_Mauerwerk
Erweiterungsbau Jüdisches Museum Franken in Fürth
Selbstbwusster Solitär mit auffälligem Ziegelkleid
Franken war ein bedeutsames Zentrum jüdischen Lebens in
Süddeutschland. Einblicke in diese fast tausendjährige Geschichte
gibt das Jüdische Museum Franken an seinen drei Standorten
Fürth, Schnaittach und Schwabach. Viel bürgerlichem Engagement ist
es zu verdanken, dass der Standort Fürth nach langem Ringen 2018 um
einen Erweiterungsbau ergänzt wurde, für den bereits zehn Jahre
zuvor ein begrenzt offener Wettbewerb ausgeschrieben worden war.
Diesen konnte damals die Arbeitsgemeinschaft Gatz, Kuntz und Manz
für sich entscheiden. Die Ausführungsplanung erfolgte durch Ulrich
Manz‘ Büro Umarchitekten. Spatenstich war im Mai 2015.
Gallerie
Markanter Solitär
Der Erweiterungsbau besetzt eine Lücke zwischen dem
denkmalgeschützten Altbau und dem Jean-Mandel-Platz. Obwohl der
Baukörper in Proportion und Volumen an den historischen Bestand
entlang der Königstraße angelehnt ist, tritt er als markanter,
andersartiger Blickfang innerhalb der Straßenflucht in Erscheinung
– insbesondere aufgrund seiner bewegten, ockerfarbenen
Klinkerfassade, der unregelmäßig verteilten Fenster mit schräg
angeschnittenen Laibungen und des Flachdachs. Die beiden oberen
Geschosse sind zum nordöstlich angrenzenden Nachbargebäude hin
gestaffelt, greifen in Teilen dessen Dachneigung auf und fügen sich
somit in das historische Gefüge rund um den Platz ein. Der Neubau
ist im Parterre und im zweiten Obergeschoss mit dem Bestandsgebäude
verbunden.
Weite mit Ausblick
Der Erweiterungsbau übernimmt auch die Funktion des Haupteingangs
in das Museum. Im Erdgeschoss befinden sich Kassenbereich, Shop und
Café sowie ein Veranstaltungssaal. Das Café öffnet sich mit einem
Außenbereich zur Fuge
zwischen Alt- und Neubau. Der Museumsshop mit Leseecke bildet den
eingeschossigen Verbindungsriegel zum Bestand.
In den Obergeschossen liegen die teilweise zweigeschossige Bibliothek mit Leselounge, ein weiteres Depot und Aufenthaltsräume für die Angestellten. Über das barrierefreie Treppenhaus mit Aufzug an der Nordseite sind die Bibliothek und das Dachgeschoss mit den Büroräumen des Museums unabhängig von den Öffnungszeiten der Ausstellungsräume zugänglich. Der Kleinteiligkeit im Bestand setzen die Architekten im Erweiterungsbau bewusst großzügige Raumfolgen mit reizvollen Ausblicken in den Stadtraum entgegen.
Das viergeschossige Gebäude ist vollständig unterkellert. Im Untergeschoss befinden sich eine Sonderausstellungsfläche und ein Depot. Weiterhin sind die Sanitäranlagen für Besucher, ein Garderobenraum für Mitarbeiter, ein Abstell-/Putzraum sowie die Technikzentrale, Hausanschlussräume und die übergeordneten Infrastruktureinrichtungen im Untergeschoss untergebracht.
Mauerwerk: Geschlämmte Klinkerfassade
Der Erweiterungsbau wurde in Massivbauweise aus Stahlbeton mit
tragenden Außen- und Innenwänden sowie einzelnen Stützen errichtet.
Für den Entwurf ist das Erscheinungsbild der Fassade von besonderer
Bedeutung: Die vorstehenden und zurückspringenden Klinker
formen eine raue, bewegte Oberfläche, die je nach
Lichtverhältnissen mal sanfte, mal scharfe Konturen erkennen lässt.
Durch die ockerfarbene Schlämme wurde das Fugenbild egalisiert und
die farbliche Homogenität der Fassade verstärkt.
Konstruktiv ist die zweischalige Außenwand mit Luftschicht und Wärmedämmung von innen nach außen folgendermaßen ausgeführt: 1,5 cm geglätteter Kalkgipsputz, 30 cm Stahlbeton als tragende Schale. Auf die Stahlbetonwand wurde eine 16 cm dicke Fassadendämmung aus Mineralwolle aufgebracht. Um eine 4 cm breite Hinterlüftung abgerückt, wurde das 9 cm starke Sichtmauerwerk erstellt. Als Ziegelstein wurden Klinker im Sonderformat 24 x 9 x 5,2 cm verwendet und abschließend bauseits geschlämmt. Aufgebrochen wird die Klinkerfassade durch traditionelles Lochmauerwerk, das zur Verschattung der großen Fensteröffnungen dient. Im Sockelgeschoss nimmt der Neubau Bezug zu Proportion und Rhythmus der Rustika des Bestands auf und schichtet die Klinker zu abgeschrägten und – im Unterschied zum Altbau – vertikalen Lamellen. Dafür wurden Formziegel mit teilweise ausgeklinkten oder geschrägten Kopfflächen in den Längen 26, 38, 41 und 49 cm bei 9 cm Breite und 5,2 cm Höhe verwendet.
Die Fenster bestehen aus 3-Scheiben-Isolierverglasung und sind im Erdgeschoss einbruch- und alarmgesichert. Die Hauptdachflächen wurden als Flachdächer mit Gefälledämmung (Warmdach) ausgebildet.
Bautafel
Architekten: ARGE Gatz, Kuntz, Manz (Entwurf); umarchitekt, Bamberg (Ausführungsplanung)
Projektbeteiligte: Ulm-Ingenieurgesellschaft, Erlangen (Statik); TGA Erlangen - Planungsbüro für Gebäudetechnik, Erlangen (TGA); Basic Gesellschaft für Bauphysik Akustik Sonderingenieurwesen Consultance, Gundelsheim (Energie, Bauphysik, Akustik); ratec licht, Lindenberg (Lichtplanung); Planungsbüro Kellner, Bad Staffelstein (Vermessung); Fischer GeoPlan, Heilsbronn (Geothermie); R & H Umwelt, Nürnberg (Schadstoffuntersuchung); Gima Ziegel, Marklhofen (Hersteller Vormauerziegel); Maxit, Azendorf (Fassadenschlämme)
Bauherr: Kulturstiftung Fürth im Sondervermögen der DT Deutsche Stiftungstreuhand, Fürth
Fertigstellung: 2018
Standort: Königstraße 89, 90762 Fürth
Bildnachweis: Gerhard Hagen, Bamberg; Alexander Bernhard/ Gima; umarchitekt, Bamberg
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