Gewölbe-Wiederherstellung St. Marienkirche Prenzlau
Frei gemauert über hölzernen Lehrgerüsten
Die siebzig Meter hohen Türme der evangelischen Hauptpfarrkirche
St. Marien überragen die Stadt Prenzlau und machen das Gebäude zu
einer der höchsten seiner Art im Land Brandenburg. Die
dreischiffige Hallenkirche im Stil der Backsteingotik wurde von 1289 bis 1340 errichtet
und misst mit ihren sieben Jochen 56 Meter in der Länge. Von
besonderer Bedeutung ist die prächtige; östliche Schaufassade, wo
die reichen Verzierungen des Gotteshauses ihren Höhepunkt
erreichen. Im 14. und 15. Jahrhundert wurde der Bau um zwei
Kapellen-Anbauten und zwei Vorhallen auf der Nord- und Südseite
vergrößert. Leider brannte die Kirche bei der Befreiung von
Prenzlau am Ende des Zweiten Weltkrieges bis auf die
Umfassungsmauern aus. Dachwerk und Gewölbe
stürzten ein. Nach einer Notsicherung des Giebels in der
Nachkriegszeit zog sich der schrittweise Aufbau bis heute
hin.
Gallerie
Am 14. Januar 2020 konnte endlich der letzte Schlussstein des neuen Gewölbes gesetzt werden. Die auf Denkmäler und historische Gebäude spezialisierte Generalplaner Krekeler Architekten haben dessen Wiederherstellung geplant und angeleitet. Der Innenraum kann ab Herbst 2021 nach der Erneuerung der Orgel und der Empore wieder für Gottesdienste genutzt werden.
Rekonstruktion der Gewölbegeometrie
Als Grundlage für die Planung wurde eine gründliche bauhistorische Untersuchung mittels eines Hubsteigers vorgenommen. Dabei wurden die unterschiedlichen Ziegelformate und konstruktiven Besonderheiten aufgenommen, welche als Basis des Wiederaufbaus dienten. Um die Gewölbegeometrie des 2.000 Quadratmeter großen Gewölbes der Prenzlauer Kirche zu rekonstruieren, haben die Architekten vergleichbare Gewölbe zeitgleich entstandener Kirchen ausgemessen. Deren Maße und Proportionen wurden danach auf die räumlichen Verhältnisse der Marienkirche übertragen. Den Verlauf der Rippenbögen konnten sie durch Rückentzerrung historischer Messbilder rekonstruieren, wobei jedes Joch leicht variiert.
Wiederbelebung traditioneller Handwerkstechniken
Für die Mauerung des neuen Gewölbes griffen die Verantwortlichen auf traditionelle handwerkliche Techniken zurück. Die Gewölbekappen wurden frei über hölzerne Lehrgerüste gemauert. Die Handwerker haben dabei die Krümmung der Bögen nach einer festen Formel und örtlichen Parametern wie Lage des Kämpferansatzes, Spannweite und Lage der Schlusssteine ermittelt und auf die Lehrgerüste übertragen. Wichtig beim Aufmauern der Gewölbekappen war die Busung, die in den Seitenschiffen etwa zwanzig Zentimeter und in den Mittelschiffen etwa 25 Zentimeter beträgt. Dadurch ergibt sich der für die spätmittelalterlichen Gewölbe charakteristische „Schattenkranz“ um die Schlusssteine. Die Gewölbe erreichen ihre Stabilität erst mit der Setzung des Schlusssteins in der Mitte der sich kreuzenden Rippen. Um die Bauarbeiten in 16 bis 23 Metern Höhe durchzuführen, wurde das Kirchenschiff innen komplett eingerüstet.
Unterschiedliche Ziegelarten gekrönt mit einem Kunstwerk
Für das neue Kirchengewölbe wurden etwa 120.000 Backsteine benötigt. Deren Form wurden vom historischen Vorbild übernommen. Da jedoch keine eindeutigen Zeugnisse über die farbliche Gestaltung des Gewölbes gefunden wurden, sind die Gewölbekappen mit weißlicher Kalktünche gestrichen. Damit geben sie sich als neues Element zu erkennen und bilden einen bewussten Kontrast zu den steinsichtigen Wänden. Die ziegelsichtigen Rippen verbinden die Backsteinwand optisch mit dem weißen Gewölbe.
Bei den Gewölbeziegeln handelt es sich teilweise um Wasserstrichziegel nach den vorgefundenen mittelalterlichen Maßen von 29 x 14 x 10 cm. Ebenfalls zum Einsatz kamen stranggepresste Ziegel im Normalformat aus einer Ziegelei in Oberschlesien mit einer Rohdichte von 1,6kg/dm3. Der Ton stammte aus der jeweiligen Gegend der Ziegeleien. Die Rippenziegel wurden ebenfalls in Oberschlesien stranggepresst, jedoch an der Unterseite angeraut und geschwämmelt, um einen Wasserstrich zu imitieren und die scharfen Kanten aus der Strangpresse zu mindern. Für den Lochanteil von zwölf Prozent wurden die Löcher derart angeordnet, dass das sonst oftmals auftretende sternförmige Reißen des Tons während des Trocknens vermindert wurde. Die Schlusssteine des Seitenschiffs sind eine Sonderanfertigung einer Ziegelei in Nossen. Das Mittelschiff erhielt sieben Schlusssteine. Der aus der Region stammende Künstler Jörg Steinert gestaltete die unterseitigen Motive der Schlusssteine aus schwedischem Granit, der aus Findlingen der Uckermark stammt. -sh
Bautafel
Architekten: Krekeler Architekten Generalplaner, Brandenburg an der Havel
Bauherrschaft: Evangelische Kirchengemeinde Prenzlau
Fertigstellung (Wiederaufbau): 2020
Standort: Marienkirchstraße 4, 17291 Prenzlau, Deutschland
Bildnachweis: Krekeler Architekten Generalplaner (Stefan Melchior), Brandenburg an der Havel
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