Bürogebäude Haus Havanna in Linz
Elementierte Glasbausteinfassade
In der Tabakfabrik Linz fand noch bis 2009 die Zigarettenproduktion statt, bevor die Stadt Linz das Areal übernahm und seitdem als Zentrum der Kreativwirtschaft und der Digitalisierung in der oberösterreichischen Landeshauptstadt entwickelt. Bei der denkmalgeschützten Industrieanlage handelt es sich um Österreichs ersten Stahlskelettbau im Stil der Neuen Sachlichkeit. Das Haus Havanna wurde in den 1930er Jahren nach den Plänen von Peter Behrens und Alexander Popp erbaut und als Tabaklager genutzt. Mitte der 1960er ist das Speichergebäude aufgestockt und die Freiräume zwischen den Magazinen überbaut worden. Um das erhaltenswerte Bauwerk wieder nutzbar zu machen, wurde es bis 2022 nach Plänen von Kaltenbacher und Steinbauer Architekten zu einem Bürogebäude umgebaut.
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Wiederbelebung mit großer Tageslichtausbeute
Zunächst sind im Jahr 2017 alle nicht-denkmalgeschützte Bauteile abgebrochen worden. Im Zuge eines EU-weiten Vergabeverfahrens zur Ideenfindung sollte dem vormals weitgehend unbelichteten Bau durch eine neue Fassadengestaltung und Neukonzeption des Inneren wieder Leben eingehaucht werden. Im Rahmen ihres denkmalpflegerischen Konzeptes suchten Kaltenbacher und Steinbauer Architekten eine ausgewogene Balance zwischen Erhalt des Industriedenkmals und einer Fassade mit eigenem Charakter. Schlüsselelement der neuen Hülle ist der aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts stammende Glasbaustein: Er vermittelt den Charakter der Neuen Sachlichkeit und sorgt zugleich für eine große Lichtausbeute im Inneren des ehemals dunklen Tabakspeichers.
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Fassade mit charakteristischer Anmutung
Insgesamt 70.000 Glasbausteine setzen sich zu einer Fassade mit rund 1.800 Quadratmetern Fläche zusammen. Um der ursprünglichen Gliederung zu entsprechen, verschwinden alle tragenden Stahlkonstruktionen im Inneren der Glasbausteinfugen und werden ausschließlich horizontal in Form einer tragenden Fensterbänderung sichtbar – die sich an die bauzeitlichen Fensterbänder orientieren. Dementsprechend ordnen sich die Stahlfenster in das vorgegebene Betonskelett-Raster ein. Gemäß dem historischen Vorbild erfolgt die natürliche Belüftung dank der Schwingflügelöffnungen. Die gesamte Glasbausteinfassade ist von einem schwarzen Stahlband umschlossen, das die Grenze zwischen Bestehendem und Neugeschaffenem markiert. Es verläuft um die Fassade herum und mündet optisch in einer neuen Vordachkonstruktion. Dessen Vorgänger war in den 60er Jahren verloren gegangen.
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Die Glasbausteinfassade wurde in Elementbauweise errichtet, wobei die 148 raumhohen Fassadenelemente im Fassadenraster der Primärtragstruktur ausgelegt wurden. Jedes Fassadenelement ist über Konsolen an die Bestandsdecken angebunden. Das rostartige Traggerüst der Fassadenelemente besteht aus Flachstähle, die durch Bewehrungslagen (Stabdurchmesser: 6 mm) zwischen den Glasbausteinen verstärkt werden. Die Glasbausteine sind in 18 mm dicke und schwarzgraue Mörtelfugen aus Leichtbaumörtel eingebettet. Die Glasbausteine weisen einen Wärmedurchgangskoeffizienten von 1,8 W/(m²K) sowie einen Lichttransmissionsgrad zwischen 60% und 70% auf.
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Vertikale Erschließung über aufwändig gestaltetes Treppenhaus
Nach dem Umbau umfasst das Gebäude eine Nutzfläche von 8.000 Quadratmetern mit 300 Arbeitsplätzen. In den unbelichteten Ecken liegt jeweils ein Sanitärkern. Außerdem neu ist der neue zentrale Treppenturm mit zwei gegenläufig angeordneten und einläufig spannenden Sichtbetontreppen. Die Geländer bestehen aus massiven Rundstahlstäben, die mittels Kernbohrungen direkt in den Treppenläufen verankert sind. In Anlehnung an die Vielzahl an Bullaugenfenstern auf dem Fabrikgelände, findet sich auf Höhe der Kreuzungspunkte der gegenläufigen Treppen je eine Rundverglasung. Der restliche Innenraum ist frei bespielbar und soll von den künftigen Nutzer*innen selbst gestaltet werden.
Bautafel
Architektur: kaltenbacher ARCHITEKTUR, Scheiblingkirchen; STEINBAUER architektur+design, Wiener Neustadt
Projektbeteiligte: PORR, Wien (Fassadenkonstruktion); Fuchs Design, Kerken (Glasbausteine); Jansen, Oberriet (Fensterbänder); Thomas Lorenz, Graz, und KMP, Linz (Tragwerksplanung); FURAL - Systeme in Metall, Gmunden (Streckmetall)
Bauherr/in: Immobilien Linz
Fertigstellung: 2022
Standort: Peter-Behrens-Platz 4, 4020 Linz
Bildnachweis: STEINBAUER architektur+design
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