Bürogebäude und Einkaufszentrum Borislavka in Prag
Structural Glazing Fassade und besondere Glasanwendungen im Innenraum
Der Verwaltungsbezirk und Stadtteil Prag 6 liegt am nordwestlichen Rand der tschechischen Hauptstadt und reicht bis ins historische Zentrum Prags hinein. Lebensader des Bezirks ist die Haupteinfallstraße Evropská, welche seit den 1990er-Jahren kontinuierlich weiterentwickelt wird und das Zentrum mit dem Flughafen verbindet. Bestandteil dieser städtebaulichen Erweiterung ist auch das Bürogebäude und Einkaufszentrum Borislavka, welches unmittelbar gegenüber der gleichnamigen U-Bahnstation liegt. Entworfen wurde es von dem ortsansässigen Architekturbüro Aulík Fišer architekti.
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Anspruchsvolle Ausgangssituation
Erste Herausforderungen in der Planung ergaben sich aus der Unregelmäßigkeit des Grundstückes: Höhenunterschiede zwischen 7 und 14 Metern sowie eine heterogene Nachbarbebauung aus Stadtvillen, Mehrfamilienhäusern und Plattenbauten erforderten einen selbstbewussten Entwurf: Das Ergebnis sind vier solitäre Bürogebäude mit Restaurantflächen und Cafés auf Straßenniveau, die durch ein unterirdisches Einkaufszentrum miteinander verbunden sind. Aus der Unregelmäßigkeit des Bauplatzes heraus ergab sich die differenzierte Form der oberirdischen Baukörper, die nicht zuletzt durch die umhüllenden Ganzglasfassaden wie große Kristalle anmuten.
Moderne und nachhaltige Bürowelt
Die vier Baukörper teilen sich einen gemeinsamen Sockel, mit dem die unterschiedlichen Höhenlagen der benachbarten Straßen ausgeglichen werden. Zwischen den Neubauten sind schmale Gassen und Plätze ausgebildet, die an typische Stadträume dichter historischer Stadtzentren erinnern. Die Büroräume im Inneren wurden entsprechend heutiger Anforderungen ausgestattet, wobei das einheitliche Einrichtungskonzept mit individuellen und maßgeschneiderten Lösungen ergänzt wurde. Im Vordergrund der Innenraumgestaltung standen natürliche Baumaterialien und einer Kombination verschiedener Farben und Texturen. Der Gebäudekomplex wurde unter anderem für die ausgeklügelte Regenwasserbewirtschaftung, die extensive Dachbegrünung und das Energiemanagementsystem mit dem international anerkannten LEED Gold Zertifikat ausgezeichnet.
Structural Glazing Fassade mit kristallinem Charakter
Elementares Gestaltungsmerkmal der Bürogebäude, die den unregelmäßigen Rohbauten zugleich die gewünschte kristalline Wirkung verleiht, sind die vollverglasten Vorhangfassaden. Die insgesamt 18.500 Quadratmeter Fassadenfläche wurden als Elementfassade realisiert, wobei zugunsten einer glatten Außenansicht auf störende Anpress- und Abdeckleisten verzichtet wurde. Stattdessen sind die Verglasungen mit einem statisch wirksamen Randverbund als Structural-Glazing-Anwendung ausbildet. Dabei greifen in den Profilrahmen der Fassadenelemente verschraubte Eindrehhalter in den Randverbund der Isolierverglasungen ein. Diese wurden bewusst mit einer niedrigen Lichttransmission und dezentem Reflexionsgrad ausgeführt, um den speziellen Charakter der Gebäudeformen zu unterstreichen. Damit das unterirdische Einkaufszentrum mit genügend Tageslicht versorgt werden kann, wurde zwischen den Gebäuden I und II eine begehbare Glasdachkonstruktion realisiert.
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Besondere Treppenkonstruktion mit gläsernen Wangen
Abgesehen von der auffälligen Fassadenkonstruktion verbergen sich auch im Innenraum gläserne Blickfänge. So findet sich in einem der Bürogebäude eine spiralförmige Stahltreppe, die unter einem Atriumdach die 5. und 6. Etage miteinander verbindet. Die Besonderheit: Das Treppenauge beginnt bereits einige Geschosse darunter und fungiert hier als reine raumbildende Skulptur, die durch kreisrunde Deckendurchbrüche schlussendlich in das lichtdurchflutete Atrium führt.
Die Treppenwangen bestehen aus vier zylindrisch geformten Verglasungen aus 3-fach-Verbundsicherheitsglas. Sie liegen umlaufend auf der Verkehrsfläche des 5. Geschosses auf und folgen dem über Punkthalter montierten Handlauf in die Höhe. Die Gläser aus thermisch entspanntem Floatglas wurden im Schwerkraftbiegeverfahren gebogen und stehen mit ihrer Formensprache der dominanten Gradlinigkeit der Außenwirkung entgegen – wie auch die gebogenen, transparenten Bürotrennwände.
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Gläserner Eisberg als Kunstinstallation
Auch in Form von künstlerischen Interventionen wurde der Werkstoff Glas eingesetzt: Entlang der Holzdecke einer der Lobbys wurde die Installation The Iceberg umgesetzt, die aus insgesamt 110 unregelmäßig geformten Modellverglasungen besteht, die über nicht sichtbare Punkthalter an der Unterkonstruktion befestigt ist. Jede Glasscheibe besteht aus thermisch speziell behandeltem Floatglas und ist in Länge, Höhe und Form ein Unikat. Erst hintereinander angeordnet stehen die Scheiben in der Gesamtheit wie die Spitze eines Eisberges unterhalb der Decke hervor. Die einzelnen Gläser wurden hierzu auf einer strukturierten Oberfläche aufgeschmolzen und anschließend kontrolliert abgekühlt (fused glass). Im Anschluss wurden die Modellverglasungen auf die jeweiligen individuellen Formate zugeschnitten, die Kanten bearbeitet und abschließend zu Einscheibensicherheitsglas thermisch vorgespannt.
Bautafel
Architektur: Aulík Fišer architekti, Prag
Projektbeteiligte: SIPRAL, Prag (Fassade); JEŽ – kamenické práce, Prag (Naturstein); LLENTAB, Prag (Stahlbau); LASVIT, Prag (Glaskunst Innenraum); STAIRS design, Kladno (Treppenkonstruktion); HunterDouglas Kadaň, Kadaň (Verschattung); FERI, Hradec Králove, und Metrostav, Prag (Rohbau)
Bauherr/in: KKCG Real Estate Group
Fertigstellung: 2021
Standort: Evropská 866, 16000 Prag, Tschechien
Bildnachweis: BoysPlayNice, Aulík Fišer architekti
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