Kirche am Meer in Horumersiel-Schillig
Zweischalige Außenwand mit anthrazitfarbenen Ziegeln aus dem Ringofen
In Horumersiel-Schilling im friesländischen Wangerland ist die Mehrheit der Bevölkerung evangelisch. So verwundert es nahezu, dass hier ein Neubau der katholischen Kirche St. Marien realisiert wurde. Doch bei der Gemeinde handelt es sich um ein beliebtes Ferienziel an der Nordsee und somit dient die Kirche am Meer nicht nur ihren 800 Katholiken sondern auch den zahlreichen Urlaubern als Gotteshaus. Der Entwurf von Königs Architekten ging 2009 als erster Preis aus einem Wettbewerb hervor.
Gallerie
Das Gebäude erinnert mit seinem Turm und der Grundrissform an
einen klassischen Kirchenbau, gleichzeitig lässt die geschwungene
Wand- und Dachausbildung auch eine Interpretation von Wellen, Dünen
und Meer zu. Der Grundriss des Kirchenraumes hat die Form eines
Kreuzes – ein Kirchenschiff mit zwei Seitenschiffen. Diese sind
jedoch nicht wie üblich rechtwinklig sondern mit abgerundeten Ecken
zueinander angeordnet. Der überdachte Eingang und alle notwendigen
Nebenräume sind wie eine zweite Schicht um den Kirchenraum gelegt
und zeichnen sich nach außen mit rechten Winkeln ab. So entsteht in
der Ansicht die Wirkung eines quaderförmigen, eingeschossigen
Sockels aus dem sich der geschwungene Baukörper entwickelt. Das
wellenförmige Dach des Kirchenraumes erhebt sich gen Westen und
läuft spitz in einem 20,08 m hohen Glockenturm zu.
Mauerwerk
Die Außenwand der Kirche am Meer ist zweischalig, bestehend aus
einer innenseitig verputzten, tragenden Stahlbetonwand mit
vorgehängtem Mauerwerk. Den Zwischenraum füllen eine 120 mm
Wärmedämmung und eine 40 mm dicke Luftschicht. Das Verblendmauerwerk ist mittels Drahtankern und
Konsolen an der Stahlbetonwand befestigt. Die Edelstahl-Konsolen
sind im Regelabstand von 460 mm direkt in den Stahlbeton gedübelt,
um ein Auflager für jeweils zwei Steine schaffen zu können; in den
geschwungenen Wandbereichen wurden entsprechend kurze
Winkelsegmente verwendet. Das Mauerwerk wurde bis zu einer Höhe von
17,50 m als vorgehängte Schale ausgeführt. Bis zur Turmspitze in
der Höhe von 20,08 m, sind die verbleibenden 2,50 m als Fertigteil
in Beton erstellt, bei dem die Steine bereits in die Schalung
eingelegt wurden.
Bei den eingesetzten Mauerziegeln handelt es sich um Klinker im
Oldenburger Format (220 x 105 x 52 mm) mit einer Rohdichte von
20 kN/m³. Um ein möglichst ortstypisches Mauerwerk herzustellen,
erfolgte der Brand in einem der letzten noch existierenden Ringöfen
Deutschlands. Im Gegensatz zum heute üblichen Tunnelofen ist das
Brennergebnis eines Hoffmanschen-Ringofens besonders durch den
Unikatcharakter jedes einzelnen Ziegels geprägt. Zusätzlich wurden
die eigentlich schon fertigen Steine dann in einem speziellen
Verfahren, dem Dämpfen, einem zweiten Brand ausgesetzt. Das Dämpfen
von Mauerwerksziegeln ist eine Technik, die in der Barockzeit in
Holland entwickelt wurde und die sich in der Benelux-Region, in
Dänemark und am Niederrhein bis heute als Spezialanwendung gehalten
hat. Ziel beim Dämpfen ist es, dem Ziegel ein
anthrazitfarbiges Aussehen zu geben. Es handelt sich beim Dämpfen
nicht um eine Oberflächenbearbeitung, sondern um einen chemischen
Veränderungsprozess, der den ganzen Ziegel bis in den Kern erfasst.
Beim zusätzlichen Brand wird ein Kammerofen, nachdem er mit den
Ziegeln beschickt wurde, komplett abgedichtet, sodass sie nur
mittels des vorhandenen Sauerstoffs im Ofen selber brennen. Sie
„schmoren“ im eigenen Dampf.
Die Klinker für die Kirche am Meer verblieben
vier Tage im Kammerofen bei circa 1.000° C Brenntemperatur. Gegen
Ende des Brennvorgangs wurde von außen zusätzlich Kohle in den
Brennraum geschüttet um die Temperatur erneut hochzufahren, sodass
der Restsauerstoff komplett verbraucht wurde. Der Sauerstoffhunger
des Feuers im Brennraum führt dazu, dass dem Tonmaterial die
Oxidanteile entzogen werden. Normalerweise oxidiert ein Ziegel bei
ausreichender Sauerstoffversorgung des Brennraumes und enthält so
seine typische rot-braune Farbe. Bei der stark kohlestoffhaltigen
Brennatmosphäre während des Dämpfens kommt es nicht zu diesem
Oxidationsprozess, sondern zu einem Reduktionsprozess, bei dem die
Umwandlung des Eisenoxids zu Eisenoxidul die angestrebte
Anthrazitfarbigkeit erzeugt.
Die Oberfläche des hier verwendeten, gedämpften Klinkers changiert
zwischen matter Bleifarbigkeit, ölig schimmernden Grün- und
Blauanteilen, Salzverkrustungen, Bronzetönen und glänzenden
Schwarztönen. Die eingeschüttete Kohle hinterlässt ebenfalls Spuren
auf der Ziegeloberfläche. Diese sind mehr oder weniger deutlich, je
nachdem wie nah der Stein an der Schüttöffnung gelegen hat.
Das Klinkermaterial für die Kirche am Meer wurde bereits in
gemischter Sortierung auf Paletten angeliefert. Dennoch achteten
die Handwerker beim Vermauern zusätzlich auf einen Wechsel von
Kopf- und Fußseiten und drehten jeden einzelnen Stein mit seiner
schönsten Seite nach außen. Einige Klinker wurden wegen
Deformierungen und anderen Besonderheiten werksseitig aussortiert,
jedoch als gewünschte Unikate im laufenden Vermauern wieder
verstreut eingefügt, um die Lebendigkeit des Mauerwerks zu
steigern.
Das Mauern und Verfugen erfolgte in einem Arbeitsgang mit einem
Fugenglattstrich mittels Holzspan. Dadurch wird
eine homogene Konsistenz der Mörtelfuge gewährleistet und es
entstehen keine unregelmäßigen Verfärbungen oder Ablösungen.
Quelle: Ulrich Königs (Königs Architekten, Köln)
Bautafel
Architekten: Königs Architekten, Köln
Projektbeteiligte: Göken + Henckel Architekten, Oldenburg (Ausschreibung und Bauleitung); Arup, Düsseldorf (Statik); ISRW Klapdor, Düsseldorf (Bauphysik); Gruppe Ingenieurbau, Donker + Dammann, Oldenburg (Haustechnik); Günter Fisbeck, Oldenburg (Elektrotechnik); Lichtplanung A. Hartung, Köln (Lichtplanung); Backstein-Kontor, Köln (Klinkerhersteller)
Bauherr: Katholische Kirchenfonds St. Marien, Horumersiel-Schillig
Fertigstellung: 2012
Standort: Jadestraße 34, 26434 Wangerland
Bildnachweis: Königs Architekten, Köln
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