Parlament der französischen Gemeinschaft in Brüssel
Structural-Glazing-Vorhangfassade aus unregelmäßigen Glaswaben
Der Streit zwischen den niederländischsprachigen Flamen und den französischsprachigen Wallonen ist so alt wie der belgische Staat selbst. Um diesem Problem zu begegnen, setzte man ab den 1970er Jahren auf eine Dezentralisierung und teilte das Land in sechs Gliedstaaten auf. Einer davon ist die zweisprachige Region Brüssel-Hauptstadt, zu der neben Brüssel 18 weitere Gemeinden gehören. Sie verfügt über eine eigene Regierung und ein eigenes Parlament. Letzteres hat seinen Sitz in einem mehrfach umgebauten Palais aus dem späten 17. Jahrhundert in der Rue de Lombard. Direkt daneben vertritt seit Kurzem das Parlement Francophone Bruxellois, das Parlament der Französischen Gemeinschaft, die Interessen der Wallonen in einem extravaganten Neubau, der nach Plänen des Architekturbüros Skope als zweiter Flügel des historischen Bestandsgebäudes entstand.
Gallerie
Die Architekten sehen ihre zeitgenössische Ergänzung nicht als Kontrast, sondern als Weiterentwicklung des Vorhandenen, obwohl das auf den ersten Blick nicht zu erkennen ist. Von außen ist das sechsgeschossige Büro- und Verwaltungsgebäude komplett in eine wabenartige Glasfassade gehüllt, hinter der sich eine weiß eloxierte Aluminiumhaut verbirgt, die wiederum die tragende Betonstruktur verdeckt. In die Betonwände sind großformatige Fenster eingelassen, vor denen Sonnenschutzrollos angebracht sind. Da die Rollos den gleichen weißen Farbton aufweisen wie die Aluminiumfassade, verdecken sie in heruntergelassenem Zustand die Fenster so vollständig, das diese optisch nicht mehr in Erscheinung treten (wie die Fotos belegen). Erst in geöffnetem Zustand ist erkennbar, dass sich die Gliederung der Elementfassade in Symmetrie und Proportion auf das historische Parlamentsgebäude bezieht.
Auffälliger ist in jedem Fall die alles umhüllende Glasfassade. Mit ihrer unregelmäßigen Wabenstruktur, die sich aus fünf- bis siebeneckigen Einzelfeldern zusammensetzt, ähnelt sie den Äderungen eines Libellenflügels.
Glas
Der Fassadenaufbau besteht aus einer tragenden
Ortbetonkonstruktion von 20 cm Dicke, einer mit 2 mm starken
Aluminiumpaneelen kaschierten Wärmedämmschicht aus
Polyurethan-Hartschaumplatten von gut 17 cm Dicke, dann folgt eine
Luftschicht und schließlich die vorgehängte Glasfassade mit einer
Gesamtfläche von rund 1.000 Quadratmetern. Letztere wird von
Edelstahl-Hohlprofilen gehalten, die punktförmig an den Betonwänden
befestigt ist.
Die Glashaut selbst besteht aus 8 mm ESG aus
eisenoxidarmem Weißglas, das aufgrund des geringen
Eisenoxidanteils nicht den glastypischen Grünstich aufweist. Ihre
jeweils etwa vier Quadratmeter großen Glasscheiben sind als
Structural-Glazing-Fassade auf die dahinterliegende
Edelstahlunterkonstruktion geklebt. Zum Einsatz kamen fünf
unterschiedliche Glasformate. Die Fenster in den Ortbetonwänden
hinter der gläsernen Wabenstruktur sind mit
Dreifach-Isolierverglasungen ausgestattet, deren Wärmedurchgangskoeffizient UW < 0,8
W/(m²K) beträgt.
Bautafel
Architekten: Skope, Brüssel
Projektbeteiligte: Bureau Pirnay, Charleroi (Tragwerksplanung); Groven+, Mechelen (Edelstahlfassade und Verglasung); Entreprise Jaques Delens, Watermael-Boitsfort (Generalunternehmer); Grontmij (Technische Gebäudeausrüstung); Bham Design Studio, Brüssel (Innengestaltung)
Bauherr: Parlement Francophone Bruxellois, Brüssel
Fertigstellung: 2013
Standort: Rue du Lombard, 77, 100 Bruxelles
Bildnachweis: Georges de Kinder, Brüssel
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