Stiftung Feltrinelli Porta Volta in Mailand
Moderne Glas-Kathedrale mit Schallschutzverglasung
Der Gründer des berühmten Feltrinelli-Verlags, Giangiacomo Feltrinelli, war eine der ungewöhnlichsten Figuren der Nachkriegszeit. Er wird als Verleger, Politiker und Revolutionär beschrieben, der auch mit Che Guevara und Rudi Dutschke befreundet war. Er lebte bis zu seinem Tod bei einer Bombenexplosion 1972 im politischen Untergrund. Die Fondazione Giangiacomo Feltrinelli widmet sich seither mit sozialen und politischen Themensetzungen dem ideellen Erbe Feltrinellis. Mit rund 1,5 Millionen Archivblättern, 250.000 Bänden, 17.000 Zeitschriften und 14.000 politischen Plakaten verfügt die Stiftung heutzutage europaweit über einen der reichsten Bestände zur Geschichte und Theorie der Politik und der Sozialbewegungen. Waren Bibliothek und Archiv bislang an unterschiedlichen Orten untergebracht, vereint nun ein Neubau in Mailand diese nun.
Gallerie
Gläserne Kathedrale
Entworfen wurde das gotisch anmutende, fast 200 Meter lange und 32 Meter hohe Gebäude mit spitz zulaufender Dachstruktur und angewinkelten Fassaden von Herzog & de Meuron. Lichtdurchflutet und nach allen Seiten verglast, bezeichnet Jacques Herzog das Glashaus auch gerne als „laizistische Kathedrale". Genutzt wird das Gebäude in einem Drittel durch die Stiftung und den Verlag, während der größere Teil der Firma Microsoft als italienischer Hauptsitz dient. Die beiden Gebäudeteile werden durch einen schmalen Spalt voneinander getrennt, was sie als zwei unabhängige Konstruktionen und Nutzungen ersichtlich macht. Die Stiftung im kleineren Gebäudeabschnitt beherbergt im Erdgeschoss das Foyer, die Cafeteria und einen Buchladen. Darüber sind ein zweigeschossiger Multifunktionsraum und Büroflächen angeordnet. Im Dachgeschoss bietet ein Lesesaal Forschern und der interessierten Öffentlichkeit die Möglichkeit, Dokumente aus der bedeutenden Sammlung zu studieren.
Glas und Beton
Im dichten Stadtgefüge von Mailand stellt der Neubau an der Porta Volta einen Fremdkörper dar, der sich durch seine Bezüge zum historischen und morphologischen Kontext zeitgenössisch in sein Umfeld integriert. Durch die einfach wirkende Geradlinigkeit und der vertrauten Erscheinung eines Satteldachs haben die Architekten zwei außergewöhnliche Baukörper geschaffen. Die Primärstruktur des Gebäudes besteht aus Betonrahmen, die in einem strengen Raster angeordnet sind. Während das Gebäudevolumen parallel zur Straßenachse verläuft, wurden die Betonrahmen im Inneren um etwa 48 Grad dazu rotiert, was zu einer dynamischen Verzerrung der Geometrie führt. Entlang der Gebäudelängsseiten wechseln sich die Betonrahmen mit gläsernen Ausfachungen ab. Sowohl Rahmen als auch Verglasungen verlaufen dabei über den gesamten Baukörper; mit Ausnahme der Dachneigung wird nicht zwischen Fassade und Dach unterschieden. Die Deckenplatten kragen um 1,30 Meter über die Fassadenebene aus, wodurch der Bau eine plastische horizontale Strukturierung erfährt. Die Stirnseiten sind hingegen eben ausgeführt und weisen raumhohe Verglasungen auf, die ausschließlich durch die flächenbündig angeordneten Deckenriegel unterbrochen werden.
Gläserner Schallschutz
Durch die angrenzende und vielbefahrene Viale Francesco Crispi wird ein hohes Maß an Straßenlärm emittiert. Bedingt durch den hohen transparenten Anteil der Fassadenfläche mussten die erforderlichen Schallschutzmaßnahmen somit wesentlich durch die Verglasung erreicht werden. Bei den insgesamt 1.224 Fenstern und Festverglasungen mit insgesamt über 10.000 Quadratmetern verglaster Fläche wurden multifunktionale Mehrscheibenisolierverglasungen angewendet, deren innere Ebene aus Verbundsicherheitsglas aus 2 x 4 mm bzw. 2 x 5 mm und 0,76 mm PVB-Folie mit speziellen Schallschutzeigenschaften realisiert wurden. Neben den schalltechnisch optimierten Eigenschaften dieser Spezialverglasung gewährleistet sie zugleich, wie gewöhnliche PVB-Folien, sicherheitsrelevante Funktionen wie etwa die Absturzsicherheit.
Die äußeren Scheiben der Mehrscheibenisolierverglasung bestehen aus heißgelagertem Einscheibensicherheitsglas (ESG-H, Dicke: 10 mm) und wurden zusätzlich als Sonnenschutzverglasung ausgebildet. Der Ug-Wert des Aufbaus liegt im Bereich von 0,9 W/(m²K). Dabei wurden die Verglasungen im Bereich der Dachschräge und der vertikalen Fassaden identisch ausgebildet. Die Mehrscheibenisolierverglasungen sind in Elementfassaden- bzw. in Teilbereichen auch in Pfosten-Riegel-Konstruktionen allseitig linienförmig gelagert. Im Bereich der südlichen Gebäudelängsseite sind den Verglasungen außen textile Sonnenschutzeinrichtungen vorgelagert.
Bautafel
Architektur: Herzog & de Meuron, Basel
Projektbeteiligte: AZA, Fiorenzuola D’Arda (Fassade); AGC Glass Europe, Louvain-La-Neuve (Verglasung); Resstende, Mailand (Sonnenschutz); Zaring, Mailand (Tragwerksplanung); CMB, Carpi (Genralunternehmer); Orobica, Bergamo (Stahlbetonfertigteile)
Bauherrschaft: Fondo Feltrinelli Porta Volta, Mailand
Standort: Viale Pasubio 5, 20154 Mailand, Italien
Fertigstellung: 2016
Bildnachweis: Filippo Romano, Mailand; Herzog & de Meuron, Basel
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