_Glas
Isolierglas
Der Kurzbegriff Isolierglas bezeichnet ein Mehrscheiben-Isolierglas, das eine komplexe und funktionelle Verglasungseinheit darstellt. Es besteht aus mindestens zwei Glasscheiben, die durch einen hermetisch abgeschlossenen Scheibenzwischenraum (SZR, auch LZR – Luftzwischenraum genannt, meist 8 bis 16 mm) getrennt sind und nur durch den Randverbund zusammengehalten werden. Die Isolierverglasung ist als eigenständiges System zu betrachten, das zur Funktionstüchtigkeit einen umlaufenden Rahmen wie beispielsweise einen Fensterflügel, nicht benötigt. Je nach statischen Erfordernissen können für die Scheiben Floatglas, teilvorgespanntes Glas (TVG) und Einscheibensicherheitsglas (ESG) bzw. daraus hergestellte Verbund- (VG) und Verbundsicherheitsgläser (VSG) zum Einsatz kommen. Darüber hinaus unterscheidet man nach der Anzahl der Glasscheiben zwischen 2-fach und 3-fach Isolierverglasungen. Im Hinblick auf die Anforderungen der Energieeinsparverordnung (EnEV) nehmen Letztere einen immer höheren Stellenwert ein.
Gallerie
Das Prinzip der Isolierglaseinheit beruht darauf, dass unbewegte Luft ein schlechter Wärmeleiter ist. Der zwischen den Scheiben eingeschlossene Luftraum bildet deshalb eine gute Wärmeisolierschicht. In der Folge reduziert sich der Energieverlust im Vergleich zu einer Einfachverglasung deutlich. Außerdem kühlt die rauminnenseitige Scheibe nicht so stark ab und verringert damit die Absenkung der Raumtemperatur. Das zeigt sich am Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Wert): Bei einer Einfachverglasung beträgt liegt er bei etwa 4,8 W/(m²K), bei einer modernen Isolierverglasung hingegen < 1,0 W/(m²K). Neueste Dreischeiben-Isolierverglasungen mit einem Scheibenzwischenraum von 2 x 12 mm (gefüllt mit Krypton, s.u.) und zwei Wärmeschutzbeschichtungen (ε=0,03) erreichen sogar U-Werte von 0,5 W/(m²K).
Neben der Größe des Scheibenzwischenraums, dem Füllgas und der Beschichtung ist der U-Wert einer Isolierverglasung auch von der Einbausituation abhängig. Nach DIN EN 673 Glas im Bauwesen - Bestimmung des Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Wert) - Berechnungsverfahren bzw. nach DIN EN 674 Glas im Bauwesen - Bestimmung des Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Wert) - Verfahren mit dem Plattengerät kann er für unterschiedliche Neigungen ermittelt werden. Die Hersteller geben in der Regel jedoch den Wert für die vertikale Einbausituation an. In dieser Lage steigt die Warmluft an der Innenseite der Verglasung auf und es entsteht ein großer, langsamer Luftstrom mit relativ wenig Luftbewegung. Neigt man die Verglasung gegen die Horizontale, nimmt die Konvektion im Scheibenzwischenraum zu.
Isolierglaseffekt
Aufgrund des hermetisch abgeschlossenen Scheibenzwischenraums,
erzeugt eine Änderung der Temperatur oder des barometrischen Drucks
automatisch eine Druckdifferenz zwischen Scheibenzwischenraum und
außen liegender Atmosphäre (isochore Druckverhältnisse). Bedingt
durch diesen als Isolierglaseffekt bezeichneten Vorgang erhöht sich
der Druck im SZR
durch einen Temperaturanstieg im Sommer (hohe Temperaturen und
Hochdruck) und verringert sich bei einer Temperaturabsenkung im
Winter (tiefe Temperaturen und Tiefdruck). Dementsprechend verformt
sich das Isolierglas unterschiedlich: Bei einer Druckerhöhung dehnt
sich der Randverbund und die Glasscheibe wölbt sich nach außen, bei
einer Drucksenkung staucht sich der Randverbund und die Scheiben
wölben sich nach innen. Gemäß DIN 18008-1 Glas im
Bauwesen - Bemessungs- und Konstruktionsregeln - Teil 1:
Begriffe und allgemeine Grundlagen ist dieser Effekt anhand
statischer Nachweisverfahren für Isolierglas als separater Lastfall
(Klimalast) zu berücksichtigen: Als Regelwerte wird dort für den
Sommer-Lastfall eine Temperaturdifferenz von +20 K und für den
Winter-Lastfall -25 K angegeben. Darüber hinaus sind Änderungen des
atmosphärischen Drucks und Ortshöhendifferenzen je nach Jahreszeit
zu berücksichtigen. Besondere Bedingungen (z.B. innen liegender
Sonnenschutz, unbeheiztes Gebäude) sind durch weitere Zu- oder
Abschläge ebenfalls einzubeziehen.
Grundsätzlich und im Wesentlichen hängt der Isolierglaseffekt von der Steifigkeit des Systems ab, sodass sich große Scheibenzwischenräume, schmale Glasformate und asymmetrische Glasaufbauten sowie große Höhenunterschiede als kritisch erweisen. Bei Dreifach-Isolierverglasungen ist der Isolierglaseffekt stärker ausgeprägt, da sich die beiden Scheibenzwischenräume addieren. Bei großen Scheibenformaten ist dagegen eher der Lastfall Wind bemessungsrelevant.
Randverbund
Dem Randverbund kommt die wichtige Aufgabe zu, die einzelnen
Glasscheiben dauerhaft zu verbinden und eine dampfdichte Sperre zu
bilden. Insbesondere die Letztgenannte muss über die Nutzungsdauer
hinweg eine Nachdiffusion von Wasserdampf in den SZR verhindern.
Verformungen infolge des Isolierglaseffektes muss der Randverbund
elastisch ausgleichen und dabei beständig sein gegen chemische
Einwirkungen aus Atmosphäre und UV-Strahlung. Die Breite des
Randverbundes wird durch den Abstandshalter bestimmt. Er ist mit
einem Trockenmittel
(auch Adsorptionsmittel genannt) gefüllt und mit Polyisobutylen
(Butyl)
eingeklebt. Diese Verklebung wird als Primärdichtstufe bezeichnet.
Sie dichtet die Verklebung die Glasscheiben ab und verhindert die
Diffusion von Wasserdampf und Gas. Als Trockenmittel wird meistens
Aluminiumsilikat oder Zeolith verwendet. Es entzieht dem Gas des
SZR herstellbedingte Restfeuchte. Als Materialien für die Abstandhalter
kommen perforiertes Aluminium, verzinkter Stahl oder Edelstahl
sowie heute meistens verschiedene Kunststoffverbundmischungen
(warme
Kante) zum Einsatz. Zur Abdichtung des Isolierglases wird der
Hohlraum außerhalb des Abstandhalterrahmens bis zur Scheibenkante
mit einem Sekundärdichtstoff auf Polysulfid- (Thiokol),
Polyurethan-, bzw. Silikonbasis oder Hotmelt, einem
Schmelzklebstoff, gefüllt. Die Überdeckung der Dichtstoffauflage
muss mindestens 2 bis 3 mm betragen. Aufgabe der Sekundärdichtstufe
ist es, die Glasplatten dauerhaft zu verbinden und den SZR
hermetisch dicht abzuschließen.
Für Überkopfverglasungen
oder Structural-Glazing-Isoliergläser
wird als Dichtmaterial auch schwarzes Silikon
verwendet, das zwar eine wesentlich bessere UV-Beständigkeit, aber
eine deutlich höhere Diffusionsrate für Füllgase aufweist. Die
elastische Sekundärdichtstufe gewährleistet die Aufnahme aus
Klimalasten resultierender Verdrehungen der Glasplattenränder.
Scheibenzwischenraum (SZR)
Der Wärmefluss durch Isolierglas wird neben der Wärmestrahlung und
Wärmeleitung auch durch Konvektion (= Luftbewegung, Energiefluss)
bestimmt:
- Wärmestrahlung infolge des Emissionsvermögens der Scheibenoberfläche (Anteil ca. 65% bei konventionellem Isolierglas ohne Wärmeschutzbeschichtung)
- Wärmeleitung und Konvektion (Anteil ca. 35% bei konventionellem Isolierglas ohne Wärmeschutzbeschichtung)
Beschichtungen
Um die Oberflächen der Gläser eines Mehrscheiben-Isolierglases
nicht zu verwechseln, helfen Positionsbezeichnungen. Für ein
Zweifach-Isolierglas lauten diese:
- Pos. 1 = Außenseite Außenscheibe
- Pos. 2 = Innenseite Außenscheibe (zum SZR hin)
- Pos. 3 = Außenseite Innenscheibe (zum SZR hin)
- Pos. 4 = Innenseite Innenscheibe
Speziell bei Dreifach-Isolierverglasungen kann sich die mittlere Scheibe bei Sonnenstrahlung sehr stark aufwärmen. Wird die mittlere Scheibe beschichtet, empfiehlt sich die Verwendung von vorgespannten Gläsern (TVG oder ESG), die eine höhere Temperaturwechselbeständigkeit besitzen und somit das Risiko thermischer Sprünge verringern.
Gewichtsreduzierung von Dreifach-Isolierglas
Moderne Dreifach-Isolierverglasungen haben den Nachteil, dass sie
durch die weitere Glasscheibe sehr schwer werden können. Am ift
Rosenheim untersuchte man deshalb das Potenzial der
Gewichtsreduzierung durch die Verwendung von Dünnglas
oder Kunststoffplatten bzw. -folien. Die Untersuchungen zeigen,
dass für Scheiben mit einer kurzen Kante (etwa 65 cm) für
Glasdicken ≤ 4 mm Vorspannbedarf besteht. Bei großformatigen
Abmessungen ist dies aus statischen Gründen nicht unbedingt
notwendig. Aufbauten mit Folien anstelle einer Glasscheibe in der
Mitte haben sich als komplexe, aber machbare Systeme erwiesen.
Isoliergläser mit transparenten Kunststoffplatten als mittlere
Scheibe erfordern eine spezielle Lagerung, die eine thermische
Ausdehnung ohne Belastung des Randverbunds ermöglicht. Aufgrund des
Feuchtegehalts der Kunststoffplatten, müssen diese entweder vor dem
Einbau getrocknet werden oder die Trockenmittelmenge großzügiger
dimensioniert werden. Zunächst sind Isolierglasscheiben mit
Dünngläsern im Vergleich zu konventionellen Glasdicken hinsichtlich
der Luftschalldämmung im Nachteil. Dies lässt sich durch einen
asymmetrischen Aufbau des Isolierglases jedoch kompensieren.
Bezüglich des Wärmedurchgangskoeffizienten, des
Gesamtenergiedurchlassgrads und des Lichttransmissionsgrads stehen
sie herkömmlichen Isoliergläsern in nichts nach.
Eine zukünftige Alternative könnten auch Vakuumverglasungen sein,
an denen seit Jahren an verschiedenen Instituten geforscht wird. Im
Gegensatz zu herkömmlichen Isolierverglasungen wird die Luft im SZR
nahezu komplett evakuiert, eine Befüllung mit Edelgasen erfolgt
nicht. Dadurch fehlt das Medium, das Wärme und Schall
zwischen Innen- und Außenscheibe transportiert. Allerdings
resultiert aus dem Vakuum ein erheblicher Druck auf die
Glasscheiben. Dies macht den Einsatz von kleinen, kaum
wahrnehmbaren Stützkörpern erforderlich, die in einem regelmäßigen
Raster zwischen den Gläsern angeordnet werden.
Fachwissen zum Thema
Objekte zum Thema
BauNetz Wissen Glas sponsored by:
Saint-Gobain Glass Deutschland