Tiefdepot des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg
Schützende Wände aus verputztem Kalksandsteinmauerwerk
Im Zentrum der Stadt Nürnberg befindet sich seit 1852 das Germanische Nationalmuseum – es gilt als größtes kulturgeschichtliches Ausstellungshaus im deutschsprachigen Raum. Das mit der Zeit gewachsene Museumsensemble setzt sich aus einem spätmittelalterlichen Klosterbestand, neugotischen Backsteinhäusern sowie einem um 1900 durch Gustav von Bezold errichteten Südwestbau und einen natursteinverkleideten Südflügel aus der Nachkriegszeit von Sep Ruf zusammen. Die beiden letztgenannten Bauten sollen in den kommenden Jahren durch David Chipperfield Architects grundinstand gesetzt werden.
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Das Zentrum des Ensembles wird durch den begrünten Innenhof des denkmalgeschützten Kartäuserklosters markiert. Umgeben von mittelalterlichen Kreuzgängen und der ehemaligen Klosterkirche, ahnt man nicht, dass sich zwanzig Meter unter der Rasenfläche des Klosterhofes rund 70.000 Exponate aus über 600.000 Jahren europäischer Kulturgeschichte befinden – im neuen Tiefdepot nach Plänen des Büros Schmidt-Schicketanz.
Wissensspeicher im Untergrund
Neben archäologischen Funden sammelt und erforscht das Museum historisch wertvolle Kunstwerke, Möbel und Kleidungsstücke der germanischen Hoch- und Alltagskultur. Um den enorm umfangreichen Objektbestand – das Museum verfügt über rund 1,4 Millionen Exponate – unterbringen zu können, wurden bereits im Jahr 2007 erste Machbarkeitsstudien entwickelt, die die städtebaulichen und funktionalen Möglichkeiten eines neuen Depots untersuchten. Um kurze Transportwege und einen hohen Sicherheitsstandard zu gewährleisten, entschieden sich die Auftraggebenden für die Ausführung eines fünfgeschossigen Tiefdepots und die Einbindung des Neubaus in den bestehenden Sicherheits-Komplex.
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Deckel drauf
Die Planung des anspruchsvollen Bauvorhabens gelang durch die enge Zusammenarbeit des Münchener Architekturbüros mit dem ortsansässigen Ingenieurbüro Kästner. Eine frühzeitige Entwicklung des statischen Konzepts war aufgrund der setzungsempfindlichen Bestandsbebauung von großer Wichtigkeit, da die tiefen Eingriffe in das Erdreich eine Destabilisierung der vorhandenen Tragstruktur hätten einleiten können. Da die Maßnahme den laufenden Museumsbetrieb nicht beeinträchtigen sollte, kam zur Umsetzung nur eine Deckelbauweise infrage. Die Deckelbauweise ist ein übliches Tiefbauverfahren, bei dem die Baugrube erst nach Erstellung des oberen Gebäudeabschlusses geschaffen wird, damit die Geländeoberfläche möglichst schnell wieder hergestellt wird. Umfassende Wände und aussteifende Deckenplatten gegen den Erddruck wurden sukzessive eingebaut, dabei wurden benötigte Materialien und Baumaschinen durch zwei Öffnungen in der fünfzig Zentimeter dicken Decke in den immer tiefer werdenden Bautunnel geführt.
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Stabil und speicherfähig
Mit Fertigstellung der Erd- und Rohbauarbeiten konnten die Arbeiten an den tatsächlichen Depoträumen endlich beginnen. Die Geschosse des Tiefdepots haben unterschiedliche Raumhöhen – abhängig von den aufzubewahrenden Objekten. So ist das vierte Geschoss mit seinen vier Metern das höchste, da hier beispielsweise große Gemälde fachgerecht an Gitterwänden gelagert werden.
Ein umlaufender Gang zwischen der erdberührten Außenwand und den Lagerbereichen soll den benötigten Sicherheitspuffer zu den wertvollen Exponaten herstellen. Die Innenwände wurden mit mittelformatigen KS-Plansteinen errichtet. Durch das Eigengewicht der Kalksandsteine sowie ihre Druckfestigkeit sollen die Wände auch mögliche Horizontallasten – etwa durch austretendes Gas im Brandfall – aushalten.
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Die hohe Speichermasse des Mauerwerks soll zudem durch die Aufnahme von überschüssiger Wärme und Luftfeuchte das Raumklima regulieren und damit die optimalen Lagerungsbedingungen für die Sammlung unterstützen. Durch die Tiefe des Gebäudes profitiert die Raumtemperatur zudem von der konstanten Temperatur des umgebenen Grundwassers.
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Da die Bauarbeiten den gesamten Innenhof in Anspruch nahmen,
mussten alternative Lösungswege für den Transport und die Lagerung
der Baustoffe gefunden werden. Die Nähe des KS-Werks in Schwaig kam
dieser Schwierigkeit zugute, denn bei einer Distanz von nur zwölf
Kilometern konnten die weißen Mauersteine nach und nach auf die
Baustelle geliefert werden.
Bautafel
Architektur: Schmidt-Schicketanz, München
Projektbeteiligte: Ki Kästner Ingenieure, Nürnberg (Tragwerksplanung); Ottitsch & Co. KG, München (HKLS-Planung); Coplan, Weiden (Elektroplanung); Müller-BBM, München (Bauphysik); Messinger + Schwarz Bauphysik-Ingenieur-Gesellschaft, Pegnitz (Bauphysik); Kersken+Kirchner Sachverständige für baulichen Brandschutz, München (Brandschutzplanung); Adlerolesch Landschaftsarchitekten, Nürnberg (Freianlagenplanung); KS-Original, Hannover / Zapf Daigfuss, Schwaig (Kalksandsteinwerk)
Bauherr*in: Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg
Standort: Kartäusergasse 1, 90402 Nürnberg
Fertigstellung: 2022
Bildnachweis: palladium.de; Florian Kutzer / Germanisches Nationalmuseum in Nürnberg
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