Zentrale der Aachen Münchener Versicherung in Aachen
Gläsernes Stadtimplantat
Vielerorts besetzen großräumige Firmenkomplexe innerstädtischen Raum. Abgeschottet von der Umgebung entziehen sie mitunter ganze Stadtteile der Öffentlichkeit. Bei der Erweiterung der Aachen Münchener Versicherung ist das zum Glück nicht geschehen. Statt den Flächenbedarf von rund 30.000 m² in einer undurchlässigen Großstruktur unterzubringen, hat das mit der Planung beauftragte Büro Kadawittfeld Architekten eine andere Lösung gefunden. Anlass für den Neubau war der Wunsch des Bauherrn, die bisher auf mehrere Standorte verteilten Geschäftsbereiche in einem zusammenhängenden Gebäudekomplex am Hauptsitz des Unternehmens in der Aachener Innenstadt zu bündeln.
Gallerie
Die Architekten verteilten das Gebäudevolumen auf vier
Baukörper, die sich über zwei Blöcke der gründerzeitlichen
Stadtstruktur erstrecken und passten sie in der Höhenentwicklung
der umgebenden Bebauung an. Ihre gewinkelte und gegeneinander
versetzte Anordnung ließ nicht nur eine Reihe von Plätzen
entstehen, sondern ermöglicht auch eine direkte Fußwegeverbindung
zwischen Hauptbahnhof und Innenstadt. Das Bestandsgebäude der
Versicherung – eine zehngeschossige Büroscheibe aus den 1970er
Jahren – blieb erhalten und fügt sich wie selbstverständlich in das
neue Gebäudeensemble ein. Um den Außenraum städtebaulich zu
beleben, sind in den Erdgeschosszonen Läden, Gastronomie und eine
Post untergebracht.
Der in Anlehung an die Kölner Kulturmeile Via
Culturalis genannte Fußweg verläuft zwischen und unter den
drei- bis sechsgeschossen Neubauten hindurch, überwindet mit einer
63 Meter langen und 20 Meter breiten Freitreppe einen
Höhenunterschied von rund acht Metern und endet an der Borngasse.
Am Fuß der Freitreppe liegt der Haupteingang, ein zweiter Zugang
befindet sich im Bestandsgebäude an der Aureliusstraße. Beide
führen auf den internen Boulevard im ersten Obergeschoss. Er
ist gewissermaßen der Nabel des Gebäudeensembles und verbindet alle
Baukörper untereinander. Wer zu seinem Arbeitsplatz oder zu einem
anderen Gebäudeteil gelangen möchte, muss ihn durchqueren; eine
andere Erschließung gibt es nicht. In einer Folge von Aufweitungen
und Verengungen ähnelt er einem geschützten Straßenraum. Hier sind
alle kommunikativen Bereiche der Versicherung wie Cafeteria,
Kantine, Konferenz- und Schulungsbereiche, Sitzungszimmer und
Kommunikationszonen angeordnet. Am Schnittpunkt des inneren
Boulevards und der äußeren Via Culturalis liegt das neue
Foyer Darüber befinden sich die Büro- und Vorstandsgeschosse,
darunter die Anlieferung, Werkstätten und die Tiefgarage.
Jeder dieser drei Nutzungsbereiche ist unterschiedlich
gestaltet: Das überwiegend geschlossene Sockelgeschoss ist mit
goldfarbenen Aluminiumtafeln verkleidet, darüber verläuft
mäanderförmig der komplett verglaste Verbindungsweg. Den jeweiligen
oberen Gebäudeabschluss bilden die schwarz gerahmten Glasfassaden
der Büroetagen, die auf sehr schlanken Rundstützen teilweise weit
über die unteren Geschosse auskragen. Bei der Materialwahl der
Innenräume orientierten sich die Planer am Straßenraum: der
Betonwerksteinbelag des Platzes reicht bis ins Foyer, der Boulevard
ist mit anthrazitfarbenem Terrazzo bedeckt. Alle notwendigen
haustechnischen Einbauten, wie Sprinkler, Elektro, Akustik, sind
schwarz eingefärbt und liegen hinter einer abgehängten Decke aus
weiß lackierten Streckmetall-Elementen verborgen. Eine ähnlich
reduzierte Farb- und Materialwahl bestimmt auch die
Innenausstattung: Bei den Einbaumöbeln dominieren die Farben Weiß
und Silber, einige schwarze und rote Sitzmöbel sorgen für farbliche
Auflockerung.
Glas
Die Fassaden sind den Anforderungen des jeweiligen
Nutzungsbereiches entsprechend unterschiedlich ausgebildet. In den
Bürogeschossen sind sie als anthrazit eloxierte
Aluminium-Elementkonstruktion mit raumhoher Verglasung ausgeführt.
Die Elementbreiten von 1,35 m bzw. 2,70 und Höhen von 3,23 m und
4,60 m entsprechen dem Ausbauraster. Gestalterische Akzente setzen
schmale, gold eloxierte Alupaneele, die in unregelmäßigen Abständen
über die Fassade verteilt sind. Außen liegende Glasleisten an den
oberen und unteren Geschosskanten halten die Fassadenelemente;
seitlich sind die Glasscheiben durch eine flächenbündige Verklebung
(Structural-Glazing) miteinander verbunden. Da aus
gestalterischen Gründen keine Brüstungen
gewünscht waren, entschieden sich die Planer für eine
absturzsichernde Isolierverglasung. Eine im Magnetron-Sputter-Verfahren auf der Innenseite
der Außenscheibe aufgebrachte Beschichtung sorgt für den notwendigen
Wärmeschutz.
Der Boulevard hebt sich mit seiner Ganzglasfassade und der geschwungenen Form deutlich von den anderen Geschossen ab. Eingesetzt wurde eine Zweischeiben-Isolierverglasung, die im Schwerkraftbiegeverfahren ihre Form erhielt und mit einer Sonnenschutzbeschichtung ausgestattet ist. Wie in den Bürogeschossen sind die seitlichen Scheiben absturzsichernd ausgeführt, an einigen Stellen zieht sie sich als Überkopfverglasung bis in die Decke hinein.
Die zweigeschossige Eingangsfassade im Foyer ist als
Pfosten-Riegel-Konstruktion ausgebildet. In sie flächenbündig
integriert sind motorisch betriebene Ganzglaslamellen. Überall
dort, wo im Erdgeschoss keine Sichtbeziehungen nach außen gewünscht
waren, ist das Gebäude mit einer hinterlüfteten
Fassadenkonstruktion bedeckt, deren Außenhaut aus Aluminiumpaneelen
besteht. Vor den wenigen Fensteröffnungen im Sockelbereich sind
Vertikallamellen installiert, die als Sicht- und Sonnenschutz
dienen.
Bautafel
Architekt: Kadawittfeld Architektur, Aachen
Projektbeteiligte: Club L94 Landschaftsarchitekten, Köln (Außenraumplanung); Dr. Binnewies Ingenieurgesellschaft, Hamburg (Tragwerksplanung); Tohr, Bergisch Gladbach (Bauphysik); Schmidt Reuter, Köln (TGA); Alpine Bau, Eching (Betonbau); DLW Flooring, Bietigheim-Bissingen (Linoleum); PBI, Wertingen (Fassadenplanung); Saint-Gobain Glassolutions, Flachglaswerk Radeburg (Sonnenschutzglas); Saint-Gobain Glassolutions, Döring Glas, Berlin (Gebogenes Glas)
Bauherr: Generali Deutschland Immobilien, Köln
Fertigstellung: 2010
Standort: Aachen Münchner Platz 1 52064 Aachen
Bildnachweis:Jens Kirchner, Düsseldorf und Seelbach Fotografie, Köln für Saint-Gobain Glass, Aachen
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