich hier der Haupteingang. An einem der beiden, in unmittelbarer Sichtweite des Empfangs, liegt die Kapelle.
Auffällig ist die bunte und leicht konvex gebogene Glaswand. Über die gesamte Fläche verteilt sind verschiedenfarbige Butzen. Die unterschiedlich intensiven Flecken sind überwiegend in Blau-, Grün-, Orange- und Brauntönen gehalten. Ein Akzent in Gelb sticht hervor. Die Unregelmäßigkeit hebt sich deutlich ab von der eher gradlinigen Architektur des großen Foyers.
Gallerie
Die opake Struktur des Glases lässt von außen nur erahnen, was sich dahinter verbirgt, während das Innere der Kapelle in gedämpftes Licht getaucht wird. So soll die Glaswand ein Gefühl von Schutz und Abgeschiedenheit hervorrufen. Zugleich strahlen die farbigen Elemente Heiterkeit aus. Inspiration für diese Gestaltung und Namensgeber der Kapelle ist der Nagelfluh, der in den Sedimenten des Umlands anzutreffen ist. Ähnlich wie bei den bunten Butzen im Weißglas umschließt bei dem Konglomeratgestein eine feinkörnige Matrix unterschiedlich große, farbige Kiesel.
Die Vertikalverglasungen der Wand sind entlang der oberen und unteren Glaskante linienförmig gelagert. Im Laufe des thermischen Bearbeitungsprozesses wurden die farbigen Gläser der Butzen auf die transparenten Weißgläser aufgeschmolzen. Zuständig war die Glasmalerei Peters Studios aus Paderborn.
Fachwissen zum Thema
BauNetz Wissen Glas sponsored by:
Saint-Gobain Glass Deutschland